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Bankenverbandschef Manfred Weber: „Der Normalzustand ist nicht in Sicht“

Bankenverbandschef Manfred Weber spricht mit dem Tagesspiegel über die Krise.

Herr Weber, haben Sie jemals ein so schlechtes Bankenjahr wie 2008 erlebt?



Nein. So etwas hat es noch nicht gegeben. Das gilt sowohl für die Finanzmarktkrise als auch für den konjunkturellen Umschwung, den wir jetzt erstmals in vielen Ländern gleichzeitig erleben. Und es gilt nicht zuletzt für die notwendig gewordenen Stabilisierungsmaßnahmen.

Hätten Sie gedacht, dass mehrere Banken vom Staat gerettet werden müssen?

Es geht hier nicht um die Rettung einzelner Banken. Die Stützungsmaßnahmen der Politik sollen helfen, die Folgen der Krise für die deutsche Wirtschaft zu begrenzen. Natürlich gehört das Eingreifen des Staates nicht gerade zu den Wunschvorstellungen des Bankenverbandes. Aber in so extremen Marktsituationen, wie wir sie derzeit erleben, ist es notwendig, dass der Staat vorübergehend stabilisierend eingreift.

Bisher hat unter den privaten Banken nur die Commerzbank um Kapitalhilfe aus dem Fonds gebeten. Werden noch weitere Institute dazukommen?

Das ist durchaus möglich; einige Anträge laufen ja bereits. Die Banken werden das Angebot auch weiterhin intensiv prüfen, davon bin ich überzeugt. Eine Entscheidung ist nicht zuletzt abhängig von der weiteren Entwicklung der Märkte. Der Schutzschirm beginnt seine Wirkung aber bereits zu entfalten.

Ein Ziel des Rettungsfonds war es, die Kreditvergabe der Banken untereinander in Schwung zu bringen. Warum funktioniert das nicht?

Der Normalzustand ist noch nicht erreicht. Die Banken haben noch immer Papiere in ihren Bilanzen, deren Wert aufgrund aktueller Marktentwicklungen gegebenenfalls korrigiert werden muss. Die Institute können also nicht sicher sein, wie es in den Bilanzen ihrer Partner aussieht. Um aus dieser Negativspirale herauszukommen, wäre zu überlegen, die kritischen Papiere aus den Bankbilanzen auszugliedern, zum Beispiel indem der Stabilisierungsfonds Soffin sie aufkauft. Diesen Weg ist Schweden in den 90er Jahren gegangen. Und dieses Beispiel zeigt, dass dem Staat nicht unbedingt ein Verlust entstehen muss.

Ist der schleppende Handel zwischen den Banken auch ein Grund für die vorsichtigere Kreditvergabe an die Unternehmen?

Nein, da sehe ich keinen Zusammenhang. Im Übrigen gibt es auch keine Kreditklemme – auch wenn einige Unternehmen das immer wieder behaupten. Es mangelt im deutschen Bankensystem weder an der Fähigkeit noch an dem Willen, Kredite zu vergeben. Wir beobachten aber, dass die Banken ihre Risiken genauer in den Blick nehmen – auch die Kreditrisiken. Und das ist doch gerade eine der Lehren aus der Krise.

Wie äußert sich die neue Vorsicht?

Manche Unternehmen stellen fest, dass sie den Kredit nicht mehr zu den günstigen Konditionen bekommen wie noch vor einigen Jahren. Wenn die Banken jetzt mehr Sicherheiten verlangen und die Konditionen nach oben anpassen, sorgt dies bei manchem für Unmut. Uns wird vorgehalten, wir würden die Konjunktur abwürgen. Das stimmt aber nicht. Die unsichere konjunkturelle Lage macht es notwendig, dass Banken die Risiken im Blick behalten.

Es ist also keine Kreditrisiken?

Es gibt durchaus Probleme, zum Beispiel mit Großkrediten, weil diese nicht mehr so leicht weiterverkauft werden können. Auch langfristige Kredite sind schwer zu bekommen. Das hängt damit zusammen, dass die Banken selbst nur noch kurzfristig Geld aufnehmen können.

Ökonomen überbieten sich derzeit mit Negativprognosen für die deutsche Wirtschaft 2009. Womit rechnen Sie?

Aus heutiger Sicht sehe ich ein Minus von mindestens einem Prozent. Aber ich habe in meinem Berufsleben noch nie erlebt, dass Konjunkturprognosen mit solcher Unsicherheit behaftet waren wie heute. Die Politik sollte in einer solchen Situation mit Umsicht handeln und nicht in Aktionismus verfallen.

Das Interview führte Stefan Kaiser.

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