zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Blair muss für den Euro kämpfen

EDITORIALS Europa wird in naher Zukunft keine gemeinsame Währung haben. Dass Großbritannien zunächst am Pfund festhält, ist nicht überraschend.

EDITORIALS

Europa wird in naher Zukunft keine gemeinsame Währung haben. Dass Großbritannien zunächst am Pfund festhält, ist nicht überraschend. Schließlich hatte Londons Finanzminister Gordon Brown die fünf wirtschaftlichen Kriterien für den Beitritt zur Eurozone selbst ersonnen. Brown ist ein erklärter Euroskeptiker. Und nach Browns Meinung ist nur eine der fünf Bedingungen erfüllt. Um seine These zu unterstützen, scheute Brown keine Mühe. Zwei Last wagen und elf Lieferwagen transportierten 38 Tonnen Papier in das Unterhaus. Jeder Abgeordnete erhielt einen 2066 Seiten langen, zweifellos einschläfernden Bericht. Um seine Argumentation zu stützen, holte das Finanzministerium sogar die Meinung einiger der anerkanntesten Wirtschaftswissenschaftler ein, darunter des Nobelpreisträgers Robert Mundell.

Es wäre frech, würde man abtun, wie sehr sich das Finanzministerium um die Analyse der wirtschaftlichen Folgen einer Euro-Einführung bemühte. Zweifellos werden sich viele Teile der Studie als interessant erweisen.

Und doch – die formulierten wirtschaftlichen Kriterien sind so vage, dass sie alles und nichts sagen. Darauf weisen Ökonomen schon seit langer Zeit hin. Das Finanzministerium kann die Kriterien nach seinem Gusto interpretieren. Und der Schatzminister stemmt sich gegen den Beitritt zur Eurozone, auch wenn er in seiner Rede das Gegenteil behauptete. Viele meinen, Brown wolle britischer Premierminister werden und dann selbst den Euro einführen.

Eigenartigerweise äußerte sich der Schatzminister so begeistert wie nie zuvor über die Möglichkeit eines künftigen Beitritts zur Euro-Zone. Brown erklärte wiederholt, dass Großbritannien in vieler Hinsicht profitieren könnte – angefangen von niedrigeren Transaktionskosten über höhere Investitionen und mehr Handel bis zu einer größeren Stabilität. Er sprach so optimistisch – einige nannten seinen Ton sogar leidenschaftlich – wie nie zuvor. Das könnte teilweise daran liegen, dass der Bericht seinem Boss und Rivalen, Premierminister Tony Blair, eine politische Niederlage zufügt. Blair muss die „nicht erfüllten Voraussetzungen“ aufgreifen, wenn er sein lang gehegtes Ziel durchsetzen will: Großbritannien Europa anzunähern.

Nicht nur die Differenzen in der britischen Regierung wurden am vergangenen Montag deutlich. Sondern auch, was für verworrene Gedanken die Politiker in der Euro-Frage haben. Brown versprach, für die Konvergenz zwischen den Wirtschaften Großbritanniens und der Euro-Zone zu sorgen. Aber wie kann er die Konvergenz bewerkstelligen, wenn Großbritannien in vielen Bereichen sehr viel wettbewerbsfähiger ist als viele Euro-Volkswirtschaften? Entweder wird Blair den Euro entschiedener verteidigen, was vermutlich darauf hinausläuft, dass seine Auseinandersetzung mit dem Finanzminister öffentlicher wird; oder er unterstützt den Euro weiter nur schwach und wartet den geeigneten Augenblick ab, Brown entweder zu überzeugen, die Meinung zu ändern, oder dem Finanzminister seine Ansicht aufzudrücken.

Was davon auch passiert – die Briten dürften in Zukunft endlich eine intensivere und niveauvollere Euro-Diskussion erleben. Angeblich sollten wirtschaftliche Kriterien über die britische Eurodebatte entscheiden. Doch wieder einmal ging es um Politik.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false