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Brüssel: Immer mehr Verantwortung für die EZB Notenbank als „Ausputzer der Politik“

Kampf gegen die Schuldenkrise zwingt die Europäische Zentralbank zu einer historischen Zinssenkung. Der EZB-Rat kappte am Donnerstag den Leitzins für die Währungsunion erstmals in seiner Geschichte auf 0,75 Prozent.

Brüssel - Die Europäische Zentralbank hat ein eng umgrenztes Mandat. „Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken“, heißt es in Artikel 127 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU, „ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten.“ Nicht nur die Zinsentscheidungen werden damit begründet, sondern auch die in der Krise beschlossenen Sondermaßnahmen. „Mit ihrer Hilfe soll sichergestellt werden, dass die Preisstabilität auf mittlere Sicht gewährleistet bleibt“, schrieb EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im Mai 2011. Nur vier Monate später trat er aus Protest gegen diese Sondermaßnahmen von seinem Amt zurück.

Zu den „unorthodoxen geldpolitischen Maßnahmen“ gehört der Kauf von Staatsanleihen europäischer Krisenländer. Die Notenbank hält Papiere im Wert von 213 Milliarden Euro, die sie kaufte, um den Zinsdruck von Spanien, Italien oder Griechenland zu nehmen. Die EU- Verträge sagen aber eigentlich, dass europäische Institutionen nicht die Schulden anderer europäischer Organe oder Staaten übernehmen dürfen. Es folgten zwei weitere Großoperationen: sogenannte Dreijahrestender, mit denen Europas Banken zu supergünstigen Konditionen an die zwei Billionen Euro an Kredit gewährt wurde.

Kampf gegen die Schuldenkrise zwingt die Europäische Zentralbank zu einer historischen Zinssenkung. Der EZB-Rat kappte am Donnerstag den Leitzins für die Währungsunion erstmals in seiner Geschichte auf 0,75 Prozent.

Video: Historischer Niedrigzins der EZB

„Die EZB ist damit weit über ihre Grenzen gegangen“, kritisiert ein EU-Diplomat in Brüssel. Und der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold sagt, die Notenbank habe „quasi fiskalische Aufgaben übernommen“. Unterschiedlich bewertet wird, ob die Sondermaßnahmen angesichts der Zuspitzung der Krise trotz ordnungspolitischer Bedenken geboten gewesen sind oder nicht. Der Grüne Giegold ist im Gegensatz zu einer Reihe von Ökonomen der Meinung, es sei „selbstmörderisch“, in dieser Lage von der EZB ein Agieren streng entlang der Paragrafen zu fordern. Er wirft der Politik vor, die Zentralbank überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht zu haben: „Die EZB wurde zunehmend in die Rolle des Ausputzers gedrängt.“ Unterstützung erhält er auch aus dem Rat der 27 Regierungen selbst. „Die Bank ist von der Politik dorthin gedrängt worden“, sagt ein hoher Brüsseler Diplomat selbstkritisch. Die Zentralbank habe kaum noch Zeit, „ordnungspolitische Debatten zu führen, weil sie nur noch mit Abwehrschlachten beschäftigt ist“. Christopher Ziedler

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