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Wirtschaft: „Biokraftstoff kann marktfähig sein“

Shell-Chef Josef Waltl über den Treibstoff der Zukunft, hohe Benzinpreise und den Tanktourismus

Herr Waltl, Shell hat gerade einen Milliardengewinn ausgewiesen. Wieso senken Sie nicht die hohen Preise an den Tankstellen?

Das gute Ergebnis kommt im Wesentlichen aus der Öl- und Gasförderung, nicht von den Tankstellen. In Deutschland bleiben den Tankstellen pro Liter Benzin 6,5 Cent, mehr als 80 Cent gehen an den Staat. Aber Sie haben natürlich Recht: Wenn die Ölpreise am Weltmarkt so hoch sind wie derzeit, profitieren wir davon. Das war in den 90er Jahren anders, als der Barrelpreis bei zehn Dollar lag.

Sie könnten die Gewinne aus der Förderung nehmen und damit den Benzinpreis senken.

Das ginge schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht. Außerdem würden Sie damit alle mittelständischen Tankstellen in den Bankrott treiben. Aber davon abgesehen wäre es auch eine Fehlinvestition. Jeder Euro muss in jedem Geschäftsbereich effizient eingesetzt werden, dazu sind wir gegenüber den Menschen, die ihr Geld bei Shell investiert haben, verpflichtet.

Gehört es auch zur Effizienz, dass jedes Jahr zur Ferienzeit die Benzinpreise angehoben werden?

Ich kann den Ärger der Verbraucher verstehen. Aber statistisch gesehen gibt es keinen Zusammenhang zwischen Urlaubszeiten und Preisen. Die Preise an den Tankstellen werden maßgeblich durch die Beschaffungspreise am Spotmarkt – für uns Rotterdam – bestimmt. Wegen des scharfen Wettbewerbs lässt sich eine Preiserhöhung in Deutschland kaum länger als ein, zwei Tage halten.

Warum ist Shell dann trotzdem noch in Deutschland?

Weil Shell ein effizientes Unternehmen ist. Unsere Premiumkraftstoffe wurden von den Kunden angenommen, die Konkurrenz hat nachgezogen. Auch dass wir begonnen haben, Tankstellen mit Full-Service einzuführen, wird belohnt. Wir wollen diesen Service bis zum Ende des Jahres an 700 Stationen anbieten. An diesen Tankstellen haben wir einen 20 Prozent höheren Absatz von Schmierstoffen, weil zum Service auch gehört, den Ölstand zu kontrollieren. Unser Mut zu Innovationen zahlt sich aus.

Dabei schrumpft die Treibstoffnachfrage in Deutschland seit Jahren...

Richtig, seit 1999 um insgesamt zwölf Prozent. Ohne die Übernahme der DEA wären wir auch in einem ganz anderen Spiel. Vorher haben wir uns in Deutschland nicht mehr verstärkt. Jetzt wächst unser Marktanteil. Innerhalb eines Jahres haben wir gegen den Markttrend einen Prozentpunkt hinzugewonnen. Wir wollen weiterwachsen und unser Tankstellennetz in den kommenden drei Jahren um 100 Stationen ausbauen.

Die Regierung erhöht zum 1. Januar die Mehrwertsteuer. Außerdem fällt die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe weg. Wie wirkt sich das auf den Benzinpreis aus?

Nach aktuellen Daten wird das für die Verbraucher einen Anstieg von etwa fünf bis sechs Cent pro Liter bedeuten. Kurioserweise fällt die Mehrwertsteuer auch für die Mineralölsteuer an, es gibt also eine Steuer auf die Steuer. Wenn sie so kommt, wird die Steuererhöhung den Tanktourismus noch verstärken.

Was halten Sie von dem Vorschlag aus Bayern, eine Autobahnvignette einzuführen?

Ich bin kein Freund solcher Dinge. Zum einen dürfte der Verwaltungsaufwand groß sein, also neue Bürokratie und weitere Kosten. Vor allem aber gehen die Lösungsvorschläge, die zurzeit diskutiert werden, nur an die Symptome. Es ist gut, dass die Politik versucht, den Menschen zu helfen. Aber das Beste wäre, die Mineralölsteuer in Europa stärker zu harmonisieren.

Auch Shell arbeitet an alternativen Kraftstoffen, die Benzin und Diesel ersetzen sollen. Erwarten Sie, dass der Preisanstieg dadurch langfristig gebremst wird?

Alternativen zum Öl werden nicht genutzt, um Kraftstoff billiger zu machen. Die Zielrichtung ist die Versorgungssicherheit – besonders wichtig für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland – und die Verminderung von CO2. In den nächsten Jahren können alternative Kraftstoffe einige Prozent des Bedarfs abdecken. Auf die weltweite Nachfrage werden sie aber ohne große Wirkung sein. Die meisten reden im Moment aber auch nur über die Biokraftstoffe der ersten Generation. Mit der zweiten Generation beginnt die eigentliche Zukunft der Biokraftstoffe.

Wo sehen Sie den Vorteil?

Bei der ersten Generation werden Kraftstoffe wie Raps aus Pflanzenfrüchten gewonnen. Bei der zweiten verwendet man Abfälle wie zum Beispiel Stroh oder Holzreste – Biomass to Liquids oder BtL genannt. Dadurch ist der Hektarertrag viel größer. Wenn diese Kraftstoffe großtechnisch hergestellt werden, können sie bei den heutigen Preisen perspektivisch wettbewerbsfähig werden. Von dem synthetischen Diesel, den wir zusammen mit der sächsischen Firma Choren herstellen wollen, sollen in der ersten Anlage 15 000 Tonnen im Jahr hergestellt werden – und es gibt Pläne für weitere Anlagen mit einer Kapazität von 200 000 Tonnen. Natürlich geht es noch um kleine Dimensionen. Eine normale Raffinerie kommt auf fünf bis zehn Millionen Jahrestonnen.

Ist Ihr Engagement dann nicht nur ein ökologisches Feigenblatt?

Entschieden nein. Wir investieren, weil wir glauben, dass die neuen Kraftstoffe eines Tages marktfähig sein können. Aber es gibt viele Faktoren, die noch nicht absehbar sind. Es muss sich zum Beispiel erst eine Versorgungskette aufbauen, die genügend Rohstoffe sichert.

Wie groß wird die Rolle von Biokraftstoffen in den nächsten Jahren sein?

In dem bestehenden Autopool könnten den Kraftstoffen in zehn Jahren etwa zehn Prozent Biokraftstoffe beigemischt werden. Wichtig ist, dass Shell-Kraftstoffe für alle Autos tankbar sein müssen. Wir bauen auf nahtlose Lösungen, also die Erhöhung von Beimischungsanteilen ohne teure Umrüstungen für die Verbraucher. Derzeit sind vom Gesetz maximal fünf Prozent erlaubt, darauf haben die Hersteller die Motoren ausgelegt.

Wenn die Biokraftstoffe noch auf Jahre nur in geringen Mengen zu haben sein werden, bleibt Rohöl zentral. Wie bewerten Sie da die Versorgungssicherheit?

Die Versorgung teilt sich in zwei Teile: Rohöl selber und Raffineriekapazitäten zur Verarbeitung. Bei der Rohölnachfrage sind Indien und China sehr wichtig. Der Bedarf wird weiter steigen, aber die Förderung von Öl und Gas ebenso. Shell investiert zum Beispiel stark in die Förderung von unkonventionellen Ölvorkommen wie Ölsanden in Kanada. Auch auf der Verarbeitungsseite werden in den USA, wo 25 Jahre lang keine neuen Raffinerien gebaut wurden, die Kapazitäten erweitert.

Könnten die Preise also wieder sinken?

Das kann niemand sagen. Es gibt überall sehr widersprüchliche Einschätzungen. Öl kann noch teurer werden, der Preis kann aber auch wieder fallen. Es scheint, dass die aktuellen Preise am Weltmarkt ebenso sehr durch die Einschätzung der politischen Faktoren – wie zum Beispiel der Situation im Nahen Osten – bestimmt werden wie durch das tatsächliche Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Auch die Auswirkungen des Wetters spielen eine Rolle.

Wie gut hat sich Shell auf die Hurrikan-Saison vorbereitet?

Wir waren schon im letzten Jahr nach den furchtbaren Zerstörungen unter den Unternehmen, die ihre Operationen am schnellsten wieder aufgenommen haben. Wir haben viel gelernt und sind besser auf solche Herausforderungen vorbereitet.

Ihr Ölgeschäft in den USA versuchen Sie besser zu schützen, aber ihre dortige Solarproduktion haben Sie verkauft. Zieht sich Shell aus dem Solargeschäft zurück?

Andersrum wird ein Schuh draus: Shell gehört bei den alternativen Energien zu den am breitesten aufgestellten Unternehmen der Welt. Bei der Windkraft sind wir schon jetzt ganz vorne mit dabei und planen den weiteren Ausbau unserer Kapazitäten. Bei der Solartechnik setzen wir – wie bei den Biokraftstoffen – auf die zweite Generation, also auf die Dünnschichttechnologie, die von Silizium unabhängig ist. Verkauft haben wir nur die ältere, kristalline Technologie. Daneben arbeiten wir in Pilotprojekten auch an der Nutzung von Wasserstoff.

Und welchem Energieträger gehört Ihrer Meinung nach die Zukunft?

Wir halten Wasserstoff für einen der zentralen Energieträger der ferneren Zukunft. Aber niemand kann heute sagen, wo der große Durchbruch sein wird. Wir forschen und investieren deshalb auf verschiedenen Ebenen. Unser Ziel ist es, mindestens eine der erneuerbaren Energien – Wind, Wasserstoff oder Solar – zu einem wesentlichen Teil unseres Geschäfts auszubauen.

Das Gespräch führten Bernd Hops und Anselm Waldermann.

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