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Arcandor: Neuer Chef bringt neue Nüchternheit

Es ist 10.33 Uhr im Düsseldorfer Kongresszentrum, als Karl-Gerhard Eick erstmals als Nummer eins vor seine Aktionäre tritt. Neun Jahre lang musste er als Finanzchef der Telekom wechselnden Chefs den Vortritt lassen. Jetzt ist er selbst der Chef.

Beim Handels- und Touristikkonzern Arcandor führt Eick seit Anfang des Monats die Geschäfte. Vorgänger Thomas Middelhoff hatte seinen Vertrag vorzeitig gelöst. Eigentlich kommt die Hauptversammlung zu früh für Eick, wie er zu Beginn sagt. Aber er will sich nicht beschweren. Zu ernst ist die Lage des Konzerns. Zu verärgert sind die zahlreich erschienenen Aktionäre über die Entwicklung der vergangenen Monate. Das Geschäftsjahr 2007/2008 beendete Arcandor mit einem Minus von 746 Millionen Euro, die Schulden belaufen sich auf knapp eine Milliarde Euro.

Dass Eick den Konzern in dieser Situation übernimmt, passt zu dem gebürtigen Schwaben. Er gilt als sachlicher Sanierer mit viel Renommee in der Finanzwelt. Nach dem wenig erfolgreichen Visionär Middelhoff ist dieses Image bei Arcandor nun gefragt. Eick bedient es in seiner rund einstündigen Rede gekonnt: keine ausladenden Gesten, keine blumigen Versprechen. Nicht einmal ein Ausblick für das laufende Geschäftsjahr. Eick verspricht Kärrnerarbeit. „Ich verstehe ein Unternehmen in erster Linie über die Zahlen. Sie sind eindeutig, messbar und sprechen eine klare Sprache.“

Auch die Aktionäre verstehen die klare Sprache der Arcandor-Zahlen – und sparen deshalb nicht mit Kritik. Ihren Ärger bekommt der aktuelle Vorstand auf dem Podium zu spüren, dabei richtet er sich vor allem an einen, der nicht anwesend ist, aber dennoch sehr präsent: Eicks Vorgänger Middelhoff. Der ehemalige Bertelsmann-Chef leitete von 2005 bis zum Februar 2009 die Geschicke von Arcandor. Über einen Geschäftsbericht aus seiner Ägide wurde am Mittwoch abgestimmt, Middelhoff zog es allerdings vor, nicht nach Düsseldorf zu kommen. „Das ist wirklich feige. Ich bin sehr enttäuscht“, kommentiert ein anwesender Rentner das Fernbleiben des ehemaligen Chefs. Besonders die Versprechen der Vergangenheit erzürnen die Aktionäre. Vor zwei Jahren hatte Middelhoff einen Aktienkurs von 40 Euro plus x prophezeit, am Mittwoch lag die Aktie bei 1,39 Euro. Auch die angekündigte Dividende wurde gestrichen. Auf eine Erfolgsprämie musste Middelhoff dennoch nicht verzichten. Wie am Mittwoch bekannt wurde, erhielt er zu seinem letzten Gehalt von 1,2 Millionen Euro einen Bonus von knapp 2,3 Millionen.

Während der Groll im Saal wächst, behält der neue Chef die Ruhe. Fragen beantwortet er betont sachlich, immer wieder verweist er auf die kurze Zeit zum Einarbeiten. Doch auch Eick hatte zuvor klare Worte an seinen Vorgänger gerichtet: „Ein Weiter so kann es nicht geben. Wir müssen die Dinge rasch und nachhaltig verändern.“

Ändern heißt in den drei Geschäftsbereichen von Arcandor vor allem konsolidieren. Bei den Karstadt-Warenhäusern, zu denen auch das KaDeWe gehört, laufen die Kosten aus dem Ruder, die Versandhandelssparte Primondo muss restrukturiert werden und auch die Aussichten für die Reisebranche und damit die Tochter Thomas Cook sind alles andere als rosig. Eick muss zunächst die Liquidität des Konzern sichern. Im Februar konnten die ersten Kredite bei den Banken verlängert werden. Die nächsten Verhandlungen stehen im Juni an.

Angesichts solch düsterer Aussichten, stellt sich die Frage nach Eicks Motiven für den Wechsel an die Spitze des Konzerns. Er hätte es einfacher haben können. Die Telekom gilt als saniert. Eick selbst bezeichnete seinen ehemaligen Arbeitgeber unbescheiden als eines der solidesten Unternehmen Europas. Er wolle die Herausforderung suchen und er sehe die Potenziale von Arcandor, erklärte Eick seinen Schritt mit dünnen Worten.

Die Aktionäre fanden eine andere Begründung: „Eick wollte endlich einmal die Nummer Eins sein. Koste es, was es wolle“, sagte einer. 

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