zum Hauptinhalt

Bankenaufsicht: Kontrolleure in der Krise

Die Bankenaufsicht befindet sich in der Krise. Für eine Aufsichtsbehörde gibt es kaum etwas Schlimmeres als einen Korruptionsskandal im eigenen Hause. Chef Sanio ist daher auch schwer angeschlagen.

Frankfurt/Main - Jochen Sanio gilt als harter Hund. Der Chef der Bundesananstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird in der Branche als kompromisslos gefürchtet. Insidergeschäfte, Kursmanipulationen, drohende Zahlungsunfähigkeit, falsche oder verspätete Börsenmitteilungen: Sanios Behörde achtet streng darauf, dass bei Banken, Versicherern und Wertpapierhäusern alles mit rechten Dingen zugeht. Die jüngsten Vorwürfe der Korruption im eigenen Haus sind daher mehr als peinlich. Sie lassen befürchten, dass die Finanzaufsicht ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.

Dabei hatte Sanio das Ermittlungsverfahren gegen einen ranghohen Beamten durch eine Strafanzeige am 4. April selbst ins Rollen gebracht. Der geständige Leiter der IT-Beschaffung soll seit Ende 2003 durch Scheinrechnungen für Computersoftware mindestens 2,6 Millionen Euro veruntreut haben. Doch das ist offenbar kein Einzelfall. Inzwischen sind weitere Mitarbeiter der BaFin ins Visier der Ermittler geraten. Sie sollen anderen Jobs verschafft oder sich bestechen haben lassen. "Verglichen mit dem Hauptvorwurf sind das jedoch eher Kollateralschäden", sagt der Bonner Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel. Insgesamt schätzen die Ermittler den Schaden auf mehr als vier Millionen Euro.

Jederzeit Sonderprüfungen bei Banken

Sanios Ansprüche galten bisher als hoch. Etliche Vorstände hat der 59-Jährige in seiner rund vierjährigen Amtszeit wegen Unfähigkeit oder Unzuverlässigkeit aus dem Amt gedrängt. Die Aufsicht der Behörde, die jederzeit Sonderprüfungen ansetzen, unangemeldet Dokumente einsehen oder an Aufsichtsratssitzungen teilnehmen kann, empfinden einige schon mal als pingelig.

Manchem scheint die Affäre daher willkommen, den gebürtigen Niedersachsen mit dem ausgeprägten Selbstbewusstsein loszuwerden. "Ein Kontrolleur, der es nicht schafft, seine eigene Behörde zu kontrollieren, ist nicht sehr glaubwürdig", sagt FDP-Finanzexperte Volker Wissing. Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel empfiehlt Sanio den Rücktritt.

Verträge nicht ausreichend überwacht

Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) glaubt zu wissen, dass der Fisch vom Kopf stinkt. Wie der "Spiegel" berichtete, werfen die Prüfer in einem Gutachten dem sonst so wachsamen Sanio im eigenen Haus unzureichende Kontrollen und organisatorische Mängel vor. So seien Verträge mit Fremdfirmen nicht überwacht und das Vier-Augen-Prinzip bei Großaufträgen oft umgangen worden. In der Kreditwirtschaft ist dies gesetzlich vorgeschrieben, Verstöße wurden von der Behörde stets massiv geahndet. PwC wirft Sanio zudem Untätigkeit vor: Viele Kritikpunkte seien bereits 2004 in einem Bericht moniert worden.

In der möglicherweise am 26. September stattfindenden Sitzung will der Verwaltungsrat nun entscheiden, wie die Behörde mit der Affäre umgeht und ob Sanio noch zu halten ist. Berichten zufolge ist das Gremium, dem neben Vertretern der Ministerien, Banken und Versicherern auch Politiker angehören, zwiegespalten. Der Top-Jurist genießt international einen untadeligen Ruf und kaum einer wäre besser geeignet, im eigenen Hause aufzuräumen. Allerdings muss sich Sanios Behörde an allerhöchsten Ansprüchen messen lassen. Wer Wasser predigt, darf eben nicht heimlich Wein trinken.
Von Katharina Becker (AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false