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Wirtschaft: Aufsichtsräte gesucht

Früher waren gute Kontakte wichtiger als Know-how. Doch die Ära der Gelegenheitskontrolleure geht zu Ende

Bei SAP verschärft sich gerade ein Personalproblem, das viele börsennotierte Unternehmen plagt: Nicht nur, dass 2012 die Amtszeit aller Aufsichtsräte des Softwarekonzerns abläuft und der eine oder andere Kontrolleur dann etwa aus Altersgründen ersetzt werden muss. Darüber hinaus hat sich gerade auch noch SAP-Aufseher Willi Burbach selbst aus dem Gremium katapultiert: Seine Indiskretion über die Heimflüge der Ex-Personalvorständin Angelika Dammann mit dem Firmenjet kosten ihn sein Mandat.

Erfahrene und gut ausgebildete Kontrolleure zu finden, stellt für viele Konzerne inzwischen eine echte Herausforderung dar. Zumal inzwischen fast alle börsennotierten Unternehmen ganz gezielt nach erfahrenen Management-Profis von Format suchen und sich so gegenseitig Konkurrenz machen. Die neue Gesetzgebung zur Qualifikation und Haftung von Aufsichtsräten verschärft zudem den Wettbewerb um die besten Köpfe.

„Vorstandskontrolleure müssen heute viel versierter sein als früher“, sagt etwa Hans W. Reich. Der Ex-Vorstand der KfW und langjährige Aufsichtsratschef bei der Aareal Bank spricht indirekt aus, was aktive Vorstände oft nur hinter vorgehaltener Hand zugeben: „Das Zuschieben von Aufsichtsratsposten war früher üblich.“

Gute Kontakte sind wichtiger als das Know-how. Nach diesem Prinzip wurden in vielen Konzernen die Posten über Jahre vergeben. Und angesichts dieser Besetzungspraxis verwundert es nicht, dass bei einer Vorstandsbefragung durch die renommierte Wirtschaftshochschule WHU im Auftrag der Personalberatung Boyden International die Hälfte von 92 Vorständen meint, dass höchstens 60 Prozent der deutschen Aufsichtsräte die nötige Kompetenz für ihr Amt mitbringen. Fast drei Viertel der befragten Spitzenmanager sind außerdem der Meinung, Aufsichtsräten fehle die nötige fachliche Eignung zur Leitung von Unternehmen. Tatsächlich hat nur jeder dritte deutsche Aufsichtsrat selbst schon als Geschäftsführer oder Vorstand gearbeitet.

Doch die Ära der Gelegenheitskontrolleure geht zu Ende. Jedes Jahr stehen turnusgemäß etwa 20 Prozent der Aufsichtsratsmandate zur Neubestellung an. Experten wie Rolf Stokburger, Partner bei Boyden, rechnet damit, dass vor allem in vielen M- und SDax-Unternehmen etliche neue Mandatsträger gefunden werden müssen, auch weil vielen amtierenden Aufsehern die gestiegenen Haftungsrisiken zu groß geworden sind und sie auf ihre erneute Bestellung verzichten.

Chefaufseher Reich sagt es so: „Aufsichtsratssitzungen, die Kaffeekränzchen ähneln, kann sich heute niemand mehr leisten.“ Die Anforderungen an die einzelnen Profile der Aufseher steigen. „Auch der Aufsichtsratsvorsitzende ist keineswegs mehr sakrosankt“, sagt Christine Stimpel, Deutschland-Geschäftsführerin der Personalberatung Heidrick & Struggles.

Tatsächlich schreibt das Bilanzrechtmodernisierungsgesetz (BilMoG) vor, dass bei kapitalnahen Unternehmen nun ein ausgewiesener Finanzmarktexperte im Aufsichtsrat vertreten sein muss.

Immerhin: Mit den wachsenden Anforderungen steigt auch die Vergütung: 2010 ist die Vergütung der Aufseher von Dax-Konzernen im Schnitt um rund 20 Prozent gegenüber den letzten Jahren vor der großen Finanzkrise angestiegen. Das durchschnittliche Jahressalär eines Dax-Aufsichtsratschefs lag im vergangenen Jahr bei rund 260 000 Euro.

Personalberaterin Stimpel meint: „Aus einer höheren Vergütung könnte ein deutlich stärkerer Anreiz für jüngere Kandidaten entstehen, die ihre operative Tätigkeit zugunsten einer Karriere als Vollzeit-Aufsichtsrat aufgeben könnten.“ (HB)

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