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Wirtschaft: Bitte zusteigen!

Wer jetzt den Job wechselt und clever verhandelt, kann einen Karrieresprung machen

Das Personalkarussell für Fach- und Führungskräfte ist ordentlich in Schwung gekommen: Die Chancen auf einen Karriereschritt inklusive deutlichem Gehaltssprung sind 2011 so gut wie lange nicht mehr.

Wie gut, weiß Henning Hoffmann, Geschäftsführer bei der Personalberatung Michael Page: „In der Gehaltsklasse zwischen 70 000 und 120 000 Euro pro Jahr können erfahrene Finanzprofis, aber auch Vertriebler und Entwicklungsingenieure beinah wöchentlich mit dem Anruf eines Headhunters rechnen, der sie zu attraktiven Konditionen abwerben will.“ Auch Freiberufler wie Projektleiter oder hochrangige Interim-Manager sind gefragt, denn der Trend zu flexiblen und zeitlich befristeten Engagements hält an.

Wer sich dagegen weder mit Abwanderungsgedanken trägt noch zu den unentbehrlichen Spitzenkräften zählt, wird es in der diesjährigen Gehaltsrunde trotz Wirtschaftsaufschwung schwer haben, einen finanziellen Zuschlag herauszuholen. Denn die Gehaltsentwicklung reagiert zeitversetzt. Viele Firmen nutzen den Aufschwung zudem vor allem dazu, sich weiter zu konsolidieren. „Die Gießkanne wird es also nicht geben“, sagt Walter Jochmann, Chef der führenden deutschen Personalmanagementberatung Kienbaum.

Für kompetente Neuzugänge dagegen gibt es aber durchaus mehr, denn wegen der guten Auftragslage ist Verstärkung nötig: Allein für das erste Quartal 2011 wollen laut einer repräsentativen Umfrage des Personaldienstleisters Manpower 13 Prozent der Unternehmen weitere Mitarbeiter einstellen, an Entlassungen denken dagegen nur noch sechs Prozent. Damit nähert sich das Arbeitsmarktbarometer – um saisonal bedingte Schwankungen bereinigt – seinem letzten Spitzenstand vor Beginn der Wirtschaftskrise Ende 2007. „Die Kehrtwende ging so schnell, wie es wohl niemand erwartet hätte“, sagt Manpower-Geschäftsführerin Vera Calasan. Und Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), bestätigt: „Die furiose Aufholjagd der letzten Monate trägt die deutsche Wirtschaft mit Rückenwind ins neue Jahr. Danach brauchen wir neue Impulse.“

Das füllt die Stellenbörsen. Besonders erfreulich: Die neuen Stellen finden sich im gesamten Bundesgebiet sowie in allen Wirtschaftszweigen, außer im Bergbau. Dabei überrascht die Finanzbranche: Nach der Entlassungswelle in der Krise hat sie laut dem ManpowerArbeitsmarktbarometer derzeit mit einem Vakanzplus von 17 Prozent den größten Personalbedarf. An zweiter Stellen folgt der Bereich Öffentlicher Dienst und Soziales, mit Kliniken und Pflegeeinrichtungen als Hauptarbeitgebern. Dort stagnieren die Gehälter für Ärzte, während Geschäftsführersaläre zulegen.

In der Finanzmetropole Frankfurt ist dagegen die Jagd nach Mitarbeitern eröffnet: Banken haben besonders großen Bedarf an Mitarbeitern für die Rechnungslegung, für Controlling und Risikomanagement. Versicherungen suchen verstärkt Mathematiker, Informatiker, Wirtschaftswissenschaftler sowie Juristen. Aber auch Compliance-Verantwortliche, die für die Gesetzestreue der Unternehmen sorgen, sind gefragt. Das wachsende Stellenangebot stößt auf Interesse: Laut einer repräsentativen Umfrage der Personalmanagement-Beratung SHL beabsichtigen derzeit knapp 30 Prozent der Berufstätigen, ihren Arbeitgeber zu wechseln. Gut jeder Fünfte gibt an, zwar nicht aktiv einen Job zu suchen, bei einem guten Angebot aber nicht Nein zu sagen. Diese außerordentlich hohe Wechselbereitschaft rückt Personalberater Jochmann jedoch als das übliche Maß an Absichtserklärungen zurecht: „Damit es wirklich zu einem Wechsel kommt, müssen viele Faktoren stimmen.“

Ein Schritt, der sich für Fach- und Führungskräfte zumindest finanziell wieder lohnt, sagt Personalberater Hoffmann: „Wer grundsätzlich wechselwillig ist, kann derzeit im Gehaltspoker einen Zuschlag von 10 bis 15 Prozent verlangen. Die inzwischen raren IT-Berater freuen sich über bis zu 20 Prozent mehr, und besonders gefragte Spezialisten wie Entwicklungs- oder Prozessingenieure können sich den Arbeitgeberwechsel sogar mit einer bis zu 30-prozentigen Zulage versüßen lassen.“ Besonders punkten Spezialisten, die internationale Erfahrung mitbringen.

Während der Blick auf ihre letzte Lohnabrechnung deutsche Finanzprofis nicht glücklich machte, weil ihre Gehälter stagnierten, wird um sie jetzt teilweise wieder aggressiv geworben. Emma Brady, Geschäftsführerin bei Euro London, einer auf die Vermittlung von mehrsprachigem Personal spezialisierten Agentur, sagt: „Angesichts der verordneten Bonusbegrenzungen steigen die Grundgehälter, und einige Unternehmen zahlen sogar Einstellungsboni.“

Verantwortlich für steigende Gehälter ist jedoch nicht nur die zunehmende Nachfrage nach Beschäftigten, die in manchen Sparten auf einen sich vergrößernden Fachkräftemangel trifft. Als Turbo wirkt überdies ein Trend, den Markus Riecke, Geschäftsführer der Online-Stellenbörse Monster, an einem Beispiel verdeutlicht: „Marketing-Generalisten sind vergleichsweise leicht zu finden, aber die Unternehmen wollen unbedingt Spezialisten, etwa einen Google-Werbefachmann, der Russisch spricht.“ Dieses Phänomen der 100-prozentigen Passgenauigkeit, früher eher nur im technischen Bereich ausgeprägt, hat quer durch alle Disziplinen zugenommen. „Das kann allerdings nicht länger so weiter gehen, bei den Anforderungen an Bewerber ist wieder Kompromissfähigkeit gefragt“, sagt Klaus Breitschopf. Er ist Deutschland-Chef der Projektmanager-Vermittlung Hays.

Zu den weiterhin heftig Umworbenen gehören Experten, die sich auf Zukunftstechnologien wie alternative Energiequellen oder Elektro-Mobilität verstehen. Wer seinem Arbeitgeber hierfür erfolgreich einen wechselwilligen Fachmann empfiehlt, kassiert Vermittlungsprämien im vierstelligen Bereich.

Außerdem werden ausgewiesene Fachleute, die nebenberuflich mehrjährige anspruchsvolle Weiterbildungen absolviert haben, wie Betriebsärzte oder Patentanwälte, fast vom Fleck weg engagiert.

Und um eine weitere hoch qualifizierte und seltene Berufsgruppe ist inzwischen eine regelrechte Schlacht entbrannt: Aktuare. Diese Mathematiker, die nach frühestens acht Jahren Berufspraxis eine berufsbegleitende Zusatzausbildung in Sachen Versicherungs- und Finanzmathematik absolviert haben, schätzen mittel- und langfristige Kapitalanlagerisiken ein. Neben Versicherungen buhlen auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Berater und Banken um diese Profis.

Hoch her geht es auch wieder im IT-Sektor. Der Branchenverband Bitkom meldet 28 000 offene Positionen allein bei seinen rund 1500 Mitgliedsunternehmen. Dazu kommen noch Vakanzen bei den zahllosen IT-Anwendern – von internationalen Konzernen bis hin zu Start-ups. Besonders gefragt sind reisebereite Experten mit Beratungserfahrung die sich in Sachen SAP, Ressourcenoptimierung, Neue Medien und E-Commerce auskennen.

Einfache EDV-Dienstleister in Bereichen wie Support und Systemadministration verschwinden vom deutschen Markt. Angestellte und Selbstständige müssen sich neu positionieren. Dorthin, wo Wissen und Kreation im Vordergrund stehen – etwas, das kein Computerprogramm bieten kann. Softwareentwicklung und technische Beratung zählen zu den seit Jahren besonders schnell wachsenden Bereichen der wissensintensiven Dienstleistungen. „Dieses Wachstum wird anhalten“, ist Arend Oetker, Präsident des Deutschen Stifterverbandes, überzeugt. Sein Verband errechnet und analysiert die Investitionen in Forschung und Entwicklung und sieht speziell in diesem Sektor gute Perspektiven.

Alles in allem heißt es am deutschen Personalkarussell also wieder: Zusteigen bitte! (HB)

Claudia Obmann

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