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Wirtschaft: Angriff aus Amerika

General Electric eröffnet ein Forschungszentrum in München - direkt vor der Haustür von Siemens

München – Vor knapp zweieinhalb Jahren rief Siemens-Chef Heinrich von Pierer seinen Aktionären auf der Hauptversammlung kämpferisch den Slogan „Beat GE“ zu: „Lasst uns General Electric schlagen!“ Pierer wollte dem US-Mischkonzern vor allem in der Medizintechnik den Rang ablaufen. Bis heute ohne Erfolg: GE macht auf diesem Gebiet immer noch knapp doppelt so viel Umsatz.

Dafür bläst jetzt der Erzrivale zum Angriff. Am kommenden Montag eröffnet General Electric in Garching bei München festlich sein erstes europäisches Forschungszentrum – unweit von der Siemens-Konzernzentrale. 52 Millionen Dollar investierte GE in sein Global Research Center, in dem ab 2005 insgesamt 150 Wissenschaftler Ideen zu Alternativen Energien, Sensoren-, Kunststoff- und Medizintechnik austüfteln sollen.

Dass sich General Electric ausgerechnet in Deutschland ansiedelt, will der Konzern jedoch nicht als Provokation gegen Siemens verstanden wissen. „Wir haben lange gesucht und München hat einfach all unsere Kriterien erfüllt“, sagte der Leiter des Forschungszentrums, Armin Pfoh, dem Tagesspiegel. Der Standort verfüge über ein enges Netz an wissenschaftlichen Einrichtungen und eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Fachkräften. Die Debatten um Arbeitszeitverlängerung und zu hohe Löhne in Deutschland, die ausgerechnet Siemens-Chef von Pierer angestoßen hatte, lassen General Electric kalt. Laut Deutschland-Chef Thomas Limberger sind die Kosten für qualifiziertes Fachpersonal in Deutschland geringer als in den USA.

Siemens-Chef von Pierer nimmt die Kampfansage gelassen. „Ein Forschungszentrum mit 150 Mitarbeitern ist für Siemens keine Konkurrenz“, sagte er dieser Zeitung. Es sei eine „ganz normale Folge der Globalisierung, dass GE jetzt nach Deutschland kommt.“ Nachdem der viel gerühmte GE-Ex-Chef Jack Welch Europa nicht viel Beachtung geschenkt hat, versucht sein Nachfolger Jeff Immelt seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren, die europäischen Märkte zu erschließen. Deutschland hat er dabei zum Wachstumsziel Nummer eins erkoren. Bisher ist die amerikanische Kultmarke GE, die unter ihrem Dach ein Sammelsurium von der Herstellung von Kühlschränken und Glühbirnen bis hin zu Banken und Rundfunksendern vereint, kaum ein Begriff.

Wenn die Amerikaner Siemens in der Forschung schlagen wollen, haben sie jedoch einiges aufzuholen. Während Siemens jährlich mehr als fünf Milliarden Euro – knapp sieben Prozent des Gesamtumsatzes – für Forschung ausgibt, investiert GE mit 2,6 Milliarden Dollar nicht einmal zwei Prozent des Gesamtetats.

Trotzdem hat das Vorrücken von GE nach Deutschland Signalwirkung. Denn die Amerikaner wollen in Deutschland nicht nur forschen, sondern Siemens auch Marktanteile in konkurrierenden Sparten wie Medizin-, Licht- und Energietechnik streitig machen. Im vergangenen Jahr steigerte GE seinen Umsatz in Deutschland bereits um 34 Prozent auf knapp sechs Milliarden Euro. GE-Deutschland-Chef Thomas Limberger kündigte an, dass der Umsatz bis 2006 noch einmal um ein Drittel wachsen soll. „Siemens muss aufpassen, dass GE ihnen nicht interessante Akquisitionen vor der Nase wegschnappt", sagt Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. Konkurrenz macht GE Siemens vor allem bei Medizin- und Energietechnik. Erst im vergangenen Jahr hatte GE für rund acht Milliarden Euro das Pharmaunternehmen Amersham gekauft, das Dienstleistungen und Software im Pharmabereich anbietet. Genau da will sich auch Siemens verstärken. Die größte Gefahr drohe laut Kitz jetzt in der Turbinensparte. Falls GE anstatt Siemens beim maroden französischen Alstom-Konzern als Industriepartner zum Zug komme, sei das für Siemens „der Supergau“.

Nicole Adolph

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