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Wirtschaft: Ausbildungsziel Ehrlichkeit

Die europäischen Wirtschaftsschulen setzen auf ethisches Verhalten in den Unternehmen – und das nicht erst seit Enron

Von Tom Mudd

Das Fach Buchführung habe seine Studenten eigentlich nie so richtig interessiert, gesteht Stewart Hamilton ohne Umschweife. Doch nach den Skandalen um Enron und Worldcom scheint alles anders. „Seit dreißig Jahren unterrichte ich Buchhaltung und Rechnungswesen“, sagt Hamilton, Professor am IMD, dem International Institute for Management and Development im schweizerischen Lausanne.

„Es kam recht selten vor, dass das Fach einen besonderen Reiz versprühte.“ Das IMD und andere führende Wirtschaftsschulen machen derzeit die gleichen Erfahrungen: Obwohl sich durch die Zusammenbrüche von Enron und Worldcom an den Lehrplänen nichts geändert hat, hören die Studenten auf einmal interessierter zu. „Wenn man sieht, wie ein Finanzvorstand in Handschellen abgeführt wird, regt das vielleicht die Konzentration an“, sagt Wirtschaftslehrer Hamilton. Seine Schule hat auch neue Seminare ins Programm genommen, die den Studenten die Bedeutung von Geschäftsethik vor Augen führen sollen: „Bedeutung und Folgen des Enron-Skandals“ heißt eines der Fächer. Und im Studienprogramm für Führungskräfte findet sich das Seminar „Enron, die Nachwirkungen“.

Anstrengungen wie an der IMD werden an vielen europäischen Wirtschaftsschulen unternommen. Doch ihre Direktoren werden nicht müde zu betonen, dass man damit keinesfalls nur einem Trend folge. Vielmehr hätten die Einrichtungen schon immer die Bedeutung eines ethischen Wirtschaftssystems unterstrichen. So zum Beispiel Barcelonas IESE. Seit seiner Gründung 1958 habe das Institut Kurse in Wirtschaftsethik angeboten, sagt sein Dekan Jordi Canals. Heute seien die Seminare Pflichtprogramm in MBA-Kursen und Doktorandenstudiengängen. Die IESE etablierte sogar einen Lehrstuhl für Wirtschaftsethik, von dem aus eine Reihe von Forschungsprojekten koordiniert wird. Und weil die Schuldirektoren glaubten, dem Thema werde nicht genug Aufmerksamkeit zu Teil, war das Institut 1998 Gastgeber einer internationalen Konferenz zur Wirtschaftsethik. „Wir haben bereits vor vier Jahren erkannt, dass das Thema Corporate Governance in die Luft fliegen könnte. Deshalb veranstalteten wir diese Konferenz“, sagt Canals.

Schulen wie die IESE wollen ihren Studenten vermitteln, dass „eine Firma vor allem eine Gemeinschaft von Menschen ist“, sagt Canals. Der größte Mangel bei westlichen Firmen sei, dass sie zu stark auf Gewinn fixiert sind. „Wenn man nur einseitig die wirtschaftliche Komponente betont, bekommt man ein verzerrtes Bild von dem, was eigentlich vorgeht.“

Als eine der neueren Einrichtungen hat sich die Said Business School an der Universität Oxford das Thema seit ihrer Gründung vor sechs Jahren auf die Fahnen geschrieben, sagt Dekan Anthony Hopwood. Er hofft, dass die Schule bald die Forschung auf den Gebieten Corporate Governance und Wirtschaftsethik anführen wird. „Wir wollen diesen Bereich mit aller Kraft aufbauen“, sagt Hopwood. „Doch Fachleute auf dem Gebiet sind rar.“ Abhilfe für den Expertenmangel ist bereits in Sicht. Im Juli dieses Jahres haben einige der großen europäischen Wirtschaftsschulen und Großunternehmen ihre Kräfte gebündelt: Die Europäische Akademie für Wirtschaft in der Gesellschaft nennt sich das gemeinsame Projekt, das auf dem Campus der französischen Insead in Fontainebleau beheimatet ist. Ziel der Akademie ist die Ausbildung zukünftiger Manager und die fachübergreifende Forschung im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen.

Größter Trumpf in der Hand der Schule ist, dass sie eine Brücke von den Konferenzräumen der Unternehmensführungen zur akademischen Forschung schlagen kann, sagt Lance Moir, Lehrer an der englischen Cranfield School of Management. „Es ist wichtig, dass die Debatte von der Unternehmensseite angestoßen wird“, sagt Moir. Unter den an der Akademie beteiligten Unternehmen – darunter BT Group, Novo Nordisk AS und IBM – bestehe Einigkeit, dass die Ideen Teil der Unternehmensstrategie werden müssen, so der Wirtschaftsdozent.

Der Zeitpunkt der Gründung scheint passend gewählt. Doch Xavier Mendoza, Dekan der spanischen Wirtschaftsschule ESADE meint, dass wir in den kommenden Monaten noch des öfteren mit dem Thema Wirtschaftsethik konfrontiert werden. „Wir glauben, dass Enron, Worldcom und Tyco erst die Spitze des Eisbergs waren.“ So wie Xavier Mendoza sich mit vielen Fachleuten einig ist, dass Ethik und soziale Verantwortung Bestandteile der Unternehmensführung werden müssen, glaubt er, dass gerade die Wirtschaftsschulen den Weg hierzu bereiten können. Für die Unternehmen müsse es eine „dreifache Messlatte“ geben, bei der die Umweltbilanz und die soziale Komponente genauso wichtig sind wie der rein wirtschaftliche Erfolg, sagt Mendoza.

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Ultraschall), Tina Specht (Ethik), Christian Frobenius (Schröder, Schule in den USA).

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