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Orientierungshilfe. Der Finanzminister verspricht mehr Transparenz für Anleger. Foto: dpa

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Wirtschaft: Anlegerschutz 2.0

Der Gesetzgeber zieht Lehren aus der Krise und verschärft im kommenden Jahr die Regularien

Was in nüchternem Amtsdeutsch „Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz“ heißt, soll nach dem Willen der Bundesregierung vom kommendem Frühjahr an für die Anleger alles zum Besseren wenden. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen hat das Finanzministerium in dieses Gesetz gepackt: Neu geregelt werden sollen offene Immobilienfonds ebenso wie die Beratung in den Banken oder die Information der Verbraucher über Finanzprodukte. Zusätzlich hat die Regierung noch Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen deutscher Unternehmen in ihr Paket gelegt.

Doch bereits nach der ersten Runde der parlamentarischen Prüfung – einer Anhörung von Banken, Juristen, Fondsgesellschaften und Verbraucherschützern vor dem Finanzausschuss des Bundestages – war klar: Änderungen am aktuellen Gesetzesvorschlag sind nötig. Das Anlegerschutzgesetz sei ein „Stückwerk ohne Konzept“ und ohne Biss, die einzelnen Regelungen seien nicht schlüssig aufeinander abgestimmt, kritisiert etwa der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen. Der Bankenverband sieht ein „bürokratisches Monster“ auf die Branche zueilen und der Branchenverband der Fondsindustrie BVI hält einzelne Regelungen für die offenen Immobilienfonds gar für verfassungsrechtlich bedenklich.

Nach gegenwärtigen Planungen soll das Gesetz Ende Januar vom Parlament abgesegnet werden und im Frühjahr in Kraft treten.

BERATUNG

Die Banken sollen künftig Daten über alle rund 300 000 Anlageberater in ein zentrales Register bei der Finanzaufsichtsbehörde Bafin einspeisen, müssen dabei jeden Filialwechsel anzeigen und nachweisen, dass der Mitarbeiter „sachkundig ist und über die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit“ verfügt. Jede Beschwerde gegen einen Mitarbeiter muss der Bafin mitgeteilt werden, die dann Strafen von der Ermahnung bis zu einem zweijährigen Berufsverbot aussprechen kann. Zudem sind hohe Geldbußen vorgesehen, wenn die Banken gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen. Während die Politik mit dem Gesetz künftig Anleger vor falscher Beratung wie im Fall der Lehman-Zertifikate schützen möchte, lehnen die Banken das zentrale Register ab, warnen vor Bürokratiekosten und plädieren für eine „Negativdatei“, in der nur Beschwerdefälle aufgelistet sein sollen. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert, dass die Bafin ein Berufsverbot bei Falschberatung aussprechen kann. Damit würden die Berater zu Sündenböcken, obwohl sie nur die Vorgaben ihres Arbeitgebers erfüllten, so die Gewerkschaft. Unter Beschuss von Banken und Verbraucherschützern steht jedoch vor allem die Tatsache, dass freie Finanzvermittler, also der sogenannte graue Kapitalmarkt, von der Neuregelung ausgeschlossen sind. Die freien Anlageberater seien auf Druck des Wirtschaftsministeriums wieder aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf herausgenommen worden und sollen auch künftig nicht der Bafin, sondern nur der „völlig überforderten“ Gewerbeaufsicht unterstellt bleiben, kritisiert Finanzexpertin Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg.

OFFENE IMMOBILIENFONDS

Die gut 80 Milliarden Euro schweren offenen Immobilienfonds sind ins Schlittern geraten, weil größere institutionelle Anleger in der Finanzkrise plötzlich riesige Anteilspakete verkaufen wollten, die Fonds jedoch einerseits nicht ausreichend Liquidität hielten, andererseits auch ihre Immobilien nicht schnell unter Wert verkaufen wollten, um die Rücknahme der Anteile bedienen zu können. Einige Fonds sind deshalb für zwei Jahre auf Eis gelegt, Rückgaben sind in dieser Zeit nicht möglich. Mehrere Fonds mussten sogar aufgeben und wurden liquidiert. Das Gesetz versucht den Spagat zwischen täglich verfügbarem Investment und der Langfristigkeit einer Immobilie: Kleinanleger sollen pro Monat maximal Anteile im Wert von 5000 Euro zurückgeben können, ansonsten jedoch an eine zweijährige Mindesthaltefrist gebunden sein. Will der Anleger höhere Summen verkaufen, muss er im dritten Haltejahr eine Strafgebühr von zehn Prozent, im vierten von fünf Prozent bezahlen.

Dies sei „nicht zukunftsweisend“, mahnt Stefan Seip, Hauptgeschäftsführer des BVI. Denn weiter könnten institutionelle Investoren nach der Haltefrist plötzlich große Summen zurückgeben und so die Fonds ins Schlingern bringen. Verfassungsrechtlich bedenklich sei nicht nur, dass das Gesetz auch für Altanleger gelten soll, die die Fonds unter anderen Bedingungen gekauft hätten, sondern auch die zehnprozentige Rücknahmegebühr, die einer „Enteignung der Anleger“ entspreche. Seip: „Das Gesetz schießt über das Ziel hinaus.“ Alternativ schlägt der BVI getrennte Immobilienfonds für private und professionelle Anleger vor.

PRODUKTINFORMATION

Um Anlegern einen schnellen Überblick über Anlage-Grundsätze, Risiko, Kosten oder Ertragsaussichten eines Fonds, eines Zertifikats oder eines Versicherungsprodukts zu verschaffen, verpflichtet der Gesetzentwurf die Finanzinstitute zu sogenannten Produktinformationsblättern. Diese „Beipackzettel“ sollen kurz und verständlich Kernfakten zu einem Finanzprodukt zusammenfassen und so für Transparenz, Vergleichbarkeit und Risikoaufklärung sorgen. Auch die Höhe der an den Berater gezahlten Provisionen muss aufgelistet werden. Verbraucherschützer bemängeln jedoch, dass die Info-Zettel nicht standardisiert sind und nur nach dem Beratungsgespräch ausgehändigt werden müssen. So werden beispielsweise Fonds im Versicherungsmantel einen anderen Beipackzettel liefern als normale Aktien- oder Rentenfonds. Denn die Fondsbranche wird nach einer Richtlinie der EU das standardisierte „Key Investment Document“ oder KID einführen. Dies führe dazu, dass zu ähnlichen Zwecken eingesetzte Produkte für den Anleger doch nicht vergleichbar seien, mahnt der BVI.

Veronika Csizi

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