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Wirtschaft: Bundeshaushalt: Knapp gestrickt

Gern hat er es nicht getan. Die Steuern zu erhöhen, ist für Bundesfinanzminister Hans Eichel so, als wenn Verbraucherschutzministerin Renate Künast den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft fördern sollte.

Gern hat er es nicht getan. Die Steuern zu erhöhen, ist für Bundesfinanzminister Hans Eichel so, als wenn Verbraucherschutzministerin Renate Künast den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft fördern sollte. Eine gräßliche Vorstellung, völlig gegen die eigene Überzeugung. Und Politik ist für Eichel, einen der wichtigsten Minister im Kabinett, nun mal nicht nur Sachpolitik. Hans Eichel ist zwar von Beruf der sparsame Finanzminister mit strikter Haushaltsdisziplin. Aber das ist er nur geworden, weil er Profipolitiker ist, mit jahrzehntelanger Schulung in der Partei und in verschiedenen Regierungsämtern vom Oberbürgermeister von Kassel zum hessischen Ministerpräsidenten.

"Eichel ist ein Glücksfall", hat Kanzler Gerhard Schröder über den angeblich so drögen Spar-Hans gesagt. Eichel schaffte es nicht nur in wenigen Monaten den Schuldenhaushalt, den sein Vorvorvergänger Theo Waigel (CSU) hinterlassen hatte, zu durchforsten und den Konsolidierungskurs zum Regierungsziel zu erklären. Die Botschaft haben selbst die Stammtische mittelständischer Unternehmer freudig aufgenommen. Eichel rettete auch den Ruf der Bundesregierung im Ausland, den sein direkter Vorgänger Oskar Lafontaine (SPD) durch linkes Getöse in den internationalen Finanzinstitutionen ramponiert hatte. Und er bescherte dem Kanzler die Steuerreform, die dieser mit Verve und etlichen Millionen Verschönerungsgeld für CDU-regierte Bundesländer zu einem seiner größten Triumphe gegen die Union verwandelte.

Ein Glücksfall für den Kanzler und seinen in Not geratenen Verteidigungsminister Rudolf Scharping ist Eichel auch in diesen Krisenzeiten. Wenige Tage nach den Angriffen hatte das Haus Eichel bereits einen Plan zur finanziellen Rettung der Situation parat. Am Sonntag den 16. September haben sich die Staatssekretäre und oberen Häupter aus dem Finanzministerium zu einer Klausurtagung an den Wannsee zurückgezogen. Das hätten sie auf jeden Fall getan, aber nachdem Deutschland schon durch die Nato-Entscheidung vier Tage zuvor zur Unterstützung verpflichtet war, wussten sie: das kostet Geld. Das sie zu dem Zeitpunkt nicht hatten.

Eichel hatte schon vorher genug eigene Sorgen um seinen Haushalt 2002. Denn bereits vor den Terroranschlägen war der Etat "knapp gestrickt", wie ein Haushälter der Regierungskoalition sagt. Hinzu kamen in den vergangenen Monaten die Risiken durch die nicht sinkenden, sondern steigenden Arbeitslosenzahlen. Dadurch steigen die osten für die Bundesanstalt für Arbeit, der Eichel eigentlich im kommenden Jahr erstmalig nichts überweisen wollte. Außerdem belastet das frühzeitige Wahlgeschenk von Kanzler Schröder - die Familienförderung samt Kindergeld - den Haushalt. Und nicht zu vergessen die Verschiebung der verlängerten Abschreibungsfristen. Mit dem Geld hatten Eichel und seine Strategen eigentlich auch schon im Etatentwurf gerechnet. Das alles wäre zusammengenommen aber nicht so schlimm gewesen, da Eichel die Kosten durch Rückzahlungen aus der EU-Kasse in Brüssel ausgleichen wollte. Die wären mit über vier Milliarden Mark zudem höher ausgefallen, als erwartet. Und auch aus Moskau fließt über eine Milliarde Mark an die Bundeskasse aus alten Schuldverpflichtungen. Mit dem Geld und einigem Hin- und Hergeschiebe in den sowieso noch anstehenden Haushaltsverhandlungen wäre der Etat gesichert gewesen und Eichel hätte bei der angepeilten Neuverschuldung von 43,7 Milliarden Mark bleiben können. Die Marge ist ihm nicht um ihrer selbst willen heilig, sondern weil Deutschland durch die Euro-Stabilitätskriterien und den EU-Vertrag von Maastricht dazu verpflichtet ist. Jeder Finanzjongleur im Finanzministerium trickst dennoch herum, stößt aber doch irgendwann an seine Grenzen.

Am 16. September mussten die in Klausur sitzenden Experten deswegen Geld für den eng geschnürten Haushalt beschaffen. Man verfiel auf die Tabak- und die Versicherungssteuer, die schon die Vorgängerregierung Kohl anläßlich des Golfkrieges erhöht hatte. "Es war das denkbar kleinste aller möglichen Übel", sagt ein Experte im Finanzministerium. "Eine lästige Sünde in der jetzigen Situation", nennt Oswald Metzger, Haushaltspolitiker der Grünen, die Steuererhöhung. Nicht schön, aber notwendig und allemal besser als weitere Schulden.

Am Montag, einen Tag später, erläuterte Eichel den Plan Kanzler Schröder, Kanzleramtsminister Steinmeier und den anderen Strategen im Kanzleramt. Sie waren angetan von der Idee. Eichel hatte ihnen einen Spielraum geschaffen, in dem sie ihre politisch nützlichen und öffentlichkeitswirksamen Ideen ausbreiten konnten. Das Volk war verunsichert und wollte Sicherheit, also musste die Regierung reagieren. Schröder wusste zwar nichts genaues zu dem Zeitpunkt, aber dass es Geld kosten wird, war klar.

In der Politik ist es wie im richtigen Leben: Eine Hand wäscht die andere. Und so revanchierte sich Schröder eine Woche später bei dem treuen Eichel. Er entschied nach tagelangem Streit zwischen Eichel und Verteidigungsminister Scharping um die 1,5 Milliarden Mark für die Bundeswehr, dass das Geld im Einzelplan 60 geparkt wird. Dort liegt auch die andere Hälfte der drei Milliarden Mark aus den Steuererhöhungen für das Innenministerium, das Auswärtige Amt, das Justiz-, Finanz- und Entwicklungshilfeministerium und die 400 Millionen Mark Reserve für unvorhersehbare Zwischenfälle. Scharping bekommt das Geld also nicht zur freien Verfügung in seinen Haushalt, sondern muss - wie alle anderen - einen gut begründeten Antrag bei Eichel stellen. Dann zahlt der aus.

Eichel bleibt so auch nach dem Notopfer der zuverlässige und zugeknöpfte Finanzminister, in dessen Händen der Haushalt ruht. Eichel der Konsolidierer bleibt nach außen eine Stütze der Schröder-Regierung, denn er wirkt auch mit der Steuererhöhung seriös.

Ulrike Fokken

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