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Sieg oder Niederlage.

© dapd

Wirtschaft: Am Ball bleiben

Bei den Olympischen Spielen in London zeigen die Spitzensportler, was sie drauf haben. Dabei beherrschen sie weit mehr als nur ihre Disziplin. Karriereexperten erklären, was man für den Job von ihnen lernen kann.

Die Olympischen Spiele in London sind in vollem Gange. 391 deutsche Sportler sind dabei. Lange haben sie auf die Spiele hin gefiebert und jahrelang trainiert – um Höchstleistungen zu erbringen und vielleicht sogar Weltrekorde aufzustellen.

Doch die Sportler sind nicht nur Profis in ihrer Disziplin. Sie beherrschen auch etwas anderes: Sie wissen etwa genau, wie man sich auf ein Ziel fokussiert und mit Herz und Seele dafür trainiert.

Viele Berufstätige können sich von ihnen eine Scheibe abschneiden, meint Steffen Kirchner. Er spielt Tennis in der Bundesliga. Außerdem arbeitet er als Mentalcoach. Seit Anfang des Jahres betreut er die Turner-Nationalmannschaft um Fabian Hambüchen. Hauptsächlich hält er aber Vorträge vor ganz normalen Angestellten, zum Beispiel Mitarbeitern von Unternehmen wie der Deutschen Post, Siemens oder Adidas. „Wir können von Spitzensportlern für unser Berufsleben lernen, wie man sich auf ein Ziel ausrichtet und es erreicht, wie man Motivationstiefs überwindet und mit Niederlagen umgeht“, sagt er.

Doch bevor man für eine Sportart oder eben für einen Job brennen kann, gilt es erst einmal herauszufinden, welche Aufgaben zur eigenen Persönlichkeit und den eigenen Fähigkeiten passen. „Wenn man sich dann auf einen Bereich festgelegt hat, kann man stärker in die Tiefe gehen, um seine Kenntnisse in diesem Berufsfeld auf stabile Füße zu stellen“, sagt der promovierte Philosoph und Coach Christian Weilmeier. Sein Interesse am Thema Motivation kam durch den Sport zustande. Seit 18 Jahren praktiziert er die chinesische Kampfkunst Wing Chun.

Erfolg basiert für Weilmeier auf Wissen und Können – und sei zudem eine Mentalitätsfrage: „Erfolgreiche Menschen zeichnen sich durch einen langen Atem aus, überwinden Schwächen und disziplinieren sich selbst.“

Erfolg sei Kopfsache, sagt auch der Mentalcoach Kirchner. Er gibt den Sportlern, mit denen er arbeitet, einen „mentalen Werkzeugkoffer“ an die Hand, also Techniken, mit denen sie Taktiken schneller verinnerlichen können. Sie lernen, im Wettkampf den Kopf von störenden Gedanken frei zu machen und die richtige Spannung aufrecht zu erhalten, um weder zu nervös, noch zu wenig fokussiert an den Start zu gehen. „Was Menschen antreibt, ist sehr unterschiedlich“, sagt Kirchner. „Die einen möchten Bestätigung durch den Sieg. Die anderen brauchen das Gefühl, alles gegeben zu haben, und sind kreuzunglücklich, wenn sie zwar gewinnen, aber dabei nicht an ihr Limit gegangen sind.“

Wer denkt, dass erfolgreiche Athleten 365 Tage im Jahr hart trainieren, der irrt sich. „Beim Kraftsport wächst der Muskel nicht beim Training, sondern in den Regenerationsphasen“, erklärt Kirchner. Das gleiche gelte für den Beruf: Wer sich keine Auszeiten gönne, brenne aus, entwickele sich nicht mehr weiter und könne keine Leistung mehr bringen.

Persönlichkeitstrainer Jörg Löhr war lange Zeit Handball-Nationalspieler. „Es macht echte Siegertypen aus, dass sie sich nicht so leicht von Niederlagen unterkriegen lassen und dass sie versuchen, zu analysieren, was schief gegangen ist, um es beim nächsten Anlauf besser zu machen“, sagt er.

Auch für den Job sei ein produktiver Umgang mit Rückschlägen ein wichtiges Erfolgskriterium. „Analysiert man schlechte Leistungen, sind sie oft Ausgangspunkt für eine positive Entwicklung“, so Löhr. Negative Emotionen seien zwar in Ordnung, doch sollte man irgendwann akzeptieren, was passiert ist, und dann abhaken. Nur so könne man sich neue Ziele setzen.

Dass ehemalige Spitzensportler Vorträge über Motivation halten, liegt nahe. Doch auch umgekehrt treiben viele beruflich erfolgreiche Menschen Sport und ziehen daraus Energie für den Job. „Lebensenergie bedeutet Leistungsfähigkeit. Körperliche Fitness hat positive Auswirkungen auf unser Denken, unser Handeln, unsere Kreativität und auch auf unser Selbstbewusstsein“, sagt Löhr.

Erfolgreiche Menschen arbeiten außerdem meist in Teams. „Ein gutes Team besteht aus unterschiedlichen Typen und Charakteren, aus Führungsspielern, Arbeitern, Superkreativen und Analytikern. Mit Blick auf ein attraktives Ziel wächst die Truppe zusammen – und der Einzelne über sich selbst hinaus.“ Das gelte auch für Teams in der Arbeitswelt.„Wichtig ist ein gemeinsames klares Ziel vor Augen, für das sich jeder leidenschaftlich engagiert“, erklärt Persönlichkeitstrainer Löhr. Gesunde Konkurrenz untereinander belebe das Geschäft. Doch man sollte dabei nach vorher definierten Spielregeln respektvoll miteinander umgehen.

Ob Goldmedaille oder Chefposten: Was passiert, wenn das angestrebte Ziel erreicht ist? „Es ist eigentlich ganz klar, dass dann auch mal die Luft raus ist“, sagt Ex-Handballer Löhr. Das schwarze Loch kann für ein paar Tage in Ordnung sein. „Dann aber sollte man sich neu fokussieren.“ Am sinnvollsten sei es, in die Zukunft zu denken und auf dem Weg zum „Zielfoto“ klare Etappenziele zu definieren. Dann müsse man sich auch nicht immer wieder völlig neu orientieren.

Der berufliche und sportliche Erfolg sollte in ein Lebenskonzept eingebettet sein, meint Mentalcoach Kirchner. „Auch wenn man das Gegenteil vermuten könnte, kann die Gründung einer Familie plötzlich einen Kick für die sportliche oder berufliche Leistung bedeuten“, sagt er. Das Leben werde inhaltsreicher, nicht mehr nur der Sieg zähle. Die neue Gelassenheit verbessere die Leistung.

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