zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Alle kämpfen für den Feiertag

Ökonomen und Gewerkschaften halten nichts von einer Verlegung des „Tags der deutschen Einheit“ – Wirtschaft profitiert kaum

Berlin Der Vorschlag, den „Tag der deutschen Einheit“ auf den ersten Sonntag im Oktober zu legen, hat heftige Kritik in der Politik und bei den Gewerkschaften ausgelöst. Ökonomen warnten davor, die positiven Effekte für das Wirtschaftswachstum zu überschätzen. Die Abschaffung des „Tags der deutschen Einheit“ als arbeitsfreien Feiertag würde nur ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozentpunkten bringen – und das auch nur für das kommende Jahr, sagten Volkswirte dem Tagesspiegel am Donnerstag.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitbegründer der Ost-SPD Stephan Hilsberg sprach von einer „Schnapsidee“. Das Vorhaben belege den alten Verdacht, dass westdeutsche Sozialdemokraten und Grüne mit der Einheit „im Grunde nicht viel am Hut hatten und haben“, sagte Hilsberg. „Der Gedanke offenbart einen erschreckenden Mangel an Stolz auf die eigenen Nation.“ Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) plädierte dafür, den 3. Oktober als Feiertag beizubehalten. „Ein Nationalfeiertag ist für mich auch Ausdruck des Geschichtsbewusstseins einer Nation. Und das würde ich nicht so einfach gegen die schwierige Kassenlage aufwiegen“, sagte Simonis.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte die Regierung auf, noch einmal über die Verschiebung des Feiertages nachzudenken. „Armes Deutschland, dass wir meinen, uns nicht einmal mehr einen Feiertag leisten zu können, der an eines der wichtigsten und positivsten Ereignisse unserer Geschichte erinnert“, kritisierte DGB-Chef Michael Sommer.

Dagegen verteidigte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) die Verschiebung. „Wir sollen die deutsche Einheit richtig feiern. Wir müssen aber auch mehr arbeiten für die deutsche Einheit“, meinte der Minister. Von dem zusätzlichen Arbeitstag erhofft sich Eichel zwei Milliarden Euro, davon 500 Millionen für den Bund.

Bereits in diesem Jahr arbeiten die Deutschen mehr als sonst üblich. Denn das Jahr hat fünf Arbeitstage mehr, weil viele Feiertage auf ein Wochenende fallen. Die Bundesbank rechnet deswegen mit einem um etwa 0,6 Prozentpunkte höheren Wachstum. „Auch 2005 würde das Wachstum leicht anziehen – aber nur wegen des statistischen Effekts“, sagte Ulrich Kater, Chefökonom der Deka-Bank. Im Jahr darauf werde dies keinen Effekt mehr haben, weil 2006 die Arbeitszeit nicht weiter ausgeweitet würde.

Die Streichung eines Feiertages sei gleichbedeutend mit einer allgemeinen Lohnsenkung, sagte Kater – das bedeutet geringere Produktionskosten für die Unternehmen. Allerdings habe diese Maßnahme „eher symbolische Wirkung“ auf Konjunktur und Arbeitslosigkeit. Wirkungsvoller als ein staatlicher Eingriff in die Arbeitskosten sei eine Öffnung der Tarifverträge durch Arbeitgeber und Gewerkschaften. „Würden die Beschäftigten nur 2,2 Stunden pro Woche länger arbeiten, wäre das gleichbedeutend mit der Streichung von zwölf Urlaubstagen“, hat er errechnet.

Skeptisch äußerte sich auch Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA). Auch er erwartet kein nennenswert stärkeres Wachstum. „Die deutsche Konjunktur hat ja derzeit ein Nachfrage- und weniger ein Angebotsproblem“, sagte er. Zwar „gewinnen die Unternehmen im globalen Wettbewerb etwas Luft“, räumte er ein, und außerdem müssten sich die Arbeitnehmer ohnehin daran gewöhnen, bei stagnierenden Löhnen länger zu arbeiten. „Den Kostenwettlauf mit Billiglohnländern können wir aber so nicht gewinnen – die deutsche Wirtschaft muss vor allem flexibler und besser werden, nicht unbedingt billiger“, so Straubhaar. brö/asi/ce/has/hmt/MG

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false