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Wirtschaft: „Als Modestadt kann Berlin noch aufholen“

Escada-Chef Rheinboldt über Luxus in der Hauptstadt, die Konkurrenz von Armani und Gucci und die Kleidung von Angela Merkel

Herr Rheinboldt, haben Sie ein Schnittmuster von Angela Merkel in der Schublade?

Nein, haben wir nicht.

Es heißt aber doch, die Bundeskanzlerin trage Escada ...

Hin und wieder trägt sie auch Escada. Offiziell statten wir sie aber nicht aus.

Würden Sie denn gern?

Wir haben vor längerer Zeit, als Frau Merkel noch nicht Kanzlerin war, einen Versuch unternommen – leider ohne Erfolg. Natürlich würden wir die deutsche Bundeskanzlerin gerne einkleiden.

Wie wichtig sind prominente Kunden für Escada?

Sehr wichtig. Das Outfit von Stars ist für das Image einer internationalen Marke von großer Bedeutung. In der Vergangenheit haben wir da leider ein paar Federn gelassen. Wir werden das wieder forcieren - wir wollen jüngere Stars, Musikerinnen und Schauspielerinnen gewinnen.

Sie wollen damit weg vom etwas angestaubten Goldknopf-Image. Wie sieht denn die ideale Escada-Kundin aus?

Der Goldknopf zeichnet die Marke Escada schon lange nicht mehr aus. Unsere Kundin ist selbstbewusst und erfolgreich oder sie hat einen erfolgreichen Mann. Sie schmückt sich gern, sie liebt Farben und manchmal mag sie es extravagant. Escada steht für Joie de vivre, Lebensfreude. Unsere Kundinnen sind häufig extrovertiert, lebensfroh eben.

Verkauft nicht jede Modemarke Lebensfreude?

Aber jede auf ihre Weise. Armani ist ruhiger, reduzierter, edler. Wichtig ist, dass Modemarken und ihre Werbeträger glaubhaft zusammenpassen. Jennifer Lopez würde zu Escada nicht passen, eher zu Dolce&Gabbana.

Man verbindet mit Escada immer noch eher Damenmode für ältere Kundinnen.

Unsere Hauptklientel ist nicht 25, sondern eher 45. Das ist keine Frage. Wir wollen es aber schaffen, dass Escada jünger, moderner und zeitgemäßer wird – ohne in einen Jugendwahn zu verfallen.

Sie haben nach zwölf Jahren einen neuen Chefdesigner geholt. Ganz schön riskant, wenn man sensible Kundinnen hat, oder?

Das Risiko ist einschätzbar. Wir muten unseren Kundinnen ja keine Revolution zu. Wenn wir alles neu machen würden, hätten wir sicher morgen unsere treue Stammkundschaft verloren. Aber wir dürfen nicht mit unserer Kundschaft älter werden. Unser neuer Chefdesigner Damiano Biella wird das eine tun, ohne das andere zu lassen. Es geht darum, die Marke zeitgemäßer zu machen, neu zu emotionalisieren.

In Russland, sagen Sie, hat Escada schon das jüngere Image, das sie sich für die Marke weltweit wünschen. Warum?

Für russische Kundinnen ist Escada eine absolut angesagte Luxusmarke. In Moskau, aber auch in der Provinz, sind wir wie Chanel in Japan die Luxusmarke Nummer eins. Das liegt daran, weil wir schon vor zehn Jahren erkannt haben, dass der russische Markt ein Wachstumsmarkt ist, und weil wir bei der Expansion offenbar vieles richtig gemacht haben.

Ihr Berliner Laden sieht nicht gerade wie ein Luxustempel aus…

Sie haben recht. Unser Laden in der Friedrichstraße ist definitiv aus einer anderen Zeit und verströmt nicht mehr den Charme einer zeitgemäßen Luxusmarke. Deshalb wird er nächstes Jahr renoviert. Gerade für die internationalen Staatsgäste muss Escada in der Hauptstadt mehr bieten. Das gehen wir jetzt an. Insgesamt werden wir in den kommenden zwei Jahren bis zu 35 Millionen Euro in die Renovierung eines maßgeblichen Teils unserer weltweit 200 eigenen Läden stecken.

Wie läuft Escada in der Hauptstadt?

Unser Umsatz entwickelt sich trotz des älteren Shopkonzeptes in der Friedrichstraße hervorragend. Wir sind mit einem neueren Shopkonzept auch im KaDeWe und bei Peek & Cloppenburg vertreten und haben gerade mit einem Partner auf dem Kudamm einen Escada-Sport-Shop eröffnet. Als Modestadt kann Berlin sicher noch aufholen. Für mich jedenfalls ist es eine patriotische Pflicht, in der Bundeshauptstadt vertreten zu sein.

Bei der Produktion hört der Patriotismus auf, Escada fertigt nur noch im Ausland. Warum bleibt die Zentrale in München?

Die Historie, die Kultur und das Herz einer Firma kann man nicht verpflanzen. Escada wurde in München gegründet – Escada wird in München bleiben. Dennoch spricht nichts dagegen, dass wir unsere Produkte in Osteuropa und in Italien produzieren oder einkaufen. Entscheidend ist, dass wir durch eigene Qualitätskontrolle die Spitzenqualität der Waren sicherstellen. Viele internationale Kunden wissen übrigens gar nicht, dass Escada ein deutsches Unternehmen ist. Die denken, wir kommen irgendwo aus Europa.

Große Luxushersteller verdienen das meiste Geld mit Taschen, Brillen oder Schmuck. Bei Escada machen Accessoires weniger als fünf Prozent des Konzernumsatzes aus. Haben Sie da etwas verpasst?

Fünf Prozent sind definitiv zu wenig. Wir brauchen als internationale Luxusmarke ein funktionierendes Accessoiresgeschäft, keine Frage. Also haben wir Nachholbedarf. Wir müssen den Bereich in den kommenden Jahren auf einen Anteil von 15 bis 20 Prozent am Umsatz bringen. Aber wir werden nicht wie Gucci irgendwann 85 Prozent unseres Umsatzes mit Taschen erzielen.

Was wird aus dem Escada-Handy, das BenQ produziert hat? Müssen Sie einen neuen Hersteller suchen?

Wir wollten eigentlich vor Weihnachten ein neues Escada-Handy mit BenQ präsentieren. Durch die Insolvenz von BenQ-Mobile haben wir eine neue Situation. Ob es ein neues Escada-Handy geben wird, kann ich noch nicht sagen. Vielleicht mit einem anderen Hersteller.

Wann kommt der Escada-iPod?

Ausschließen will ich so etwas nicht. Klar ist aber, dass diese Produkte vor allem dazu dienen, die Marke Escada emotional aufzuladen. DVD-Player oder Fernseher wird es von uns nicht geben.

Escada bietet auch Krawatten an. Warum machen Sie nicht mehr Mode für Männer?

Es gab vor Jahren vage Überlegungen, sie wurden aber nicht weiterverfolgt. Männermode wäre denkbar, wenn die Marke vollkommen etabliert ist und man mit den vorhandenen Produkten nicht mehr wachsen kann. Aber wir sehen in unseren Kerngeschäften noch viele Wachstumschancen, deswegen ist eine Herrenkollektion kein Thema. Ich kann mir vielmehr vorstellen, dass wir mit Escada Sport langfristig einen ähnlich hohen Umsatz wie mit der Haupt-Kollektion erzielen.

Haben Sie in dem Ende Oktober beendeten Geschäftsjahr Ihre Ziele nach der überraschenden Wertberichtigung und dem Neun-Monats-Minus erreicht?

Das operative Ergebnis war nach neun Monaten deutlich positiv und voll im Plan. Wir stehen zu unserer Prognose, es gibt keine Anzeichen für negative Überraschungen. Der Umsatz soll im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen, beim operativen Ergebnis rechnen wir mit einem Anstieg um rund zehn Prozent.

Wann zahlt Escada wieder eine Dividende? Die letzte liegt fünf Jahre zurück.

Es gibt dazu noch keine abschließende Meinung im Vorstand. Escada war immer dividendenfreundlich, aber die Stärkung unserer Kapitalbasis ist mindestens ebenso wichtig.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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