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Automobilindustrie: Opel-Gipfel am Abend in Berlin

Machtkampf um die Zukunft von Opel: Während die deutschen Opel-Beschäftigten an allen vier Standorten gegen befürchtete Einschnitte protestieren, gibt sich die alte und neue Mutter General Motors betont selbstbewusst – und droht mit Insolvenz. In Berlin soll es nach Tagesspiegel-Informationen noch heute Abend einen Opel-Gipfel geben.

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der vier Bundesländer mit Opel-Standorten wollen noch am Donnerstagabend in Berlin über das weitere Vorgehen beraten. Das erfuhr Tagesspiegel.de aus Teilnehmerkreisen. An dem Opel-Gipfel am Vorabend der nächsten Bundesratssitzung nehmen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sowie aus den Ländern Roland Koch (CDU/Hessen), Jürgen Rüttgers (CDU/Nordrhein-Westfalen), Christine Lieberknecht (CDU/Thüringen) und Kurt Beck (SPD/Rheinland-Pfalz) teil.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Druck auf den US-Autokonzern General Motors (GM) nach dem geplatzten Opel-Verkauf erhöhen. Merkel habe mit US-Präsident Barack Obama telefoniert, teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mit. „Die Bundeskanzlerin wies darauf hin, dass die Bundesregierung darauf dringen werde, dass General Motors schnellstmöglich eine neue Konzeption zu Opel vorlegt und der Brückenkredit bis Ende November zurückgezahlt wird.“ Obama habe in dem Telefonat vom Mittwochabend bestätigt, dass er in die Entscheidung des GM-Verwaltungsrats „nicht eingebunden war“. Merkel und Obama vereinbarten, sich zum Thema Opel laufend abzustimmen.

Mehrere tausend Opel-Beschäftigte machten derweil an allen vier deutschen Standorten ihrem Unmut wegen befürchteter Massenentlassungen Luft. Der ungeliebte US-Konzern drohte der Belegschaft schon offen mit Insolvenz, sollten die Betriebsräte nicht zu Zugeständnissen bereit sein. Und GM ist sich der Staatshilfe aus Deutschland und den anderen europäischen Opel-Ländern sicher: „Wenn sie den Magna-Plan mögen, mögen sie auch den GM-Plan“, sagte Vize-Präsident John Smith am Mittwochabend.

Politik und Arbeitnehmervertreter bereiten sich auf Verhandlungen mit GM vor: Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte GM auf, unverzüglich ein Konzept vorzulegen. „Wir erwarten jetzt einen Plan, wie Opel wieder fit und flott gemacht werden kann“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir erwarten von Opel und von GM, dass die Arbeitsplätze in Deutschland gehalten werden.“ Erst wenn dieser Plan vorliege, könne man darüber reden, welche staatlichen Hilfen möglich seien. „Die Amerikaner dürfen nicht glauben, dass sie Deutschland in irgendeiner Form erpressen können.“

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz forderte vor knapp 10 000 Beschäftigten am Stammwerk des Autobauers in Rüsselsheim mehr Eigenständigkeit für den Autobauer unter dem Dach von GM. „Die Adam Opel GmbH muss in eine deutsche Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Wir wollen kein Anhängsel sein, das von Detroit aus durchregiert wird“, sagte Franz. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter werfen den GM-Managern seit längerem vor, Opel durch Arroganz gegenüber den Interessen europäischer Kunden und eine falsche Modellpolitik in die Krise geführt zu haben.

Auch das GM-Sanierungskonzept für Opel vom Mai 2009, auf dem der US-Konzern seinen neuen Restrukturierungsplan aufbauen will, lehnt Franz ab. Danach sollten drei Werke geschlossen werden. GM kündigte aber bereits an, dass Bochum möglicherweise überleben könne. Es könne eine attraktive Lösung geben, sagte Smith. Das sei aber noch nicht entschieden. In Nordrhein-Westfalen stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Hingegen droht dem Werk in Eisenach weiter eine zweijährige Stilllegung, das Werk im belgischen Antwerpen steht vor dem Aus.

Franz betonte jedoch trotz der Insolvenz-Drohung erneut, dass die Mitarbeiter für GM anders als für den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna keine Opfer bringen wollen: „Für das GM-Konzept vom Mai gibt es keinen Cent Mitarbeiterbeiträge.“ Mit Magna hatten sich die Arbeitnehmer auf einen jährlichen Gehaltsverzicht von 265 Millionen Euro geeinigt.

Bei den Protesten äußerten die Beschäftigten ihre Wut über den gescheiterten Verkauf an Magna. Sie befürchten Werkschließungen und massive Stellenstreichungen. In Eisenach gingen rund 500 Menschen auf die Straße, in Kaiserslautern waren es mehrere tausend Beschäftigte. In Deutschland arbeiten mehr als 25 000 Menschen für Opel.

Nach Smiths Darstellung ist die Sorge über Massenentlassungen unbegründet. GM wolle rund 10 000 der insgesamt gut 50 000 Opel-Arbeitsplätze in Europa streichen. Das wären in etwa genauso viele wie von Magna vorgesehen. Dies sei nötig, um die Kosten um 30 Prozent zu senken und Opel zu einem profitablen Unternehmen zu machen.

GM will den Plan möglichst bald ausarbeiten und den europäischen Regierungen und den Betriebsräten vorlegen. Der Autobauer ist zuversichtlich, trotz aller Kritik auch von Deutschland Staatshilfen zu bekommen. Smith sagte: „Ich bin hoffnungsfroh, dass die Bundesregierung unseren Plan, wenn sie ihn gesehen hat, gut finden und uns genauso unterstützen wird wie die Regierungen aus Spanien, Polen und Großbritannien.“ Sollte Deutschland die Unterstützung verweigern, müsse GM einen „Plan B“ ziehen.

Das „Wall Street Journal“ zitierte informierte Personen, wonach der Autobauer aus den eigenen „unbegrenzten Barreserven“ schöpfen könne, um die Restrukturierung selbst zu schultern. Das war in Deutschland bezweifelt worden.

Die Gewerkschaft IG Metall sieht derzeit keine Veranlassung, neue Verhandlungen mit GM voranzutreiben. „Es ist den Arbeitnehmern und damit ihren Gewerkschaften überhaupt nicht zuzumuten, nach diesem Paukenschlag aus Detroit, der auch ein Schlag ins Gesicht war, jetzt mit neuen Plänen aufzuwarten“, sagte der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild, der Mitglied im Opel-Aufsichtsrat ist, im ZDF-„Morgenmagazin“. Die von GM genannte Investitionssumme von 3 Milliarden Euro reiche nicht aus. „Das reicht genau, um die Sozialpläne und die Schließungskosten zu finanzieren. Das reicht eben nicht, um neue Autos zu bauen und um neue Märkte zu erschließen.“

Der Autoexperte Stefan Bratzel warnte derweil die Opel-Belegschaft, den Bogen nicht zu überspannen. Er sieht eine Insolvenz von Opel allerdings nicht als erste Option: „Ich halte die Insolvenzdrohung nicht für völlig leer. Aber zunächst wird GM versuchen, Geld für eine Sanierung zu bekommen.“ (mit dpa)

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