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Betriebsrat: Mit oder ohne Gewerkschaft

Drei Beispiele über die Möglichkeiten der Interessenvertretung für die Beschäftigten. SAP hat nicht einmal einen Betriebsrat

Seit dem ersten Tag ihres Arbeitslebens im Jahr 1964 ist Anne Marxen in der Gewerkschaft. „Du musst Dich organisieren, wenn Du abhängig beschäftigt wirst“, riet ihr der Vater. „Ich bin kritisch erzogen worden.“ Marxen arbeitete bei der Post im Fernmeldedienst und später bei der Telekom. In den 60er Jahren hatte sie enge Kontakte zu der Studentenbewegung, weil häufig Studenten in der Nachtschicht bei der Post arbeiteten. Sie engagierte sich in der Friedens- und Frauenpolitik und stritt für die Rechte der Arbeitnehmer. Mit Stolz und etwas Wehmut blickt sie auf Tarifabschlüsse der 70er Jahre zurück. „Wir waren als Gewerkschaft sehr erfolgreich.“

Ihrer Ansicht nach gibt es seit einigen Jahren keine Wertschätzung mehr der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern. „Da wird doch nur noch an Profit gedacht, nicht mehr an die Menschen.“ Marxen ist inzwischen im Ruhestand – und doch als Vorsitzende des Frauenvorstandes im Bezirk Berlin-Brandenburg bei Verdi aktiv.

Der einzige Dax-Konzern, der keinen Betriebsrat hat, ist SAP. Die Skepsis intern ist groß, öffentlich diskutieren will das Thema keiner. „SAP, das war ein außergewöhnliches Unternehmen“, sagt jemand, der 16 Jahre in dem Softwarekonzern gearbeitet hat. „Hier galt die Regel: Zuerst sorgst Du für die Sache, dann für Dein Team und am Ende wird sich auch etwas für Dich ergeben.“ Die Gründer kümmerten sich um ihre Mitarbeiter nach dem Motto: Wenn es meinen Leuten gut geht, geht es auch mir gut. Die weit überwiegende Zahl der SAP-Mitarbeiter sind gut ausgebildete Akademiker. Menschen, die überzeugt sind, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. „Für die Gewerkschaft ist das ein Affront“, sagt der frühere SAP-Mann, „in einem Unternehmen, das so ein Leuchtturm ist wie die SAP, außen vor zu sein.“

Inzwischen pfeife ein kälterer Wind durch die Flure. Die Mitarbeiter fürchteten, dass sich das Klima weiter verschärfen und der Konzern durch interne Streitigkeiten gebremst werden könnte. „Ich glaube aber nicht, dass die IG Metall förderlich für die Geschicke eines globalen Softwareunternehmens sein kann.“

Wer mit Jörg Fischer über das Thema Arbeit redet, weiß sehr bald, dass er es mit einem Gewerkschafter zu tun hat. Vom Arbeitsplatzerhalt und von Gerechtigkeit ist die Rede. Und davon, dass man sich mit aller Kraft und gemeinschaftlich einsetzen muss, um etwas durchzusetzen. Fischer ist 25 Jahre alt. Mit 16 begann der Berliner seine Ausbildung als Industriemechaniker bei Siemens . Kurze Zeit später trat er der IG Metall bei. Den Ausschlag hatte der Streit um die Lohnfortzahlung gegeben. „Meine Mutter war in ihrem Berufsleben auch einmal länger krank und das kann ja jedem ganz schnell passieren. Als die Gewerkschaften zum Streik aufriefen, wurde mir richtig bewusst, dass man ohne ihre Unterstützung schlecht dastehen kann.“

Bei der Turbinensparte von Siemens wurde er 2002 Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung. „Mir ist es ganz wichtig, dass sich jemand für die Interessen der jungen Leute im Betrieb aktiv einsetzt.“ So wie vor einiger Zeit, als der Rohrleitungsbau in einem Gasturbinenwerk geschlossen werden sollte. „Es sollten von heute auf morgen keine Rohrschlosser mehr ausgebildet werden. Da haben wir darauf bestanden, dass die in anderen Abteilungen eingesetzt werden. Die können doch auch noch andere Dinge, als nur Rohre bauen.“ Er hatte Erfolg. Auch privat hat ihn das Engagement bereichert. Bei einem IG Metall-Treffen der Jugendvertreter lernte er seine Frau kennen. „Da wir beide sehr aktiv sind, fällt es leichter, sich voll und ganz für die Sache einzusetzen.“

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