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Wirtschaft: Aufbau Ost: In den neuen Bundesländern fehlen Facharbeiter

Beim wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern sollte der Staat sich auf die Qualifizierung von Arbeitskräften konzentrieren, um ausländische Investoren anzuziehen. Diese Meinung vertrat Hans Christoph von Rohr, Geschäftsführer des bundeseigenen Industrial Investment Council (IIC), der Unternehmen aus dem Ausland nach Ostdeutschland locken soll, am Dienstag in Berlin.

Beim wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern sollte der Staat sich auf die Qualifizierung von Arbeitskräften konzentrieren, um ausländische Investoren anzuziehen. Diese Meinung vertrat Hans Christoph von Rohr, Geschäftsführer des bundeseigenen Industrial Investment Council (IIC), der Unternehmen aus dem Ausland nach Ostdeutschland locken soll, am Dienstag in Berlin. In der Computer-Branche etwa mangele es vielerorts an Fachkräften. Personal gehöre aber zu den wichtigsten Standortfaktoren; Subventionen, Steuern oder die Infrastruktur rangierten an zweiter Stelle. Die Zunahme rechtsextremistischer Straftaten habe bei Verhandlungen mit Investoren bislang keine Rolle gespielt, versicherte von Rohr. Es gelte aber, wachsam gegenüber rechten Tendenzen zu bleiben. Bislang hat das IIC eigenen Angaben zufolge 48 Betriebe für die neuen Länder begeistern können. Die so geflossenen vier Milliarden Mark Investitionssumme hätten 9500 Jobs geschaffen, außerdem weitere bei Zulieferern. Von Rohr forderte, die Investitionszulagen für Firmen beizubehalten, die zwischen Ostsee und Erzgebirge eine Produktion aufbauen wollen. "Eine Streichung wäre fatal und würde deren Eigenkapitalbasis schmälern", sagte er.

Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) ist anderer Meinung. "Bei der Investitionsförderung werden oft Steuergelder verschwendet. Denn das Geld fließt sowohl an sehr gesunde wie auch an fast bankrotte Unternehmen", sagte Joachim Ragnitz, Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel, dem Tagesspiegel. Außerdem müsse die Strukturförderung stärker nach Regionen oder Branchen unterscheiden; eine pauschale Bevorzugung des Ostens gegenüber dem Westen sei falsch. Regionen wie Dresden oder Leipzig gehe es bereits besser als einigen westdeutschen Gebieten. Einen Rückstand habe der Osten - neben dem Mangel an Facharbeitern und Experten für Zukunftsbranchen - zudem noch immer in puncto Infrastruktur.

Im Wettbewerb der Regionen in der Europäischen Union (EU) schneidet Ostdeutschland nach einer Analyse des ostdeutschen Bankenverbandes zehn Jahre nach der Wende gleichwohl nicht schlecht ab. Nicht zuletzt dank der Fördermaßnahmen aus Brüssel befinden sich die neuen Länder auf dem Weg vom unteren Ende der wirtschaftlichen Skala ins Mittelfeld. Der Blick auf den Entwicklungsstand der EU-Regionen dürfe nicht zu dem Fehlschluss verleiten, Ostdeutschland zähle zu den Armenhäusern des Kontinents, so der Verband in einem Bericht. Anders als viele strukturell benachteiligte Randgebiete Europas verfüge der Osten über eine Reihe von Standortvorteilen, die bisher nicht voll zu Geltung kamen, etwa die zentrale Lage in Europa.

Im Vergleich zu den drei wichtigsten EU-Beitrittskandidaten Polen, Tschechien und Ungarn, die sich ungefähr zeitgleich mit Ostdeutschland auf den Weg der Transformation gemacht haben, liegen die neuen Länder vorn. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt verzeichnet Tschechien rund 79 Prozent, Ungarn 62 Prozent und Polen knapp 47 Prozent des ostdeutschen Entwicklungsstandes. Darüber, wie sich die EU-Osterweiterung auf Ostdeutschland auswirken wird, gehen die Vorstellungen der Ökonomen aber auseinander. Als Voraussetzung dafür, dass die Erweiterung auch für die neuen Länder zum Gewinn wird, empfiehlt etwa der Bankenverband eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Firmen, Behörden und Bildungseinrichtungen in Grenzregionen. Außerdem sollten gemeinsame Regionalentwicklungskonzepte erarbeitet werden.

Als gute Voraussetzung für die Zeit nach der EU-Erweiterung wertet Karl-Heinz Paqué von der Otto-Guericke-Uni in Magdeburg in einer Bilanz zum Aufbau Ost die Tatsache, dass "der Osten im Vergleich zum Westen die anpassungsbereitere und flexiblere Region ist", schreibt Paqué. Dies gelte vor allem für den Arbeitsmarkt. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Arbeitszeit höher als im Westen, und es gibt faktisch keine flächendeckenden Tarifverträge mehr. Deutlich skeptischer ist der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Er mahnt Strukturreformen an, fordert eine Überprüfung der Transferszahlungen und die Möglichkeit flexibler Niedriglöhne. Dies würde Ostdeutschland auf die Zeit nach der EU-Erweiterung gut vorbereiten.

brö, mo

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