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Wirtschaft: Am Bremer Landgericht beginnt drei Jahre nach dem Konkurs der Prozess gegen den damaligen Vorstand

Gut drei Jahre nach dem Konkurs des Vulkan-Werftenverbunds hat jetzt die Strafjustiz das Wort: Am Landgericht Bremen beginnt am Mittwoch ein Mammutprozess gegen Ex-Konzernchef Friedrich Hennemann und seine damaligen Vorstandskollegen Johannes Schnüttgen, Günter Smidt und Rüdiger Zinken. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Untreue vor: Sie sollen insgesamt 854 Mill.

Gut drei Jahre nach dem Konkurs des Vulkan-Werftenverbunds hat jetzt die Strafjustiz das Wort: Am Landgericht Bremen beginnt am Mittwoch ein Mammutprozess gegen Ex-Konzernchef Friedrich Hennemann und seine damaligen Vorstandskollegen Johannes Schnüttgen, Günter Smidt und Rüdiger Zinken. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Untreue vor: Sie sollen insgesamt 854 Mill. DM Beihilfen der Berliner Treuhandanstalt, die für die Modernisierung ostdeutscher Vulkan-Werften gedacht waren, unwiederbringlich für notleidende Konzernfirmen im Westen zweckentfremdet haben.

Für den Prozess sind zunächst 38 Sitzungstage bis Februar 2000 terminiert. Die Anklage umfaßt 230 Seiten, die Zahl der Zeugen - darunter auch die frühere Treuhand-Chefin Birgit Breuel - dürfte in die Dutzende gehen.

Der 63-jährige Hennemann hatte einst einen international guten Ruf. Der Reedereikaufmann, Apotheker und promovierte Betriebswirt war bis 1987 Staatssekretär im Bremer Wirtschaftsressort und wurde dann vom SPD-Senat in die Vulkan-Führung entsandt. Durch immer neue Firmenzukäufe baute er einen weltweiten Konzern auf, zu dem auch viele Verlustbringer zählten. Als trotz der Subventionen alles zusammenbrach, kam Hennemann für sieben Wochen in U-Haft. Er selbst fühlt sich nach wie vor unschuldig.

Im Prozess dürfte vor allem um juristische Bewertungen gerungen werden. Die vom Vulkan übernommenen Ost-Betriebe Volkswerft Stralsund und MTW Wismar mussten ihre flüssigen Mittel laufend in das zentrale Cash-Management des Konzerns abführen, vor allem also die vorab ausgezahlten Subventionen der Treuhandanstalt für geplante Modernisierungen.

Dies allein wäre für die Staatsanwaltschaft nicht strafbar gewesen, wenn die Beihilfen bei Bedarf sofort an die Ost-Werften zurück geflossen wären. Doch in Wirklichkeit stopfte der Vorstand mit den Subventionen Löcher im Westen, ohne Absicherungen für eine Rückzahlung. Nach der Pleite musste Konkursverwalter Jobst Wellensiek feststellen: "Das Geld ist weg."

Strittig ist allerdings, ob Hennemann & Co. damit strafbare Untreue begangen haben. Denn es ist fraglich, ob sie für die verschobenen Subventionen eine "Vermögensbetreuungspflicht" gegenüber der Treuhandanstalt hatten. Außerdem müsste ihnen Vorsatz nachgewiesen werden: War den Managern klar, dass die aus dem Osten abgezogenen Gelder später nicht mehr zurückzahlbar waren?

Wie schwierig der Fall ist, lässt sich an zwei gegensätzlichen Zivilurteilen ablesen. Das Landgericht Bremen wies 1997 eine Schadenersatzklage der Treuhand-Nachfolgerin BvS gegen Ex-Vulkan-Vorständler zurück: Sie hätten keine Untreue begangen, denn der Firmenverbund habe durchaus Gelder intern transferieren dürfen, zumal die BvS dies "letztlich hingenommen" habe. Dagegen meinte kürzlich das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz, es liege doch Untreue vor. Trotzdem wies auch das OLG die Schadenersatzklage ab, da die BvS 1996 auf alle Ansprüche verzichtet habe. Das wiederum bestreitet die Behörde, die deshalb in Revision geht.

Zurück zur strafrechtlichen Seite: Neben Hennemann und Kollegen werden möglicherweise auch noch BvS-Beamte angeklagt. Die Staatsanwaltschaft prüft noch immer, wie viel die Behörde von den Transaktionen wusste und ob sie sie hätte verhindern können. Gegen die Bremer Landesregierung sehen die Ermittler dagegen keinen Grund zum Einschreiten: Der Senat habe zuletzt zwar von den Millionen-Transfers gewusst, aber keine Pflicht gehabt, dagegen vorzugehen. Die Hansestadt hatte sich immer für den Erhalt der Arbeitsplätze beim größten deutschen Schiffbaukonzern engagiert.

Ein Untersuchungsausschuss der Bremischen Bürgerschaft urteilte 1998 einstimmig, die dauernden Senatshilfen hätten beim Vulkan zu einer "Subventionsmentalität" geführt und dringend nötige Rationalisierungen gebremst. Ferner gerügt wurden die kranke Substanz des Firmenverbunds, Missmanagement des Vorstands und mangelnde Kontrolle durch Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer.

Nach turbulenten Rettungsversuchen im Herbst 1995 und der Absetzung von Hennemann musste der Konzern im Mai 1996 Konkurs anmelden. Von den zuletzt knapp 23 000 Arbeitsplätzen im In- und Ausland wurden etwa 9000 vernichtet.

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