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Wirtschaft: Brasilien streicht Importlizenzen für 400 Produkte aus Argentinien und erschüttert das Freihandelsabkommen

Mit der Streichung der Importlizenzen für mehr als 400 Produkte aus Argentinien hat Brasiliens Regierung das Freihandelsabkommen Mercosur bis in die Grundfesten erschüttert. Die drastische Maßnahme ist eine Reaktion auf den Versuch der Behörden in Buenos Aires, die rasch zunehmenden Einfuhren von Schuhen aus dem Nachbarland zu bremsen.

Mit der Streichung der Importlizenzen für mehr als 400 Produkte aus Argentinien hat Brasiliens Regierung das Freihandelsabkommen Mercosur bis in die Grundfesten erschüttert. Die drastische Maßnahme ist eine Reaktion auf den Versuch der Behörden in Buenos Aires, die rasch zunehmenden Einfuhren von Schuhen aus dem Nachbarland zu bremsen.

Die Repressalie der Brasilianer trifft praktisch alle argentinischen Exporte. Völlig freien Zugang behalten nur die Getreideeinfuhren aus der Kornkammer Argentiniens sowie Erdöl und dessen Subprodukte. Argentinien setzt jährlich Güter im Wert von umgerechnet rund 17 Milliarden Mark, fast ein Drittel seiner gesamten Ausfuhren, in Brasilien ab. "Sie haben uns den Krieg erklärt", stellt die Wirtschaftszeitung "El Cronista" in Buenos Aires betreten fest. "Wir sind an Händen und Füssen gebunden."

Nach der Abwertung des brasilianischen Real im Januar schmolz der stattliche Überschuss der Argentinier im Güteraustausch mit dem großen Nachbarn rasch weg. Besonders schwer getroffen wurde von dieser Entwicklung die lokale Schuhindustrie. Die Einfuhr von brasilianischen Produkten stieg seit Beginn der neunziger Jahre dank Mercosur praktisch von null auf acht Millionen Paar (1998). Dieses Jahr zeichnete sich noch einmal eine Verdoppelung der Schuhimporte ab. Infolge dieser Invasion gingen auf argentinischer Seite allein in dieser Branche 8000 Arbeitsplätze verloren.

Im Juli zog die Regierung Menem unter massivem Druck der einheimischen Fabrikanten und deren Angestellten die Notbremse. Mit der Forderung, dass künftig alle importierten Schuhe mit Etiketten versehen werden müssten, die Angaben über das verwendete Material enthalten sollten, versuchte Buenos Aires, die Flut einzudämmen. Mit bürokratischen Forderungen erschwerte man in der Folge auch die Einfuhr von Stoffen, Konfektion und Stahl. Darauf reagierten die Brasilianer mit der Ankündigung, dass sie eigene Inspektoren nach Argentinien schicken würden, um die dortige Milch- und Käseproduktion an Ort und Stelle sanitären Kontrollen zu unterwerfen.

Hals über Kopf waren in der vergangenen Woche zwei hohe Funktionäre der Regierung von Brasilia nach Buenos Aires gereist, um einen offenen Ausbruch des Handelskriegs zu vermeiden. Doch die Beratungen über eine Entschärfung des Konflikts in der Schuhindustrie verliefen ergebnislos. Mit leeren Händen mussten die Brasilianer heimkehren, und wenige Stunden danach setzte Präsident Cardoso schweres Geschütz gegen Argentinien ein.

Wichtigste Ursache der Auseinandersetzung, die das Mercosur-Abkommen jetzt zu sprengen droht, ist die Unvereinbarkeit der Wechselkurspolitik in den beiden Ländern. Während Brasilien unter dem Druck seines Schuldenbergs abwerten musste, hält Argentinien verzweifelt an der Bindung seiner Währung an den US-Dollar fest. Deswegen liegen nicht nur seine Exporte im Argen. Auch immer mehr einheimische und ausländische Unternehmer lagern ihre Betriebe nach Brasilien aus, wo die Produktionskosten dank Abwertung erheblich geringer sind und zudem die Subventionen wie Honig fließen. Erst im vergangenen Juni hatten die Mercosur-Länder auf einem ersten Gipfel mit der Europäischen Union über eine Intensivierung der Handelsbeziehungen verhandelt.

Romeo Rey

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