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Wirtschaft: Börse: Interview: "Höhere Bußgelder schrecken Insider nicht ab"

Georg Dreyling ist seit 1994 Vizepräsident des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel. Herr Dreyling, nach dem Kurssturz ist die Sorge der Anleger gewachsen, dass es an der Börse nicht mit rechten Dingen zugeht.

Georg Dreyling ist seit 1994 Vizepräsident des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel.

Herr Dreyling, nach dem Kurssturz ist die Sorge der Anleger gewachsen, dass es an der Börse nicht mit rechten Dingen zugeht. Entstehen an der Börse faire Preise?

Grundsätzlich ja. Die Handelsüberwachung kontrolliert sehr genau, ob es an den Börsen mit rechten Dingen zugeht. Aber der schnelle Auf- und Abschwung am Kapitalmarkt hat zu Missständen geführt, die wir nicht akzeptieren können. Zum Beispiel den Missbrauch von Ad-hoc-Mitteilungen oder die Intransparenz bei Aktienverkäufen von Vorständen.

Die Wertpapieraufsicht soll im vierten Finanzmarktförderungsgesetz gestärkt werden. Warum brauchen Sie mehr Macht?

Der Gesetzgeber will in Zukunft das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel stärken und mit neuen Kompetenzen und mehr Untersuchungsmöglichkeiten ausstatten. Künftig werden wir zum Beispiel über einen längeren Zeitraum Einblick in Wertpapier-Depots haben, die Depotnummern kennen und so Marktmanipulationen besser untersuchen können.

Ist Ihre Behörde personell und technisch dafür ausgestattet?

Unser Personal muss sicher deutlich aufgestockt werden. Mit den vorhandenen Mitarbeitern sind die Aufgaben nicht zu bewältigen. In Hinblick auf die neuen Kompetenzen dürfte 2002 unser Personal nachhaltig verstärkt werden.

Keine Behörde nach dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC?

Keineswegs. Das ist aber auch gut so. Im deutschen Modell der Wertpapieraufsicht bleibt die Gewaltenteilung erhalten. Als Verwaltungsbehörde dürfen wir - anders als die amerikanische SEC - auch in Zukunft zum Beispiel keine Eide abnehmen oder Durchsuchungen bei Unternehmen vornehmen. Das bleibt weiterhin dem Staatsanwalt und den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten.

Aber viele Ermittlungen sind in der Vergangenheit deshalb im Sande verlaufen ...

Das liegt nicht an der Trennung der Institutionen oder gar der Faulheit der Juristen, sondern daran, dass die Staatsanwälte häufig zu wenig Beweise haben.

Die Beweise müssten Sie doch liefern können.

Im Prinzip schon, aber das ist nicht so einfach.

Warum nicht?

Nehmen Sie das Insidergeschäft: Wenn wir den Verdacht haben, dass irgendjemand eine Information genutzt oder verraten hat, an die er als Insider gelangt ist, dann geben wir das an die Staatsanwaltschaft weiter. Die muss dann klären, ob ein Aktiengeschäft unter Ausnutzung dieser Information oder aus anderen Gründen stattgefunden hat. Meist ist der Fall mangels Beweisen aber nicht eindeutig zu klären. Die Ermittlungen werden dann häufig eingestellt. Gefängnisstrafen sind selten und können deshalb leider nicht abschreckend wirken.

Fordern Sie schärfere Strafen?

Nein. Das Strafmaß ist ausreichend. Es können Haftstrafen bis zu fünf Jahren verhängt werden. Was oft fehlt, sind handfeste Beweise. Wir müssen uns häufig damit begnügen, dass wir nur ganz dicht an den Tatbestand herankommen.

Wie stellen Sie fest, ob ein Insider versucht, Geschäfte zu machen?

Wir sehen uns die Kursentwicklung täglich genau an. Stellen wir zum Beispiel fest, dass eine Autoaktie gegen den schwachen Trend auffällig stark steigt, dann werden wir neugierig. Folgt dann nach ein paar Tagen eine Ad-hoc-Meldung, wonach das entsprechende Unternehmen den bezinlosen Motor erfunden hat, müssen wir der Sache nachgehen. Dann hat womöglich ein Insider schon vorher davon gewusst und ein Geschäft daraus gemacht.

Wie oft kommt das vor?

Insider machen Gelegenheitsgeschäfte. Manchmal häufen sie sich, dann passiert lange Zeit gar nichts. Im Schnitt geht es um Gewinne zwischen 10 000 und 40 000 Mark.

Die großen Fische fangen Sie also gar nicht?

Wirklich "große" Fälle hat es bisher nicht gegeben.

Wird eine aggressivere Aufsicht das ändern?

Insiderverfolgung ist ein schwieriges Geschäft. Den geschickten Betrüger erwischt man auch mit schärferen Maßnahmen häufig nicht. Da hat das Recht seine Grenzen. Wir können nicht neben jeden Insider einen Aufsichtsbeamten stellen.

Was halten Sie von höheren Bußgeldern?

Ich glaube nicht, dass höhere Bußgelder eine abschreckende Wirkung haben. Wirkungsvoller ist, wenn am Markt bekannt wird, dass ein Unternehmensvorstand mit einem Insiderdelikt erwischt worden ist. Das trifft den Nerv und schreckt potenzielle Insider ab.

Herr Dreyling[nach dem Kurssturz ist die Sorge de]

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