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Wirtschaft: „Berlin ist der Discounter unter den Metropolen“

Wie die Hauptstadt als Wirtschaftsstandort vorankommen kann Von Jörn-Axel Meyer

Standortmarketing ist wahrlich nicht neu. Das Streben nach Bekanntheit und positivem Image, nach mehr Touristen, Investoren, Arbeitsplätzen und qualifizierten Arbeitskräften, das Werben um Familien und zusätzliche Kaufkraft wird von nahezu jedem entwickelten Standort auf der Welt betrieben. Dabei werden immer noch Leitbilder, Logos und Corporate Identities entwickelt – für wen auch immer. Immer noch werden die Leistungen und Besonderheiten eines Standortes lückenlos aufgezählt, werden selbst verschlafene Örtchen als Erlebnisstadt feilgeboten. Angebotsorientierung und Liebe zur eigenen Scholle dominieren vor Kundenorientierung und Vergleich mit der Konkurrenz. Es ist die erste Generation des Standortmarketings, und in der stecken noch viele.

Berlin hat im Wettbewerb durchaus gute Chancen – als Metropole mit einem im internationalen Vergleich sehr günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Millionenstädte mit gleichem Angebot schrecken – nicht nur in Europa – mit ungleich höheren Lebenshaltungskosten bei nicht proportional höheren Einkommen ab. Auch wenn man es nur ungern zugeben mag, ein Argument für Unternehmen wie auch für Arbeitskräfte ist es allemal: Berlin ist der Discounter unter den Großstädten der Welt – bei guter Infrastruktur und Sicherheit.

Zielgruppenorientiertes Standortmarketing, das ist die nächste, zweite Generation. Die zum Standort passenden Zielgruppen müssen unter allen möglichen Investoren und Touristen identifiziert und in ihren Bedürfnissen angesprochen werden, zum Beispiel mit dem Argument an die Unternehmen, dass sie die richtigen Mitarbeiter vor Ort finden.

Was heißt das für Berlin? Eine pulsierende Großstadt mit sozialen Gegensätzen, mit Subkulturen und kultureller „Offszene“ zieht gerade junge, progressive Menschen mit hohem Bildungsniveau an. Branchen, die auf innovative Mitarbeiter angewiesen sind, können diese eher für Berlin gewinnen als für einen Standort in der Walachei. Unternehmen, die mit kleinen, jungen, innovativen Unternehmen zusammenarbeiten müssen, finden diese eher in Berlin als an Standorten, an denen nur Banken oder Zulieferer großer Industrieunternehmen zu finden sind. Kreativ- und Dienstleistungsbranchen, Beratungs- und Kulturbetriebe haben in Berlin das Klima, das sie benötigen. Und sie finden einen vielfältigen Testmarkt mit vier Millionen Menschen vor.

Im Wandel von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mit Menschen großer Mobilität und aktivem Leben bis ins hohe Alter kann Berlin Vorreiter sein. Aber es wird immer alternative Standorte geben, die in entscheidenden Kriterien des Standortwettbewerbs die Nase vorne haben und so das Rennen um Investoren und Mitarbeiter, um Touristen und Menschen machen.

Seit Unternehmen ihre Investitionen weltweit streuen und die global stark divergierenden Arbeits-, Lohn- und Produktionskosten zu ihrem Vorteil nutzen, hat der Wettbewerb erheblich zugenommen. Auch die Bürger werden zunehmend mobiler und flexibler. Gerade qualifizierte Kräfte sind heute weniger heimatverbunden als noch vor einer Generation. Ein weiterer bekannter Trend: Billig-Airlines stellen das frühere Bild vom kostengünstigen Urlaub im eigenen Lande und teuren Reisen in die Ferne auf den Kopf. So entstehen Konkurrenten, die viele Tausend Kilometer auseinanderliegen.

Deutsche Standorte können also im transparenten Wettbewerb nur schwer konkurrieren. Die dritte Generation des Standortmarketing muss über die Zielgruppenorientierung hinausgehen und die persönliche Ansprache in den Vordergrund stellen. Hier kann die Hauptstadt ihre Stärken ausspielen: Ob Kultur, Politik, Verbände oder Wirtschaft, Berlin besitzt exzellente Botschafter, die emotional an die Stadt gebunden sind, sich für sie einsetzen und dafür bestehende und neue Kontakte nutzen. Ein Vorbild kann hier Brandenburg sein, wo erfolgreiche Unternehmer gewonnen werden, um ihre Geschäftspartner auf mögliche Investitionen im Lande anzusprechen.

Professor Meyer ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für kleine und mittlere Unternehmen in Berlin

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