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Das Auto als Zweitbüro. Verkäufer sind oft unterwegs und müssen für ihre Kunden immer erreichbar sein. Im Gegenzug bietet der Job aber viele Freiheiten. Foto: Fotolia

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Wirtschaft: Allein unter Männern

Nur wenige Frauen interessieren sich für eine Vertriebskarriere. Dabei ist der Job weit besser als sein Image

Gudrun Heim ist auf der Rückfahrt von einem Kundentermin zwischen München und Ulm. Die Managerin ist für die Serviceorganisation von Hewlett-Packard unterwegs; sie verkauft IT-Dienstleistungen. Ihre Kunden: mittlere und gehobene Mittelstandsfirmen. Zu wichtigen Abschlussverhandlungen kommt die Leiterin des Mittelstandsgeschäfts immer dazu. Das verlangt schon allein die Präsenz der Geschäftsleitungsebene auf Kundenseite. Heim hat bei Hewlett-Packard relativ viele Kolleginnen im Vertrieb. Das amerikanische Unternehmen holte auch in Deutschland schon vor mehr als 15 Jahren gezielt Frauen an die Kundenfront. Doch das ist nicht überall so.

Bei ihren Terminen bewegt sich Gudrun Heim meist in reinen Männerrunden. Eine Tatsache, die sie überhaupt nicht stört, im Gegenteil. „Ich erlebe, dass mir stets viel Respekt und Höflichkeit entgegengebracht wird“, sagt sie. „Das ist ein ganz eigenes Spannungsverhältnis, das in den Gesprächen entsteht.“ Am Vertrieb schätzt sie den Blick nach außen, in andere Unternehmen hinein. „Ich erfahre sehr viel über unterschiedliche Unternehmenskulturen und Menschen, die sich in diesen Kulturen bewegen. Ein reiner Bürojob käme für mich gar nicht mehr in Frage“, erzählt sie.

Wichtig ist ihr der hohe Stellenwert, den der Vertrieb hat. „Ohne Umsatz überlebt kein Unternehmen. Nicht umsonst stehen Vertriebskollegen mit guten Abschlüssen immer im Rampenlicht“, äußert sich die Managerin nicht ohne Stolz. Die Messbarkeit ihrer Ergebnisse, das Belohnungssystem über den variablen Gehaltsanteil, all das sind Punkte, die Gudrun Heim am Vertrieb gefallen. Den männlichen Umsatzwettbewerb untereinander macht sie allerdings nicht mit: „Ich schaue mehr nach mir und messe mich an meinen eigenen Leistungen.“

Gemischte Verkaufsteams aus Frauen und Männern funktionieren hervorragend, hat Heim immer wieder erfahren: „Die Rollenverteilung in Verhandlungen klappt dann optimal“, berichtet sie. Heim ermutigt Frauen, den Vertrieb für sich zu entdecken, weiß aber auch: „Dabei müssen natürlich die Unternehmen mitspielen.“ Sie vertritt ihren Geschäftsbereich deshalb im Diversity-Board von Hewlett-Packard.

Was stört Frauen am Vertriebsjob? Heim nennt das anspruchsvolle Zeitmanagement, vor allem durch die hohe Reisetätigkeit mit Leerlaufzeiten in Auto und Bahn, außerdem die Fremdbestimmung als Herausforderungen, der Frauen durchaus kritischer gegenüber stehen als Männer. „Kunden erwarten zurecht ein hohes Maß an Erreichbarkeit. Frauen schauen an dieser Stelle mehr: Wie bekomme ich für mich hier die Balance hin.“

Tatsache ist: Im Vertrieb sind Männer oft noch unter sich. Auf kaum ein Berufsangebot bewerben sich so wenige Frauen wie auf Vertriebsstellen. Christiane Funken, Professorin an der TU Berlin, hat im Auftrag der Bundesregierung Frauenkarrieren im Vertrieb untersucht (nachzulesen unter dem Titel „Geld oder Macht“). Sie weiß, warum gerade in Deutschland der Vertrieb für Frauen noch wenig attraktiv ist: „Das Verkäuferimage ist hier eher schlecht. Es kursiert noch immer die Vorstellung des einsamen Wolfs, des umsatzgestählten Vertreters. Das ist für viele Frauen nicht attraktiv.“

Dabei ist die Vertriebsrealität längst eine andere. Seine strategische Relevanz hat auch im Zuge der Internationalisierung der Unternehmen stark zugenommen. Vertriebsprofis sind nicht mehr nur die „durchsetzungsstarken Umsatzbringer“, sondern gelten heute als die entscheidenden Mittler zwischen dem Unternehmen und den Interessen von Markt und Kunden. Männer haben das besser erkannt und nutzen ihre Tätigkeit im Vertrieb zunehmend auch als Sprungbrett für eine Karriere im Management. Frauen gehen diesen Weg noch selten. Sie bleiben – wenn sie sich einmal für den Vertrieb entschieden haben – meist nah am Markt und holen sich ihre Anerkennung und Motivation durch zufriedene Kunden und gute Umsätze. „Sie machen Geld-Karriere“, bringt es Christiane Funken auf den Punkt. Nachholbedarf sieht sie eher in punkto „Gestaltungs-Karriere“ in Führungsfunktionen: „Frauen, die das wollen, müssen lernen, sich nach innen zu verkaufen, ihre Marktkenntnis und Erfolge stärker zu präsentieren.“

Die männlich geprägten Managementregeln, die Vertriebsfrauen hierfür beherrschen müssen, kennt der Wiesbadener Führungsspezialist Claus von Kutzschenbach. Er trainiert Frauen, die im Vertriebsmanagement Karriere machen. Das Thema „Frauen, Männer, Management“ hat er jüngst in einem Buch verarbeitet, das die Abläufe in Vertriebs-Meetings und Verhandlungen aus Männersicht erklärt. „Frauen haben es, ohne dass sie sich verbiegen müssen, in einer männerdominierten Umgebung wie dem Vertrieb leichter als sie denken“, sagt er. „Aber sie sollten die männlichen Regeln und Rituale kennen.“ Die Rangeleien männlicher Gesprächspartner und Kollegen werden sonst oft einfach missverstanden. „Frauen lassen sich von Kollegen zu häufig unnötig brüskieren und ziehen sich zurück, anstatt den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, um dann für sich zu punkten.“

Frauen begegneten heiklen Gesprächspartnern erst einmal harmoniestiftend, hat Kutzschenbach beobachtet – was bei einem gereizten Gegenüber nicht immer hilft. Der Trainer provoziert bewusst: „Mit überschlagenen Beinen kann ich keinen aufgebrachten Menschen überzeugen. Hier ist eine klare Körpersprache gefragt.“ Den kommunikationsstarken Vertriebsfrauen rät er, in problematischen Gesprächssituationen nicht zu viel erklären zu wollen. „Sonst kommt die eigentliche Nachricht nicht an.“ Besser seien klare Signale an Kunden, Mitarbeiter und Kollegen sowie genügend Zeit für die Beteiligten, die Botschaft zu verarbeiten.

Annette Mühlberger

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