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Mitarbeiter des Amazon-Logistikzentrums in Leipzig (Sachsen) verpacken Waren für den Paketversand.

© dpa

Amazon-Streiks bis Heiligabend möglich: Alle Jahre wieder

Die angekündigten Ausstände bei Amazon könnten noch bis Heiligabend andauern. Der Online-Versandhändler hält an seinem Lieferversprechen zu Weihnachten fest.

Sie gehören mittlerweile zusammen wie Plätzchen und Weihnachten: Die Streiks beim Online-Versandhändler Amazon. In vier deutschen Logistikzentren sollen rund 1000 Beschäftigte die Arbeit niederlegen - teilweise bis zum 24.12. Das kündigte die deutsche Gewerkschaft Verdi an. Doch der vorweihnachtliche Arbeitskampf ist nicht neu: Seit zwei Jahren ruft Verdi kurz vor den Festtagen zu Streiks in verschiedenen deutschen Amazon-Versandzentren auf.

Das alljährliche Ziel: Einen einheitlichen Tarifvertrag mit fairen Löhnen und humanere Arbeitsbedingungen mit einer sicheren Jobperspektive. Bislang verweigert der US-Versandhändler jegliche Verhandlungen mit Verdi. Tarifverträge werden kategorisch abgelehnt. Trotz der Streiks hält Amazon an seinem Lieferversprechen zu Weihnachten fest - die Geschenke werden wohl also auch in diesem Jahr rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum ankommen.

Streiks bis Heiligabend

Zum ersten Mal seit den Arbeitsniederlegungen bei Amazon 2013 bestreikt Verdi alle deutschen Logistikzentren des Online-Versandhändlers - und das schon seit November. Zu Weihnachten möchte Verdi die Streiks aber nochmal verstärken. Im sächsischen Leipzig dauern die Streiks bereits an: Rund 200 Beschäftigte versammelten sich dort zum Frühdienst vor dem Firmengelände. Bis zum Streikende um Mitternacht sollen weitere 250 dazukommen. In Koblenz wird der Ausstand bis zum Ende der Frühschicht am 24.12. andauern. Ebenfalls zu Streiks hat Verdi an den nordrhein-westfälischen Standorten in Rheinberg und Werne aufgerufen.

An den beiden Standorten erwartet Verdi zusammen rund 350 Teilnehmer. Auch hier könnten die Streiks bis Heiligabend andauern, kündigte Verdi an. "Wir haben eine flexible Streikstrategie, dass heißt wir entscheiden erst am frühen Morgen, wo und wann wir genau streiken", sagt der Verdi-Fachbereichsleiter für Hessen, Bernhard Schiederig. Dem Versandhändler soll die Möglichkeit genommen werden, Kapazitäten kurzfristig umzuverteilen. Der Versandriese hält dagegen: Nur eine geringe Anzahl an Mitarbeiter würden sich an den Streiks beteiligen. Nach eigenen Angaben beschäftigt das US-Unternehmen zur Weihnachtszeit zusätzlich zu den 10.000 Mitarbeitern mehrere tausend Saisonarbeiter.

Verdi verbuchte erst kürzlich einen Teilerfolg gegen Amazon: Die vom US-Konzern geplante Sonntagsarbeit am 20.12. und 30.12. wurde vom sächsischen Oberlandesgericht untersagt.

Logistiker oder Einzelhändler?

Kernpunkt der Forderungen der Gewerkschaftler ist die Einführung eines Tarifvertrages für die rund 10.000 Festangestellten bei Amazon. Dieser soll neben einem höheren Lohn auch bessere Rahmenbedingungen mit sich bringen. Konkret fordert Verdi einen Monatslohn von 2150 Euro, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie eine Begrenzung der Arbeitszeit auf 37,5 Stunden in der Woche. Ein flächendeckend einheitlichen Tarifvertrag steht nicht im Mittelpunkt der Forderungen, so Verdi. Man wolle die Mindestlöhne an die regionalen Bedingungen anpassen, so Schiederig weiter.

Verdi wirft dem Versandgiganten vor, dank fehlender Tarifregelungen, Löhne und Arbeitsbedingungen frei bestimmen zu können. Der US-Konzern lege für seine Berechnungen die Löhne der Logistik- und Speditionsbranche zu Grunde. "Diese sind allerdings deutlich niedriger als die in Deutschland bei anderen Versandhändlern eingesetzten Tarife des Einzelhandels", so Bernhard Schiederig. Selbst im US-amerikanischen Kernland ist das Unternehmen als Einzelhändler gelistet - und zahlt entsprechend höhere Löhne.

In Deutschland seien die Löhne im Schnitt bis zu 25 Prozent niedriger als in der Einzelhandelsbranche üblich, meinte Schiederig. Die niedrigen Löhne bei Amazon schaden dadurch nicht nur Amazon-Mitarbeiter, sondern setzen auch deutsche Konkurrenzunternehmen unter Druck, so der Gewerkschaftler weiter.

In der Kritik stehen auch der hohe Anteil befristeter Verträge. Verdi schätzt, dass rund 80 Prozent aller Arbeitsverträge zeitlich begrenzt sind. Das erschwert die eigene Lebens- und Familienplanung. Amazon hält dagegen: 2015 seien in Deutschland 800 unbefristete Stellen geschaffen worden, 2016 plane man mit weiteren 200. Auch die Zahl unbefristeter Arbeitsverträge sei deutlich höher als von Verdi angegeben. Rund 80 Prozent der festangestellten Mitarbeiter sind nach Unternehmensangaben unbefristet beschäftigt.

Nadelstiche gegen einen Giganten

Trotz der angekündigten Streiks werden wohl auch in diesem Jahr alle Pakete ihre Ziele rechtzeitig erreichen. Denn das Amazon-Imperium ist riesig: In Deutschland verteilen sich mehr als 10.000 Mitarbeiter auf neun Standorte. Zu Weihnachten kommen noch 10.000 Saisonkräfte hinzu. Den größten Platz bietet das Logistikzentrum in Werne auf rund 140.000 Quadratkilometern - das entspricht 19 Fußballfelder.

Das Logistikzentrum in hessischen Bad Hersfeld beschäftigt fast 5.000 Mitarbeiter. Zudem kommen Pakete immer öfter aus dem europäischen Ausland. Sollten in deutschen Logistikzentren Kapazitäten ausfallen, könnten die bestellten Pakete so stattdessen aus Polen kommen. Dennoch scheinen die Streiks den Konzern nervös zu machen.

Daniel Mosler

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