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Wirtschaft: Alte Bildröhren, neue Dieselmotoren

Wer Industriestellen streicht und wer einstellt

Einst machten aufstrebende junge Unternehmen wie Siemens und AEG die deutsche Hauptstadt zu einem führenden Industriestandort. Doch nach Krieg, Teilung und Nachwendezeit ist von industrieller Größe wenig übrig. Es gibt zwar auch positive Entwicklungen in der Berliner Wirtschaft, doch derzeit häufen sich die Hiobsbotschaften.

Den größten Schrecken löste Samsung aus. Der Elektronikkonzern hatte im September angekündigt, sein Werk für Bildröhren in Oberschöneweide bis Jahresende dichtmachen zu wollen. Davon wären 750 der 800 Mitarbeiter betroffen. Die Südkoreaner hatten das ehemalige DDRWerk für Fernsehelektronik nach der Wende übernommen und Subventionen in Millionenhöhe bezogen. Doch klassische Bildröhrengeräte verkaufen sich heute nicht mehr. JVC setzt in Berlin zwar auf moderne Camcorder und DVD-Geräte. Dennoch will der japanische Hersteller sein Reinickendorfer Werk dichtmachen. 225 der 235 Stellen sollen wegfallen. Als Grund gibt der Konzern den Preisverfall der Geräte an, dadurch könne man sich den teuren Produktionsstandort Berlin nicht mehr leisten.

Der Zigarettenhersteller Reemtsma will Teile der Produktion nach Polen verlagern, 200 Arbeitsplätze sind bedroht. Beim Haus- und Systemtechnikunternehmen Stiebel Eltron fallen 95 Jobs weg, wenn das Berliner Werk wie angekündigt geschlossen wird. Hoffnung gibt es dagegen für die Beschäftigten bei Bosch-Siemens Hausgeräte. BSH hatte im Mai angekündigt, die Waschmaschinenfertigung in Spandau bis Ende 2006 einzustellen. Das hätte 700 Stellen gekostet. Doch nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat scheint es Chancen auf den Erhalt vieler Stellen in Berlin zu geben.

Zugleich haben einige der größten Arbeitgeber der Stadt Ausbaupläne. So will Lufthansa gut 30 Millionen Euro in der Region investieren und mehr als 100 neue Stellen schaffen. Das meiste Geld wird in den Ausbau eines Simulatorenzentrums in Schönefeld gesteckt. „Wir glauben an den Standort Berlin, auch wenn es eine schwere Geduldsprobe ist“, sagt Sprecher Wolfgang Weber. Lufthansa wartet seit Jahren auf den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg International. Auch die Fluggesellschaft Air Berlin ist auf Wachstumskurs, 420 neue Stellen sind in letzter Zeit entstanden.

Die Bahn wird im nächsten Mai 70 Kilometer neue Schienen und fünf Bahhöfe in Berlin in Betrieb nehmen. Bund, Länder und Bahn wollen in den kommenden vier Jahren noch rund 2,5 Milliarden Euro in Berlins Infrastruktur investieren.

Auch vom Pharmakonzern Schering gibt es gute Nachrichten. Bis 2010 wird die Forschung mit 90 Millionen Euro ausgebaut. Ob dabei Arbeitsplätze entstehen, ist allerdings offen. Dagegen rechnet Berlin-Chemie allein in diesem Jahr mit 500 neuen Stellen , viele davon am Stammsitz.

Zwar baut Daimler-Chrysler im Konzern 8500 Stellen ab, wovon auch Berlin betroffen sein wird. Durch die Produktion neuer Dieselmotoren ist aber die Zukunft des Standorts gesichert. Im Spandauer BMW-Motorradwerk bleibt die Beschäftigtenzahl konstant, auch Siemens plant keine Einschnitte. „Die Siemensstadt ist unser weltweit größter Fertigungsstandort. Das soll auch so bleiben, selbst wenn es einige Schwierigkeiten gibt“, sagt Siemens-Sprecherin Ilona Thede. avi/sho

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