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Wirtschaft: Aktionärsversammlung beschließt Gründung einer Stiftung und lehnt Auflösung der AG ab

Die IG Farben will eine mit drei Mill. DM ausgestattete Stiftung gründen, die bereits im kommenden Jahr die ältesten noch lebenden NS-Zwangsarbeiter entschädigen soll.

Die IG Farben will eine mit drei Mill. DM ausgestattete Stiftung gründen, die bereits im kommenden Jahr die ältesten noch lebenden NS-Zwangsarbeiter entschädigen soll. Auf einer von Tumulten begleiteten Hauptversammlung billigten die Aktionäre am Mittwoch in Frankfurt (Main) den Plan der Liquidatoren Volker Pollehn und Otto Bernhardt, die an die "historische Verantwortung" der Firma erinnert hatten. Die Gegner beharrten dagegen auf einer raschen Liquidierung. Das gesamte Restkapital von knapp 25 Mill. DM müsse den Opfern zur Verfügung gestellt werden.

Die Hauptversammlung der IG Farben in Abwicklung verlief am Mittwoch in erstaunlich ruhigen Bahnen, auch wenn es im Saal heftige Dispute gab und mehr Polizisten und Sicherheitskräfte als Anteilseigner anwesend waren. Film- und Fernsehaufnahmen waren im Saal verboten. Die gerade mal rund 70 anwesenden Aktionäre einigten sich mit überwältigender Mehrheit auf die Einrichtung einer Stiftung, die mit drei Mill. DM ausgestattet sein wird. Sie soll ehemalige Zwangsarbeiter entschädigen und sich um die Aufarbeitung der unrühmlichen Unternehmensgeschichte kümmern. Kritiker lehnen die Stiftung als unzureichend ab: Die geplanten drei Mill. DM seien geradezu lächerlich, eine Verhöhnung der Nazi-Opfer.

Die Aktionäre gaben den beiden Liquidatoren aber auch den Auftrag, sich um angebliche Ansprüche an die Schweizer Großbank UBS in Höhe von 4,4 Mrd. DM zu kümmern. Damit sind weitere Rechtsstreitigkeiten programmiert, ein Ende der Nachfolge-Gesellschaft des einst größten und berüchtigsten Chemie-Konzerns der Welt ist nicht Sicht. Was Liquidator Volker Pollehn einräumt: "Beim jetzigen Stand der Dinge kann ich keine Jahreszahl für das Ende der Gesellschaft nennen." Nach Ansicht von Pollehn wäre das rechtlich auch gar nicht möglich: Erst müssten laufende Geschäfte beendet, Forderungen eingezogen und Gläubiger befriedigt werden.

Eine Stiftung, dies machte Pollehn aber auch klar, ist eine freiwillige Entscheidung des Unternehmens. Einen Rechtsanspruch gebe es nicht. Deshalb weist er auch die mittlerweile mehr als 450 Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter gegen die IG Farben zurück. Sie könnten allenfalls gegen Staaten erhoben werden. Bereits in den 50er Jahren habe die IG Farben 27,8 Mill. DM - "das sind nach heutigem Wert über 100 Mill. DM" - zur Verfügung gestellt. Damit, so Pollehn, seien 5855 jüdische Zwangsarbeiter entschädigt worden. Trotzdem müsse "ein Teil" des IG-Farben-Restvermögens den Menschen zugute kommen, die durch IG Farben während der Nazizeit zu Schaden gekommen seien. Trotz bisher geleisteter hoher Zahlungen habe das Unternehmen, das das Todesgas Zyklon B produzierte und in Auschwitz etwa 100 000 Zwangsarbeiter beschäftigte, eine "besondere historische Verpflichtung". Die jetzt abgesegnete Stiftung, deren Details noch geregelt werden müssen, betrachtet Pollehn als ersten Schritt.

Auf der Hauptversammlung wurde allerdings auch klar, dass für Pollehn, seinen Kollegen Otto Bernhardt und für die Aktionäre die Verfolgung von Forderungen ebenso wichtig ist. Da geht es vor allem um 4,4 Mrd. DM bei der UBS. Die Schweizer Großbank soll Anfang der 60er Jahre zu Unrecht in den Besitz des Vermögens der ehemaligen IG-Farben-Tochter IG Chemie in Basel gekommen. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Amerikanern, die das Vermögen 1942 beschlagnahmt hatten, und der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft werde auch an der Zürcher Börse als "Schwindelhandel" bezeichnet, sagte Pollehn.

Für die Liquidatoren und für die zum Teil merkwürdigen Aktionäre der IG Farben ist das höchst interessant - zumindest interessanter als die geplante Stiftung. Zumal die Ansprüche auf angebliches Ostvermögen durch das Bundesverfassungsgericht abgeschmettert wurden. Der Investmentclub Landau reklamiert trotzdem 100 DM pro Quadratmeter von der Bundesregierung für einbehaltene Ost-Grundstücke. So etwas nannte dann sogar Pollehn "abenteuerlich". Er kritisierte aber auch die Kritischen Aktionäre scharf und mit unverkennbarer Polemik: Sie wollten eine ordnungsgemäße Auflösung der Gesellschaft verhindern und dies zum Teil sogar mit Gewalt.

Die waren empört und forderten umso mehr das sofortige Ende der IG Farben und eine "neutrale Stiftung", die von früheren NS-Opfern verwaltet und über die Verwendung des Restvermögens entscheiden soll. Derzeit wären das knapp 25 Mill. DM. Aber dieser Antrag wurde wieder einmal abgeschmettert.

ro

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