zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Bundesregierung contra Mehdorn

Kabinett sieht Pläne als „strukturpolitisch nicht akzeptabel“ / Konzern und Hamburg geben aber nicht auf

Von

Berlin - Die Bundesregierung hat die geplante Verlagerung der Konzernzentrale der Bahn von Berlin nach Hamburg vorerst nicht gebilligt. Dies sei „aus strukturpolitischen Gründen nicht akzeptabel“, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung (siehe nebenstehenden Artikel). Zwar bewertete die Regierung die geplanten Beteiligungen der Bahn in Hamburg positiv – sowohl unter betriebs- als auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten –, denn sie passten in die Zukunftsstrategie, den Konzern als Mobilitäts- und Logistik-Dienstleister zu stärken. Allerdings betreffe dies nicht den Umzug des Konzernsitzes, sagte Tiefensee.

Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die unternehmerischen Pläne der Bahn am Montag kurzfristig zum Kabinettsthema erhoben hatte, machte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nach dem Treffen deutlich, dass der Eigentümer Bund von der Bahn künftig eine erhöhte Sensibilität für strukturpolitische Fragen erwartet. Außerdem solle der Bund künftig stärker in die Entscheidungsfindung der Bahn AG einbezogen werden. Ob der Vorstandschef der Bahn, Hartmut Mehdorn, nach dem überraschenden Bekanntwerden der Hamburg-Pläne auch in Zukunft das volle Vertrauen der Bundesregierung besitzt, ließ Wilhelm am Dienstag ausdrücklich offen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zeigte sich erfreut über die Haltung der Regierung. Die IHK Berlin begrüßte sie ebenfalls. „Die Vernunft hat sich durchgesetzt“, hieß es. Aus Hamburg kam dagegen Kritik. Bürgermeister Ole von Beust verteidigte die Pläne als „betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich vernünftig“. Er wolle weiter bei der Bundesregierung dafür werben. Die Bahn kündigte die Fortsetzung der Gespräche an. Günter Elste, Chef der Hamburger Hochbahn, sagte dem Tagesspiegel, aus Sicht seines Unternehmens wäre eine Beteiligung der Bahn eine Stärkung – vorausgesetzt, die bisherige Unternehmensstrategie und -kultur blieben erhalten. Er würde es begrüßen, „wenn sich die Bahn tatsächlich beteiligen könnte“, sagte Elste. Die Verhandlungen würden aber vom Senat geführt.

Verkehrsminister Tiefensee kritisierte indirekt den Verhandlungsverlauf zwischen Mehdorn und dem Hamburger Senat. „Dem Vernehmen nach“, sagte Tiefensee, habe von Beust die Beteiligung der Bahn an den städtischen Unternehmen „mit der Forderung nach einem Umzug der Konzernzentrale von Berlin nach Hamburg verknüpft“. Dies lehne das Kabinett ab, weil – wie bei den Hauptsitzen von Telekom und Post AG – für solche Standortfragen „auch strukturpolitische Aspekte angemessen berücksichtigt“ werden müssten. Den Berliner Senat sah Tiefensee in der Pflicht, nach dem Auslaufen der Mietverträge der Bahnzentrale für das Hochhaus am Potsdamer Platz 2008/09 für eine angemessene Unterkunft des Konzerns zu sorgen. In Bahnkreisen hieß es zum angespannten Verhältnis zur Landesregierung: „Berlin muss etwas in sich gehen.“

Bei der Wahrnehmung seiner Eigentümerinteressen bei der Bahn ist der Bund offenbar im Moment personell behindert. Bedingt durch den Regierungswechsel stehen nach Angaben der Sprecher der beteiligten Bundesministerien zurzeit bei drei von vier Aufsichtsratsposten, die der Bund bei der Bahn besetzt, personelle Veränderungen an. Einzig der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Bernd Pfaffenbach, behält sein Aufsichtsratsmandat dauerhaft bei.

Der Bahn-Aufsichtsrat hat sich erstaunt über die Ablehnung der Umzugspläne durch die Regierung gezeigt. „Das ist eine faustdicke Überraschung“, erfuhr der Tagesspiegel aus Aufsichtsratskreisen. Ob Mehdorn das Vertrauen des Bundes als Eigentümer genieße, werde sich auf der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats zeigen, wenn auch die neuen Staatssekretäre ihre Arbeit in dem Aufsichtsgremium aufnehmen.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer, kritisierte Hamburgs Bürgermeister und den Bahnchef. „Weder von Beust noch Mehdorn sind gut beraten gewesen, so mit dem Konzern zu spielen“, sagte er dem Tagesspiegel. Sollte sich die Bahn an der Hafengesellschaft HHLA beteiligen, dann müsse die Neutralität gesichert werden. „Das ist ein sehr wichtiger Punkt“, sagte Beckmeyer. In Bahnkreisen hieß es, man sei sich des Problems bewusst.

Widerstand gegen die Umzugspläne kam nämlich auch aus den Bundesländern Bremen und Niedersachsen. Dort befürchten Wirtschaftsexperten, dass die Häfen in Bremerhaven, Emden und Wilhelmshaven zum Beispiel weniger Umsatz machen, wenn der Hamburger Hafen zusammen mit der Bahn AG im Seeverkehr dominiert.

Völlig ungeklärt sei bisher auch, so heißt es bei der Bahn, wie Mehdorn den Einstieg im Hamburger Hafen und bei der Hamburger Hochbahn finanzieren will. Der Preis dürfte zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro liegen. Die Bahn ist bereits jetzt unterkapitalisiert. So würde sich der Druck erhöhen, wie lange geplant an die Börse zu gehen, um das Eigenkapital erhöhen zu können.

Mehdorn wolle verhindern, dass der Erlös aus dem von ihm vorangetriebenen Börsengang in den Bundeshaushalt fließt. Einer hoch verschuldeten Bahn könne die Bundesregierung das Geld aus dem Börsengang nicht verweigern, argumentieren Bahnexperten. Denn der Bund selbst sei nicht in der Lage, das Stammkapital der Bahn zu erhöhen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false