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Banken: "Sorgfaltspflicht gröblich verletzt"

Finanzstaatssekretär Asmussen gerät im Untersuchungsausschuss zur Fast-Pleite der Hypo Real Estate unter Druck. Er sei "nicht mehr tragbar", sagt ein Obmann.

Berlin - Stéphane Wolter ist eher ein zurückhaltender Mensch. Öffentliche Anschuldigungen gegen Vorgesetzte, frühere Kollegen oder gar Politiker liegen ihm fern. Doch was der 36-jährige Banker am Donnerstag dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Beinahe-Pleite des Münchner Bankenkonzerns Hypo Real Estate (HRE) zu sagen hatte, birgt gleichwohl erhebliche Brisanz, auch für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und dessen Staatssekretär und Parteifreund Jörg Asmussen. Denn Wolter war bis Anfang des Jahres fast sieben Jahre lang bei der HRE und deren Vorgängerin, der Hypo- Vereinsbank, mit dem Risikomanagement und der Steuerung der Zahlungsflüsse befasst. Darum konnte er tiefe Einblicke geben, wie es zur Schieflage kam und welche Fehler gemacht wurden, sowohl vom Vorstand als auch vonseiten der staatlichen Aufsicht.

Ausgangspunkt seiner Schilderung war der Oktober 2007. Damals fusionierte die bis dahin „eher konservativ“ geführte HRE mit dem im irischen Dublin ansässigen Staatsfinanzierer Depfa, und Wolter hatte die Aufgabe, die Risiken für die neu formierte Gruppe auf Ebene der Holding zu kalkulieren. Wie in der übrigen HRE üblich, unterzog er daher auch das Geschäft der Depfa einem Belastungstest mit der Annahme, dass andere Banken nicht länger bereit sein könnten, der Depfa ihre kurzfristigen Darlehen zu verlängern. Das Ergebnis habe ihn „sehr beunruhigt“, berichtete er. Kaum mehr als einen Monat wäre die Bank bei Eintritt einer solchen Klemme am Interbankenmarkt überlebensfähig gewesen. Nach 90 Tagen hätte die Finanzierungslücke in einem solchen Fall schon bei 80 bis 90 Milliarden Euro gelegen, kalkulierte Wolter. Das sei „leider genau das Szenario gewesen, das dann später eintrat“.

Alle Versuche, gemeinsam mit seinem Vorgesetzten den Vorstand zur Änderung des Geschäftsmodells der Depfa zu bewegen, seien dort jedoch abgeblockt worden, erinnerte sich Wolter. Weil er auf Druck von Investoren und Wirtschaftsprüfern mehrfach nachhaken musste, wurde er „zum unbeliebtesten Controller der ganzen Gruppe“, erzählte er. Auf seine Bitte hin versetzten seine Chefs ihn daher ab Januar 2008 von der Holding zum deutschen Zweig der Bank.

Aber auch dort erfuhr er aus der Zusammenarbeit mit den Kollegen in Irland, dass die Lage im Laufe des Jahres immer kritischer wurde. Die Depfa habe sich eine stetig wachsende Summe auf immer kürzere Frist leihen müssen, im August hätten sogar die dortigen Manager, die bis dahin alle Warnungen zurückgewiesen hatten, erstmals selbst vor einem Engpass gewarnt.

Alle bislang gehörten Zeugen aus dem Ministerium, der Bundesbank und der Aufsichtsbehörde Bafin hatten gemeinsam mit den Abgeordneten der Koalition stets behauptet, der Zusammenbruch der HRE sei nur durch die Lehman-Pleite am 15. September verursacht worden, weil damals schlagartig der gesamte Geldmarkt zusammenbrach. Wolter, der erste unabhängige Zeuge im Ausschuss, der sich nicht für seine eigenen Handlungen rechtfertigen musste, widersprach dem ausdrücklich. Vielmehr sei das ganze Jahr 2008 absehbar gewesen, dass die Depfa mit ihrem steigenden Geldbedarf bei anderen Banken alsbald auf „natürliche Grenzen“ gestoßen wäre. „Spätestens ab dem Zeitpunkt, als die HRE als systemrelevant eingestuft wurde“, also ab Juni 2008, „hätte man sich aufseiten der Aufsicht ein Rettungsszenario überlegen sollen“, sagte Wolter. Doch das geschah nicht.

Die drei Obleute der Oppositionsfraktionen, Volker Wissing (FDP), Axel Troost (Die Linke) und Gerhard Schick (Grüne) werteten Wolters Aussage daher als einen weiteren Beleg dafür, dass der für die Bankenaufsicht zuständige Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen „gröblich seine Sorgfaltspflicht verletzt“ habe und die Regierung daher völlig unvorbereitet in die überstürzte Rettung der HRE auf Kosten des Steuerzahlers gegangen sei. Er sei „in dieser Funktion daher nicht mehr tragbar“, sagte Wissing und forderte Asmussens Entlassung.

Nina Hauer, die SPD-Obfrau im Ausschuss, wies die Forderung zurück und bezeichnete sie als „verzweifelten Versuch, aus dem Ausschuss ein wenig Nektar zu saugen“. Steinbrücks Krisenmanager habe die für den Steuerzahler beste Lösung erzielt. Die Details dazu soll Asmussen dem Ausschuss Mitte August dann selbst berichten.

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