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Wirtschaft: Berater vor Gericht

Immer mehr Anleger wollen wegen schlechter Beratung Schadenersatz von ihrer Bank. Ihre Chancen wachsen

Frankfurt (Main) (gem/HB). Im Jahr 2000 wurde die Lebensversicherung einer 65Jährigen fällig. Obwohl sie das Geld konservativ anlegen wollte, überredete sie ein Berater der Deutschen Bank, Regionen- und Branchenfonds sowie Indexzertifikate der Fondsgesellschaft DWS zu kaufen. Die Folge: Sechsstellige Verluste. Der Fall endete vor Gericht. Das Landgericht Mannheim verurteilte die Deutsche Bank im Januar wegen fehlerhafter Anlageberatung zu 150 000 Euro Schadenersatz.

Immer häufiger ziehen falsch beratene Anleger zurzeit vor Gericht – oft mit Erfolg. Die Klagewelle ist die Spätfolge der offensiven Beratung, mit der die Banken während und auch nach der Aktienhausse Anleger zu spekulativen Investitionen drängten. Chancen auf Erfolg hat eine Klage dann, wenn der Anleger einen Verlust erlitt und beweisen kann, dass vor dem Kauf der strittigen Anlageprodukte eine Beratung stattgefunden hat, die fehlerhaft war. „Problematisch ist meist der Beweis der Fehlerhaftigkeit der Beratung“, sagt Klaus Rotter von der Kanzlei Rechtsanwälte Rotter in Grünwald bei München. Die Aussichten auf Erfolg seien dennoch nicht schlecht, denn die Rechtsprechung neige bei der Entscheidung zwischen der Eigenverantwortlichkeit des Individuums und der Fürsorgepflicht der Banken grundsätzlich zur Anlegerfreundlichkeit.

Vor der Prozesslawine

Zu Recht, sagt Anwalt Thomas Grossmann von der Kanzlei Grossmann und Haas in Stuttgart, die rund 3000 klagende Anleger vertritt: „Die Banken zitieren gern das angebliche Recht der Kunden, sich zu ruinieren. Dieses Recht haben aber auch die Banken. Wenn sie falsch beraten – und das war in der Vergangenheit häufig der Fall –, dann müssen sie dafür auch Schadenersatz leisten.“

Einzelfälle können die Banken als „Peanuts“ abtun, die aktuell drohende Vielzahl der Klagen nicht. Denn Anwälte und Anlegerschutzverbände sehen erst den Anfang der Klagewelle. „Das Klagepotenzial ist unglaublich hoch“, sagt Grossmanns Kollege Manfred Haas. „Allein im ersten Halbjahr 2003 wird der Bundesgerichtshof über zahlreiche Klagen entscheiden, deren Auswirkungen für die Banken Schäden im Milliardenbereich bedeuten können“, ergänzt sein Kollege Michael Pflaumer. Betroffen seien vor allem Deutsche Bank, Dresdner Bank und Hypo-Vereinsbank (HVB). Harald Petersen, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, bestätigt eine steigende Zahl von Anlegeranfragen zum Thema Falschberatung durch Banken.

Laut Haas scheidet ein Schadensersatzanspruch von vornherein nur aus, wenn „der richtigen Person das richtige Produkt nach richtiger Beratung verkauft wurde“. Wer aber etwa nach Ausschüttung seiner Lebensversicherung eine Anlage zur Altersvorsorge wünschte, von der Bank aber in einen Neuer-Markt-Fonds getrieben wurde, habe mehr als gute Chancen. Oft reiche schon der Nachweis kritischer Presseberichte vor dem Beratungsgespräch über das später gekaufte Produkt, um das Gericht zu überzeugen. „Auch darüber müssen die Berater ungefragt informieren“, sagt Rotter. Selbst wenn der Anleger seine Risikobereitschaft als hoch angab, könne er dann Schadenersatz zugesprochen bekommen.

Wichtig aus Klägersicht sei, Beweise zu sammeln und zu sichern. Anwalt Rotter rät, sich die Inhalte von Beratungsgesprächen schriftlich bestätigen zu lassen. Liege das Beratungsgespräch zurück und sei das Vertrauensverhältnis zur Bank noch nicht zerrüttet, sei es ratsam, den Anlageberater mit einem Zeugen erneut aufzusuchen und über das frühere Beratungsgespräch zu sprechen. „Ohne schriftliche Beweise oder Zeugen ist die Beweisführung vor Gericht oft schwer“, sagt Pflaumer. Für Ansprüche aus Beratungsfehlern hat die Reform des Schuldrechts zum ersten Januar 2003 eine neue dreijährige Frist in Gang gesetzt.

Banken spielen auf Zeit

Die Banken schweigen bisher weitgehend über das Thema. „Sie versuchen, das Problem auszusitzen, weil es Ihnen ohnehin wirtschaftlich schon schlecht geht“, sagt Haas. Den Banken sei nicht an Publicity gelegen, damit nicht weitere geschädigte Kunden Klagen erheben. Weder die Deutsche noch die Dresdner Bank waren gegenüber dieser Zeitung zu einer detaillierten Stellungnahme bereit. Beide Institute verwiesen auf die hohe Kundenzufriedenheit bei Umfragen.

Weil die Prozess- und Anwaltskosten, die der Verlierer eines Prozesses tragen muss, je nach Streitwert die Summe des entstandenen Schadens erreichen können, ist für den klagenden Anleger eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll. Freilich muss diese bereits zum Zeitpunkt der umstrittenen Beratung seit mindestens drei Monaten bestanden haben. Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, aber Chancen auf Schadenersatz sieht, sollte vor Klageerhebung seinen Fall von einem sachkundigen Anwalt prüfen lassen. „Ein Erstberatungsgespräch kostet maximal 180 Euro und reicht in der Regel aus, um die Erfolgsaussichten einer Klage zu klären“, sagt Rechtsanwalt Michael Pflaumer.

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