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Wirtschaft: Anleger können Vorstände verklagen

Bundesgerichtshof spricht Infomatec-Aktionär Schadenersatz zu/Hoffnung auch für EM.TV-Geschädigte

Berlin - Anleger, die mit Aktien von Unternehmen am Neuen Markt Geld verloren haben, können unter Umständen die Vorstände persönlich haftbar machen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Montag in einem Grundsatzurteil entschieden, dass die Veröffentlichung falscher Ad-hoc-Mitteilungen den Tatbestand „der sittenwidrigen Schädigung“ erfüllen kann, soweit die Vorstände tatsächlich wussten, dass die Mitteilung falsch war und Anleger so zum Kauf der Papiere animiert werden sollten. Anwälte und Aktionärsschützer bezeichneten das Urteil als „Präzedenzfall“. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wie viele Anleger profitieren können.

Einem Metzgermeister war es gelungen nachzuweisen, dass er für rund 50000 Euro Infomatec-Aktien auf Grund einer falschen Ad-hoc-Meldung des Unternehmens gekauft hatte. Die Infomatec-Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele hatten im Mai 1999 einen Großauftrag über 100000 Surfstationen gemeldet. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass lediglich 14000 fest verkauft worden waren. Der Kläger konnte mit E-Mails und Anrufen nachweisen, dass er sich daraufhin bei Infomatec informiert hatte – und deshalb seine Anlageentscheidung getroffen hatte. Jetzt kann er die Rückzahlung der 50000 Euro verlangen.

„Es ist gut, dass endlich der Schadenersatzanspruch bei falschen Ad-hoc-Meldungen festgeschrieben ist“, sagte Reinhild Keitel, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Was aber bleibe, sei die Beweislast, dass der Kauf der Aktien tatsächlich auf Grund der falschen Ad-hoc-Mitteilung erfolgte. Diese liege weiterhin bei den Anlegern. „Das ist ein großes Problem“, sagte Keitel. Zwei entsprechende Klagen wurden vom BGH am Montag abgelehnt oder an die Vorinstanzen zurückverwiesen. Immerhin habe aber der BGH die Beweispflicht etwas gelockert, sagte Keitel. So werde jetzt die zeitliche Nähe zwischen Kauf und Ad-hoc-Meldung stärker als Argument akzeptiert. Der Vorsitzende Richter Volker Röhricht sagte wiederum in Karlsruhe, je marktschreierischer die Mitteilung aufgemacht gewesen sei, „desto eher spricht das neben dem Zeitfaktor für den Anleger“. Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), warnte allerdings vor zu großer Euphorie. Ein richtiges Musterurteil sei die Entscheidung vom Montag nicht. „Die Überprüfung wird auch weiterhin in jedem Einzelfall erfolgen“, sagte Kurz.

Theodor Baums, Vorsitzender der Regierungskommission „Corporate Governance“ sagte dem Handelsblatt: „Das Urteil macht ein paar Trippelschritte in die richtige Richtung. Aber ich hatte gehofft, dass der BGH einen größeren Sprung wagt.“ Die Beweislastumkehr im Sinne der Anleger sei mit geltenden Gesetzen nicht umsetzbar. „Das Urteil zeigt, dass wir eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Anleger brauchen“, sagte Baums.

Anleger, die jetzt Hoffnung geschöpft haben und sich zu einer Klage entschließen, müssen sich womöglich beeilen. Denn die Ansprüche verjähren ( siehe Kasten ). Bei Comroad oder EM.TV sei die Frist noch gewahrt, sagte Daniela Bergdolt, Rechtsanwältin und DSW-Vorsitzende in Bayern. Voraussetzung für eine zivilrechtliche Klage auf Schadenersatz gegen einen Vorstand ist außerdem ein vorher abgeschlossenes strafrechtliches Verfahren, in dem sittenwidriges Verhalten nachgewiesen wurde. Denn Hausdurchsuchungen sind bei einer Zivilklage nicht erlaubt – eine Beweisführung also unmöglich. Im Fall Metabox sei zum Beispiel vor kurzem ein Urteil erfolgt, sagte SdK-Sprecherin Keitel. „Hier liegt eine Klagevoraussetzung offensichtlich vor.“

Das Finanzministerium teilte mit, es werde das BGH-Urteil prüfen. Ein Sprecher sagte, die Regierung halte aber an dem Plan fest, bis Ende 2004 ein Gesetz zur schärferen Verfolgung von falschen Anlegerinformationen vorzulegen. Das Wertpapierhandelsgesetz wurde bereits verschäft. /HB

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