zum Hauptinhalt
Was wird aus unserem Geld? Bundesbank-Chef Jens Weidmann bei seinem Vortrag.

© Thilo Rückeis

Bundesbank-Chef: Weidmann warnt vor zu langer Dauer der laxen Geldpolitik

Die lockere Geldpolitik verleite Anleger zur „Jagd auf Rendite“, sagt Bundesbankchef Weidmann auf einer Tagesspiegel-Tagung. Es drohten Exzesse am Finanzmarkt.

Von Carla Neuhaus

Mit den niedrigen Zinsen, sagt Jens Weidmann, sei das so eine Sache. „Ich kann verstehen, dass sich Sparer darüber ärgern, wenn ihre Sparanlagen real an Wert verlieren“, meint der Chef der deutschen Bundesbank. Gleichzeitig seien sie aber nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln: um Menschen zu animieren, mehr Geld auszugeben und um Firmen die Kreditaufnahme zu erleichtern.

Auf Einladung des Tagesspiegels sprach Weidmann am Donnerstagmorgen vor rund 200 Gästen im Berliner Meistersaal – dort wo einst David Bowie und U2 ihre Songs aufgenommen haben. Mit denen, sagt Weidmann, könne er aber nur schwer mithalten. Auch wenn der indische Notenbankchef Raghuram Rajan vor nicht allzu langer Zeit behauptet habe, dass sich Zentralbanker „heutzutage der Popularität von Rockstars“ erfreuen.

Die Zuhörer hat Weidmann mit dieser Anekdote für sich gewonnen, viele schmunzeln, manche lachen. Das Eis ist gebrochen, um über ernste Themen zu sprechen. Zum Beispiel über die laxe Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Institution hat in den letzten Jahren im großen Stil Geld in den Markt gepumpt, um die Wirtschaft in Europa nach der Finanzkrise wieder anzukurbeln. Weidmann warnt jedoch, das könne nicht ewig so weitergehen. „Eine ultralockere Geldpolitik ist eine Therapie mit Risiken und Nebenwirkungen“, sagt er. „Sie darf nicht zur Dauertherapie werden, zumal die positiven Wirkungen mit der Zeit nachlassen.“ 

Sparkassen bekommen Probleme

Gerade Sparkassen und Kreditgenossenschaften spüren derzeit die Folgen der Niedrigzinspolitik. Weil sie an der Differenz zwischen Spar- und Kreditzins verdienen, sinken ihre Erträge. „Diesen Instituten wird es dauerhaft immer schwerer fallen,  Risikovorsorge für wirtschaftlich schwierige Zeiten zu betreiben“, sagt Weidmann.

Zudem würden die niedrigen Zinsen mit der Zeit Anleger „zur Jagd nach Rendite“ animieren. Denn nur wer ein hohes Risko eingeht, kann in einer Phase niedriger Zinsen viel Geld verdienen. Weidmann warnt deshalb, je mehr Risiko Anleger eingingen, desto höher sei die Gefahr, dass es am Finanzmarkt wieder zu Übertreibungen komme – ähnlich derer, die 2008 die Finanzwelt in die Krise geführt hätten.

Diese Kritik an der Branche, dürfte eine Person im Publikum besonders ungern gehört haben: Asoka Wöhrmann, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. Als er später auf dem Podium sitzt, sagt er dann auch: Angesichts der niedrigen Zinsen sei jetzt die richtige Zeit, um Chancen zu nutzen – auch wenn sie riskant seien. „Wir müssen wieder lernen, Risiken einzugehen“, fordert Wöhrmann.

Diese unterschiedlichen Meinungen dürften der Grund dafür sein, warum Weidmann über einen Wechsel zu einer Geschäftsbank noch nicht einmal nachdenkt. Die Frage stelle sich nicht, macht er deutlich. Er sei zufrieden mit seiner Aufgabe an der Spitze der Bundesbank. „Ich möchte erst einmal bleiben. Wenn eine zweite Amtsperiode möglich ist, bleibe ich gerne noch länger“, sagt er. Dabei hat er als Bundesbank-Vertreter im EZB-Rat keinen leichten Stand. Zum Beispiel hat er als einziger in dem Gremium gegen das Staatsanleiheprogramm der Notenbank gestimmt, mit dem die Zentralbank Krisenstaaten bei Bedarf stützen und damit letztlich den Euro stabilisieren will.

Für die einen ist der Zins zu niedrig, für die anderen zu hoch

Die Notenbanker stehen vor einem Dilemma:  Sie müssen eine Geldpolitik für den gesamten Euroraum vorgeben – und das, obwohl deren Länder sich in den letzten Jahren extrem unterschiedlich entwickelt haben. „Wir können mit unseren Instrumenten keine Rücksicht nehmen auf die wirtschaftliche Lage einzelner Mitgliedstaaten“, sagt Weidmann. Ein Zins, der für das eine Land zu niedrig sei, sei für das andere zu hoch. Daran müssten die Europäer sich gewöhnen.

Gleichzeitig gibt Weidmann jedoch Entwarnung, was die zukünftige Preisentwicklung angeht. Zwar würden die Verbraucherpreise in Deutschland schneller steigen als im gesamten Euroraum. Doch die Bundesbank gehe davon aus, dass die Inflationsrate in diesem und im nächsten Jahr „deutlich unter zwei Prozent“ bleiben werde. „Mit meinem Kollegen Mario Draghi stimme ich vollkommen überein, dass es keinen Grund gibt, irrationale Inflationsängste zu pflegen“, sagt Weidmann.

Während die Deutschen Angst vor steigenden Preisen haben, besteht manchen Experten zufolge für die gesamte Eurozone die Gefahr der Deflation – also einer Zeit sinkender Preise. Für eine Volkswirtschaft ist das fast noch gefährlicher als eine Inflation, da die  Menschen sich dann mit ihren Ausgaben zurückhalten. Das führt schnell in die Rezession – so wie es in Japan passiert ist. „Wir dürfen das Risiko der Deflation nicht unterschätzen“, warnt auf der Tagesspiegel-Konferenz Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Bundesbankpräsident Weidmann sieht das anders. Das „Gespenst einer breit angelegten Deflation“ löse sich bei nüchterner Betrachtung in Luft auf, sagt er. Typisch für eine Phase sinkender Preise sei zum Beispiel, dass die Löhne über einen längeren Zeitraum sinken würden – so wie in Japan passiert ist. „Im Euroraum ist eine solche Entwicklung in der Breite aber nicht zu beobachten“, sagt Weidmann. Lediglich die Griechen und die Iren würden heute merklich weniger verdienen als früher. „Die Angst vor einem japanischen Szenario ist also unangebracht“, folgert Weidmann.

Die deutsche Wirtschaft kommt in Schwung, sagt Weidmann

Gerade für Deutschland ist der Bundesbanker optimistisch. „Wenn alles eintritt, was wir erwarten, wird die deutsche Wirtschaft deutlich schneller wachsen als die Wirtschaft in den meisten anderen Ländern unseres gemeinsamen Währungsraums“, sagt Weidmann. Er glaubt, dass sich der Aufwärtstrend in diesem Jahr fortsetzen wird. „Die niedrige Arbeitslosigkeit, das anhaltende Beschäftigungswachstum und die günstigen Finanzierungsbedingungen stützen den privaten Konsum“, sagt er. Auch der Außenhandel gewinne wieder an Schwung.

Gleichzeitig mahnte Weidmann jedoch, nicht zu euphorisch zu werden. Die Euro-Krise sei noch lange nicht vorbei – und auch die neuen Regeln für Banken seien noch nicht optimal. So könnten die Geldhäuser zum Beispiel noch immer unbegrenzt in Staatsanleihen investieren, ohne dafür eine Risikovorsorge anzulegen. Weidmann fordert deshalb, den Banken Grenzen für den Ankauf dieser Anleihen zu setzen und sie zu zwingen, mehr Eigenkapital dafür vorzuhalten. Die Logik dieses Vorschlages, sagt Weidmann, sei zwingend. Gleichzeitig sei es jedoch unrealistisch, dass Regeln wie diese in absehbarer Zeit kämen. „Ich fürchte, dass der Flughafen Berlin-Brandenburg vorher in Betrieb gehen wird“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false