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Wirtschaft: Bauwerte fristen ein Schattendasein

Die Bilanzsaison hat begonnen, und auch die Bauunternehmen werden in den nächsten Wochen ihre Geschäftsberichte für 1998 präsentieren.Große Überraschungen dürften die Anleger nicht erleben, denn seit Jahren steckt die europäische Bauindustrie in einer konjunkturellen sowie strukturellen Krise: Landauf, landab sinken Margen und Erträge.

Die Bilanzsaison hat begonnen, und auch die Bauunternehmen werden in den nächsten Wochen ihre Geschäftsberichte für 1998 präsentieren.Große Überraschungen dürften die Anleger nicht erleben, denn seit Jahren steckt die europäische Bauindustrie in einer konjunkturellen sowie strukturellen Krise: Landauf, landab sinken Margen und Erträge.Zwar dürfte das Bauvolumen in Westeuropa 1999 erstmals seit 1991 wieder steigen - und zwar um real 2,5 Prozent - doch wird nach Ansicht der Europäischen Studiengemeinschaft für Bauforschung und Bauprognosen, Euroconstruct, der Bauanteil am Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2000 weiter auf wenig mehr als zehn Prozent zurückgehen.Dabei rechnet Euroconstruct in Großbritannien, Italien und Schweden mit einer lebhafteren Baunachfrage als in Dänemark, Deutschland und Frankreich.

Die Entwicklung der Baukonjunktur in Europa hat die Kursphantasie der Bauwerte keineswegs beflügelt.Im Gegenteil: Die meisten sind seit Jahren für Kapitalanleger völlig uninteressant."Aus diesem Grund verfolgen einige Research-Abteilungen von Großbanken nicht einmal mehr ihre Entwicklung oder haben sie auf ihren Verkaufs-Listen, bestätigt Harald Schmidt, Bau-Analyst bei der Commerzbank in Frankfurt.

Eine schlechte Performance bestätigt die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf vor allem den deutschen Bauwerten und setzt Strabag, Philipp Holzmann sowie Bilfinger + Berger auf ihre "Liste der 50 größten Vernichter von Aktionärsvermögen".Das war Ende Dezember vergangenen Jahres.Seitdem ist beispielsweise der Kurs der Strabag-Aktie erneut von 53,2 Euro auf 42,10 Euro gesunken."Für uns ist die Aktie des Kölner Baukonzerns so uninteressant geworden, daß wir zu diesem Wert keine offiziellen Gewinnprognosen mehr abgeben", sagt Michael Benedikt, Mitarbeiter der Research-Abteilung des Bankhauses Julius Bär.Der Unmut ist groß.Eine mangelhafte Öffentlichkeitsarbeit sowie eine schlechte Shareholder-Value-Politik bescheinigen andere Analysten der Strabag.

Wenig Freude bereitet den Aktionären auch der Kurs der Philipp Holzmann AG.Seit dem 30.April 1998 ist er von 271 auf 117 Euro (18.März) abgestürzt.Zwar empfiehlt BHF-Bank-Analyst Uwe Weinreich die Aktie des gebeutelten Frankfurter Baukonzerns in Erwartung steigender Ergebnisse zum Kauf, dennoch bleibt abzuwarten, ob der Bauriese, der nun zu 30,4 Prozent im Portefeuille der belgischen Gevaert liegt, den Turnaround auch nachhaltig schafft.

Weniger optimistisch äußert sich Weinreich zur Aktie der Bilfinger + Berger AG.Er rät, den Wert zu halten.Gleichwohl hat die BHF-Bank die Gewinnschätzung je Aktie auf minus 0,85 von zuvor plus 1,25 Euro für 1998 verringert.Der Grund: Der Mannheimer Baukonzern leidet unter der Asienkrise.Nachdem Fernostprojekte 1997 bereits Wertberichtigungen von rund 100 Mill.DM erforderten, muß der Baukonzern im 98er Abschluß zusätzliche Drohverlustrückstellungen von rund 150 Mill.DM verkraften.

Die künftige Entwicklung der deutschen Baukonzerne, so die einhellige Meinung der Analysten, wird davon abhängen, inwieweit sie es schaffen, den Strukturwandel der Branche zu bewältigen.Die Strategien sind klar erkennbar: Die Konzerne wenden sich vom traditionellen Baugeschäft ab und bieten weltweit als Generalunternehmer oder Systemmanager schlüsselfertige Bauprojekte oder ganze Infrastruktursysteme aus einer Hand an."Am erfolgreichsten geht Hochtief den Weg in das baunahe Dienstleistungsgeschäft.Aus diesem Grund empfiehlt die BHF-Bank die Bau-Aktie zum Kauf", sagt Weinreich.Die Bauleistung, die 1997 zwar um sechs Prozent gesunken war, dürfte 1998 etwa das Vorjahresniveau von 12,27 Mrd.DM erreicht haben.

Seit fast einem Jahr entwickeln sich die Bauwerte an der deutschen Börse weit unterdurchschnittlich.Eine Trendwende ist nicht in Sicht, obgleich bilanzielle Bereinigungen, die möglicherweise noch kommen, nicht mehr unbedingt zu einer Negativreaktion an der Börse führen müssen.Das hat der Kurs der Bilfinger + Berger AG gezeigt, der selbst auf die Verlustankündigung Anfang März nicht reagierte.Bauunternehmen müssen überall in Europa relativ hohen Kapitaleinsatz bringen und hohe Risiken für bescheidene Erträge eingehen.Auch die schwachen Kapitalrenditen machen Bauwerte für Kapitalanleger relativ unattraktiv gegenüber den Wachstumsindustrien.

Die Bauunternehmen in Europa lassen sich nur bedingt vergleichen.Zum einen verläuft die Baukonjunktur in den einzelnen Ländern unterschiedlich, zum anderen sind vor allem nicht-deutsche Bauunternehmen breit diversifiziert.So ist der französische Baukonzern Bouygues, der zu den weltweit größten gehört, stark im Medien-, Telekommunikations- und Immobiliengeschäft aktiv.Die Empfehlung der Analysten lautet: "Kaufen".Mike Betts, Analyst bei J.P.Morgan sagt: "Die weitere Entwicklung des Unternehmens wird vom Erfolg der Telekommunikationssparte abhängen.Wir empfehlen, das Papier zu halten."

Als Favorit unter den Börsenwerten gilt derzeit der englische Wohnungsbaukonzern George Wimpey Plc, London.Seit Januar hat sich der Kurswert von 94 Pfund auf 144,50 Pfund erhöht.Kevin Cammack, Analyst bei Merryll Lynch, rät zum Kauf, denn die niedrigen Zinsen und stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen dürften in England noch lange für eine rege Nachfrage nach Häusern sorgen.

KARINA JUNGHANNS (HB)

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