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Autobau: "Der Elektroantrieb ist die Zukunft des Autos"

Der Autoentwickler Christian Wenger-Rosenau über effiziente und umweltschonende Pkw und die Trägheit der Industrie.

Herr Wenger-Rosenau, steht in Ihrer Garage das Auto der Zukunft?

Ja, ich glaube, dass Jetcar das Zukunftsauto baut – in Handarbeit, in kleiner Stückzahl, klimafreundlich …

… und teuer. Ein Jetcar kostet 50 000 Euro.

Handarbeit hat ihren Preis. Dafür bauen wir das Fahrzeug nach den individuellen Wünschen des Kunden, und wir haben immer die fortschrittlichste Technik an Bord. Wir sind gerade dabei, den Antrieb auf Elektromotoren umzurüsten. Wir werden Anfang 2009 ein fahrbereites Elektroauto präsentieren.

Wie viele Jetcars mit Verbrennungsmotor haben Sie bis heute verkauft?

Wir planen eine limitierte Serie von 100 Autos, die wir nach und nach bauen, wenn die entsprechenden Bestellungen vorliegen.

Wer kauft so ein Auto?

Leute mit Umweltbewusstsein, Technikfreaks oder Unternehmen, die das Auto für Werbezwecke nutzen.

Seit 100 Jahren beschäftigt sich die Autoindustrie mit der Verbesserung des Verbrennungsmotors. Seit die Klimadebatte geführt wird und der Ölpreis explodiert, sprechen alle von Elektromotoren. Steht uns eine industrielle Revolution bevor?

Ja, man kann es eine Revolution nennen. Elektroautos gab es schon vor 100 Jahren. Sie waren sogar schneller und besser als die ersten Autos mit Verbrennungsmotor. Aber die Ottomotoren haben sich durchgesetzt, weil der Treibstoff günstig war. Nun sind die modernen Elektroantriebe da – und sie werden die Zukunft der Autoindustrie bestimmen. Kein Antrieb ist so effizient und umweltschonend. Ein Elektroauto setzt 75 bis 80 Prozent der Energie in Fahrleistung um, ein Benziner oder Diesel maximal 30 Prozent. Bis Elektroautos wettbewerbsfähig sind, vergehen aber noch Jahre.

Warum?

Reine Elektrofahrzeuge sind heute noch Kleinwagen für kurze Strecken, für die Stadt, für die Fahrt zur Arbeit. Ihre Energie reicht für 50 bis 100 Kilometer. Leistungsfähige Lithium-Ionen-Batterien, die in Autos auch für größere Reichweiten eingesetzt werden können, kommen gerade erst aus der Entwicklungsphase. Sie sind noch so teuer, dass sie nicht wirtschaftlich eingesetzt werden können.

Also sind die Ankündigungen von VW, General Motors oder Daimler, in zwei oder drei Jahren mit Elektroautos auf dem Markt zu sein, reines Marketing?

Das ist nicht glaubwürdig. Es gibt bei den Konzernen momentan einen Elektrohype. Jeder will der Modernste sein und der Erste, der ein Elektroauto auf den Markt bringt. Ob dieses erste Auto dann auch marktfähig ist, spielt keine Rolle. Eigentlich wollen die Autohersteller weiter ihre großen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen, weil sie damit das meiste Geld verdienen.

Können Nischenanbieter wie Jetcar den Markt verändern?

Ich glaube, dass kleine Hersteller das Rennen machen werden. In ein, zwei Jahren werden sie mit kleinen Autos auf Nischenmärkten erfolgreich sein. Wenn sich ihre Fahrzeuge in größerer Stückzahl verkaufen, werden sie von unten in den Markt wachsen und den Etablierten Konkurrenz machen. Die Großen hätten natürlich das Potenzial, um Elektroantrieben zum Durchbruch zu verhelfen. Aber das müsste zulasten ihres Kerngeschäfts gehen, dem Verkauf großer Limousinen.

In der Internet- und Unterhaltungsindustrie haben kleine, innovative Firmen etablierte Märkte aufgemischt. Ist das auch in der Autobranche vorstellbar?

Das ist nicht so einfach übertragbar, weil die Rahmenbedingungen anders sind. Reine Elektroautos sind noch nicht alltagstauglich, weil die Infrastruktur fehlt. Es gibt keine Ladestationen oder einen einheitlichen Standard für Wechselbatterien. Gäbe es eine Norm für alle Autos, könnten an jeder Tankstelle Batterien zum Wechseln bereitstehen. Die Reichweite der Autos würde sich sofort vergrößern. Diese Einheitsnorm für Batterien wird aber von den Autokonzernen abgelehnt. So lange der politische Druck auf die Autoindustrie nicht zunimmt, wird es nur sehr langsam vorangehen.

In den USA finanzieren die Gründer von Google oder große Investmentgesellschaften die Herstellung von Elektroautos. Warum passiert das nicht bei uns?

Die deutsche Auto- und die Energiewirtschaft ist viel zu träge, um diese Zukunftstechnologie spürbar nach vorne zu bringen. Deshalb tun sich die kleinen, innovativen Hersteller schwer damit, Geldgeber zu finden. Wir finanzieren Jetcar aus unseren Windkraft-Projekten. Geld verdienen wir damit noch nicht.

Ein Vorhaben wie „Project Better Place“ des ehemaligen SAP-Vorstands Shai Agassi, der in Israel mit Renault-Nissan eine Infrastruktur für Elektrofahrzeuge aufbaut, wäre in Deutschland unmöglich?

In Deutschland hätte ein solches Projekt keine Chance. In Israel ist der politische Druck, sich vom Öl der arabischen Staaten unabhängiger zu machen, auch ungleich höher. Der Staat fördert allein Agassis Projekt mit 100 Millionen Dollar. In Deutschland gibt das Bundesumweltministerium 15 Millionen Euro für einen Großversuch zur Nutzung von Elektrofahrzeugen aus. Die Bundesregierung tut alles, um die deutsche Autoindustrie vor unliebsamen Veränderungen zu schützen. Zum Beispiel, indem man CO2- Grenzwerte nach Gewichtsklassen definiert, was dazu führt, dass schwere Limousinen mehr Kohlendioxid ausstoßen dürfen. Ein positives Gegenbeispiel liefert London: Hier werden Elektroautos von der Innenstadt-Maut befreit.

Sie plädieren für mehr staatliche Förderung und Finanzierung?

Die finanzielle Förderung muss nicht unbedingt vom Staat kommen. Die Stromversorger könnten Autofahrern, die sich ein Elektroauto anschaffen wollen, Geld dazugeben – so wie dies einige Gasversorger bei Gasfahrzeugen machen. Die Versorger profitieren ja schließlich am Ende davon. Wichtig wäre die unmittelbare Förderung, weniger steuerliche Anreize. Ein Elektroauto ist in der Anschaffung noch 50 bis 100 Prozent teurer als ein herkömmliches Auto. Der Betrieb ist später deutlich günstiger.

Jeder deutsche Autohersteller hat ein Hybrid- oder Elektroprojekt in Arbeit. Wie wettbewerbsfähig werden die sein?

Toyota geht mit dem Hybrid den richtigen Weg, weil das Auto schon heute verfügbar und für lange Strecken geeignet ist. Der kombinierte Antrieb aus Elektro- und Verbrennungsmotor wird sich in den kommenden Jahren immer weiter zum reinen Elektroantrieb entwickeln, wenn die Batterien und die Infrastruktur besser werden. Davon wird Toyota profitieren. Den deutschen Herstellern bleibt nur die Aufholjagd.

Gilt das auch für die Zulieferer, die sich zunehmend in der Batteriefertigung und -entwicklung engagieren?

In Teilbereichen werden deutsche Firmen Märkte zurückerobern, die in den vergangenen Jahren verloren gegangen sind. Zum Beispiel sind deutsche Hersteller weit gekommen bei der Herstellung besonders sicherer und teurer Batterietechnologie. Aber der große Markt der preiswerten Batterien und Elektroautos wird von den Asiaten diktiert. Die Chinesen haben uns ziemlich im Griff. Wir werden künftig von billigen Elektroautos überschwemmt.

Woher soll die Energie für die Fahrzeuge kommen? Brauchen wir doch die Atomenergie länger als geplant?

Der zusätzliche Bedarf wird sich mit erneuerbarer Energie decken lassen, denn so sprunghaft wird die Zahl der Elektroautos nicht steigen. In der nächsten Generation werden Elektroautos Energie auch nicht nur verbrauchen, sondern speichern und ins Netz einspeisen können. Der Autobesitzer würde dies vergütet bekommen. Wind- oder Sonnenenergie ist nicht grundlastfähig, das heißt, sie ist da, wenn Wind weht oder die Sonne scheint – egal ob die Energie gebraucht wird oder nicht. Elektroautos könnten diesen erzeugten Strom speichern. Wenn die Stromversorger dieses Potenzial erst entdeckt haben, dann wird eine ungeheure Dynamik entstehen. Da geht dann richtig was ab.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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