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Wirtschaft: Börsianer hoffen auf Trendwende bei Neuemissionen

Experten halten neue Notierungen ab Frühjahr für möglich

London (fs/HB). Wer das Jahr 2002 am europäischen Neuemissionsmarkt positiv darstellen will, könnte es ungefähr so versuchen: Es hätte kaum schlimmer kommen können. Trotz der Kurssteigerungen in den ersten Tagen des Jahres wird die Entwicklung auch 2003 schwierig sein. Experten erwarten erst ab April eine Zunahme der Börsengänge an den Finanzplätzen Europas – wenn die Börsen sich stabilisieren.

Im vergangenen Jahr sammelten die 100 Börsengänge nur 10,6 Milliarden Euro von den Investoren ein, wie der Branchendienst Dealogic ermittelt hat. Damit hat sich die Entwicklung gegenüber dem Vorjahr weiter verschlechtert: 2001 konnten die Börsenkandidaten unter dem Strich zwei Drittel mehr erlösen. Noch besser war es im legendären Jahr 2000: Mit 14,3 Milliarden Euro brachte allein der damalige KonsortialführerPrimus Goldman Sachs mehr Wert an die Börse als alle Banken und Berater im trüben 2002.

Wieder einmal steht also eine Jahresbilanz unter dem Motto: Abhaken und vergessen. Die Banken haben längst reagiert und ihr Personal in den Neuemissions-Abteilungen drastisch reduziert. Die potenziellen Börsenkandidaten können nur hoffen, dass sich das Klima irgendwann ändert. Doch das ist nicht in Sicht. „Vor dem zweiten Quartal 2003 wird es nicht besser“, glaubt Tom Troubridge, Partner bei der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PWC) und Autor eines Überblicks über den Markt für IPOs (Initial Public Offering). Zwar bereitet allein sein Londoner Büro derzeit zehn Firmen auf einen Börsengang vor. Doch die können sich gut zurückhalten. „Wenn die Spannungen im Irak beendet sind, kann es besser werden“, nennt Troubridge eine wichtige Voraussetzung. Dennoch – angesichts Konjunkturkrise vermutet er keine Trendwende, eher eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau.

Dabei ist es nicht so, dass am Markt keine Mittel vorhanden wären. Fonds, Versicherungen und Privatanleger sitzen auf hohen Geldbeständen. Doch sie sind vorsichtig geworden. „Man braucht mehr Stabilität am Aktienmarkt“, sagt ein Managing Director einer US-Investmentbank. Die großen Schwankungen der Kurse haben erst in den vergangenen vier bis sechs Wochen nachgelassen. Aber erst wenn im Markt eine gewisse Ruhe einkehre, kämen die Anleger wieder, sagt er.

Managing Director James Blend von der britischen Bank HSBC hofft allerdings darauf, dass positive Beispiele einiger Neuemissionen des verkorksten letzten Jahres Investoren in den Markt zurück holen. Das größte IPO des Jahres 2002 in Europa, der französische Autobahnbetreiber Autoroutes du Sud de la France, konnte am ersten Handelstag um mehr als elf Prozent zulegen. Auch heute noch liegt der Kurs – wenn auch nur knapp – über dem Ausgabekurs für Privatanleger.

Alte Bekannte sind die Kandidaten

Aus solchen Erfahrungen schöpft auch Stuart Fraser Hoffnung, Investment Manager beim Aktienbroker Brewin Dolphin: „Für Firmen mit einer sensiblen Preisbestimmung ist Raum im Markt.“ Während andere Beobachter sich nicht auf eine Branche oder einen Sektor festlegen wollen, sieht er Kandidaten im Telekom- und Nahrungsmittelbereich. Er ist begrenzt optimistisch: „Das nächste Jahr sollte höhere Volumina sehen.“ Einer konkreten Prognose freilich weicht er aus.

Bei den Kandidaten für 2003 tauchen alte Bekannte auf. Es handelt sich um Firmen, die ihre Ambitionen bereits bekundet, ihr Vorhaben aber wegen der schlechten Marktlage verschoben haben. In Großbritannien werden die gelben Seiten Yellow genannt. Auch der Broker Cazenove gilt als Kandidat. Von deutscher Seite gehört die Telekom-Tochter T-Mobile zu den Anwärtern. In Italien steht der Luxus-Konzern Prada ebenso in den Startlöchern wie der Telekom-Konzern Wind. In Irland fällt der Name der Getränke- und Nahrungsmittel-Kette Cantrell und Cochrane (C & C). Und in Frankreich, das im vergangenen Jahr gemeinsam mit Großbritannien den aktivsten Markt stellte, gehört der Gas-Konzern Gaz de France wieder einmal zum Kandidaten-Kreis. Dass dort der Staat Anteile von Air France oder Renault an den Markt bringt, gilt ebenfalls als denkbar.

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