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Wirtschaft: Arbeitsmarkt: Schröders Ziel rückt in weite Ferne

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die rot-grüne Koalition steuern vor der Bundestagswahl 2002 auf raue Zeiten zu. Noch lässt sich Schröder zwar nicht erkennbar davon verunsichern, dass die Wirtschaftsforscher seine Zielmarke von 3,5 Millionen Arbeitslosen im Wahljahr inzwischen für deutlich zu optimistisch halten.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die rot-grüne Koalition steuern vor der Bundestagswahl 2002 auf raue Zeiten zu. Noch lässt sich Schröder zwar nicht erkennbar davon verunsichern, dass die Wirtschaftsforscher seine Zielmarke von 3,5 Millionen Arbeitslosen im Wahljahr inzwischen für deutlich zu optimistisch halten. Doch die scheinbar akademische Debatte um Arbeitsmarktzahlen wird zunehmend durch konkrete Nachrichten über Personalabbau gestützt.

Der Siemens-Konzern reagiert auf die Flaute in der Handy-Sparte sowie im Netzwerk-Bereich und will insgesamt 6100 Stellen streichen. Die Karstadt-Quelle AG baut in diesem Jahr im Warenhausbereich 4700 Stellen ab. Bei der Bosch Siemens Hausgeräte GmbH sollen bis 2003 mehr als ein Fünftel von 2900 Arbeitsplätzen wegfallen. Schließlich überraschte die BASF AG mit Geschäftserwartungen, die für die ganze Chemiebranche nichts Gutes erahnen lassen. Die Konsequenz bei BASF: Werksschließungen und Personalabbau in noch nicht näher beziffertem Umfang. Nach den Worten von BASF-Finanzchef Max Dietrich Kley hat der Konzern nicht nur die eigenen Geschäftsprognosen, sondern auch die Wachstumsschätzungen für die gesamte Chemiekonjunktur in Europa und den USA für das laufende Jahr nach unten korrigiert. "Wir sind in Westeuropa bisher von drei Prozent Wachstum der Chemie-Industrie ausgegangen. Das nehmen wir auf etwa 2,5 Prozent zurück," sagte Kley dem Magazin "Euro am Sonntag". Für das Gesamtjahr rechnet Kley nach eigenen Worten in den USA nunmehr mit einer negativen Wachstumsrate der Chemiekonjunktur von etwa einem Prozent. Zuvor habe BASF noch ein Plus der Chemiekonjunktur von 1,5 Prozent unterstellt. Gegenwärtig sei BASF daher mit seinen Vorhersagen skeptischer. "Wir rechnen in der Chemie außerdem mit einem Sommerloch", sagte Kley.

Die New Economy wird bescheiden

Auch bei den jungen New-Economy-Firmen macht sich das Ende der Boomphase immer deutlicher für die Beschäftigten bemerkbar. Die Kölner Telesens AG, Anbieter von Abrechnungssoftware, kündigte vergangene Woche eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl um 360 auf 1100 an. Die Pixelpark AG will bis zu 15 Prozent der Jobs streichen; die Kabel New Media AG streicht ebenfalls Stellen. "Seit Jahresbeginn beschränkt sich das Thema Personalabbau in der Branche nicht mehr auf Einzelfälle", bestätigt Wille Bartz, Projektleiter bei Connex.av, einem New-Economy-Projekt der Gewerkschaft Verdi. Die Nachfrage nach gewerkschaftlicher Beratung in arbeitsrechtlichen Fragen sei "exponentiell gestiegen". Der Branchenverband Bitkom rechnet zwar auch 2001 noch mit einem Beschäftigungszuwachs - mit zwei Prozent sind die Erwartungen jedoch bescheiden.

Jobabbau in großem Stil steht weiter in der Baubranche an: In den Betrieben des Hoch- und Tiefbaus waren Ende April 942 000 Menschen beschäftigt, 121 000 oder weniger als vor einem Jahr. Und angesichts des für 2001 erwarteten "dramatischen Einbruchs der Bautätigkeit" rechnet Ignatz Walter, Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, mit dem Verlust weiterer 50 000 bis 60 000 Stellen. Kaum besser das Bild in der anderen Sorgenbranche, dem Einzelhandel. "Ein Personalaufbau, wie er gerade in den erlebnisorientierten Häusern dringend nötig wäre, ist derzeit einfach nicht bezahlbar", urteilt Johann Hellwege, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BAG. Und Robert Weitz, Konjunkturexperte beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels kalkuliert: Ein branchenweiter Umsatzrückgang von einem Prozent, wie nun zu befürchten, gehe erfahrungsgemäß einem Abbau von bis zu 30 000 Stellen einher.

In der Metall- und Elektroindustrie ist zwar noch nicht von einer Umkehr des bisher positiven Beschäftigungstrends die Rede - die Arbeitgeber erwarten einen gebremsten Zuwachs. Doch für das tarifpolitische Klima im Wahljahr ist die Ausgangslage auch in der traditionellen Leitbranche schwierig - die Gewerkschaften fordern Belege für den Erfolg einer moderaten Lohnpolitik wie im Jahr 2000. "Der Abbau der Arbeitslosigkeit geht nur im Schneckentempo voran", diagnostiziert IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Dass im vergangenen Jahr in der Branche 70 000 Arbeitsplätze entstanden, sei "viel zu wenig".

dc, huh

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