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Wirtschaft: Betrugsskandal um Zahnersatz

Billigimporte aus China teuer abgerechnet – Zahnärzte sollen 50 Millionen Euro kassiert haben

Berlin (pet). Deutsche Zahnärzte sollen Patienten und Krankenkassen in den vergangenen Jahren um viele Millionen Euro geprellt haben. Nach Angaben der AOK Niedersachen werden bis zu 2000 Zahnärzte und ein Mülheimer Dentallabor verdächtigt, bei Gebissen und Kronen zu hohe Kosten abgerechnet und dabei bis zu 50 Millionen Euro in die eigenen Taschen gesteckt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal bestätigte am Mittwoch eine groß angelegte Razzia in den Privat und Geschäfts- räumen des Dentallabors.

Auf den Betrug aufmerksam geworden war die AOK durch den Anruf eines Zahnarztes. Vor mehr als einem Jahr hatte er die Kasse auf die Machenschaften des Dentallabors Globudent aus Mühlheim hingewiesen. Die AOK Niedersachsen, die eine spezielle Einsatztruppe (Task Force) gegen Kassenbetrug unterhält, hatte daraufhin die Ermittlungen aufgenommen. Dem Labor und bis zu 2000 Zahnärzten im gesamten Bundesgebiet wird vorgeworfen, in den vergangenen zehn Jahren billig in China produzierten Zahnersatz zu teuren deutschen Preisen abgerechnet zu haben.

Die AOK geht derzeit von einem Schaden von mindestens 50 Millionen Euro aus. Sowohl Kassen als auch Zahntechniker-Innung halten es jedoch für wahrscheinlich, dass die bekanntgewordenen Fälle nicht die einzigen sind. „Das Ausmaß könnte noch deutlich höher sein“, sagte AOK-Sprecher Udo Barske am Mittwoch. „Man kann davon ausgehen, dass Versicherte aller Kassen betroffen sind.“ Auch die Barmer als größte deutsche Krankenkasse bestätigte am Mittwoch, dass sie prüft, ob Zahnärzte die Kasse betrogen haben. Der Verdacht liege sehr nahe, dass auch die Barmer betroffen sei. „Das ist eine Katastrophe“, sagte eine Barmer-Sprecherin. „Wir werden mit aller Konsequenz dagegen vorgehen.“ Eine Sprecherin des Verbandes der Deutschen Angestellten-Krankenkassen (VDAK) befürchtet, dass es sich bei den bekannten Verdachtsfällen nur „um die Spitze des Eisbergs“ handeln könnte.

Dieser Meinung sind auch die deutschen Zahntechniker. „Das ist kein Einzelfall“, sagte Michael Prehn, Justiziar beim Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen. Prehn sagt, der Verband habe schon lange den Verdacht, dass im Zusammenspiel zwischen einzelnen Zahnärzten und Dentallabors bei Abrechnungen getrickst werde. Auffällig sei, dass die Zahnärzte immer mehr Zahntechniker in den eigenen Laboren einsparten, gleichzeitig aber der Umsatz mit Brücken, Kronen und Gebissen gestiegen sei – und das, obwohl die Produkte in den vergangenen Jahren kaum teurer geworden seien. „Die Wahrscheinlichkeit von Mauscheleien ist groß“, sagte Prehn.

Die Zahnärzte reagierten am Mittwoch zurückhaltend. „Wir können die Meldung bislang weder bestätigen noch dementieren“, sagte der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Dietmar Oesterreich. Auf die „Gebaren von bestimmten Laboren wie Globodent“ seien die Mitglieder in internen Mitteilungsblättern hingewiesen worden. Wer sich dennoch darauf eingelassen habe, müsse strafrechtliche Konsequenzen befürchten, sagte Oesterreich. Die Dentalfirma Globudent wollte die Vorwürfe am Mittwoch nicht kommentieren.

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