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Wirtschaft: AOL hat nichts gelernt

Die Unternehmen beklagen sich unaufhörlich über eine Explosion der Rechtsstreitigkeiten - und zwar mit Recht. Nicht erwähnt wird die Tatsache, dass die Unternehmen selbst viele Prozesse anleiern, um unliebsame Konkurrenten zu sabotieren.

Die Unternehmen beklagen sich unaufhörlich über eine Explosion der Rechtsstreitigkeiten - und zwar mit Recht. Nicht erwähnt wird die Tatsache, dass die Unternehmen selbst viele Prozesse anleiern, um unliebsame Konkurrenten zu sabotieren.

So stand in der vorletzten Woche der seit langem drohende Prozeß von AOL Time Warner gegen Microsoft an. Es war eine Neuauflage des Browser-Streits aus den 90er-Jahren. Der Verlierer, Netscape, wurde später von AOL übernommen. Microsofts Sünde besteht darin, einen besseren Browser als Netscape hergestellt und diesen kostenlos abgegeben zu haben. Nicht einmal das Justizministerium konnte sich mit der Behauptung durchsetzen, Microsoft habe bei den Browsern ein Monopol.

AOL wird vor Gericht vortragen müssen, dass Microsoft sich vom Browser-Markt hätte fernhalten müssen, um Netscape die Möglichkeit zu geben, den Verbrauchern ungehindert ein minderwertiges Produkt verkaufen zu können. Jemand wird auch darauf hinweisen müssen, dass Netscapes größtes Problem derzeit nicht Microsoft, sondern das Management von AOL ist. AOL hätte bei Millionen von Abonnenten für den Browser von Netscape werben können, hat sich aber dafür entschieden, das Unternehmen verkümmern zu lassen.

AOL-Chef Steve Case hat bereits vor einigen Jahren klar gemacht, dass er, wenn es um den Vorteil seines Unternehmens geht, mehr auf Washington als auf den Markt setzt. Er war es Wortführer für einen "freien Kabelzugang" - bis er selbst ein Kabel-Mogul wurde, als er sich Time Warner schnappte. Dann änderte sich sein Verhalten schlagartig. Zunächst rührte er im Prozeß gegen Microsoft die Trommel für die Justiz und stieß sie dann vor den Kopf, als er zehn Milliarden Dollar hinblätterte, um Netscape, das vermeintliche Opfer, mitten im Verfahren zu kaufen.

Der Prozess gegen Microsoft kommt gerade zu einer Zeit, als es aussah, als würde die Technologie-Industrie endlich aufhören, sich gegenseitig zu zerfleischen. Er ist ein Schritt zurück in die schlechte alte Zeit der Wadenbeißerei, die viel dazu beigetragen hat, dass die Investoren das Vertrauen verloren haben. Scheinbar ist die Lektion immer noch nicht gelernt.

Aus dem \"Wall Street Journal\" übersetzt, g

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