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Wirtschaft: Caffè Latte für alle

Lange galt die Kaffee-Kette Starbucks als uneinholbarer Marktführer, doch jetzt greift Konkurrent Dunkin’ Donuts an

Von Deborah Ball

und Shirley Leung

Im „Latte-Land“ braut sich etwas zusammen. Jahrelang waren die Märkte und Produktlinien der amerikanischen Kaffeeketten klar definiert. An der Spitze stand Starbucks mit 5400 Lokalen in den USA. In den vergangenen zehn Jahren hat die Kette ihre teuren Cappuccinos, Frappuccinos, Espressos und Caffè Lattes Teil des amerikanischen Wortschatzes werden lassen.

Auf der anderen Seite gab es Dunkin’ Donuts mit 4100 Läden. Obwohl die Kette vor allem im Nordosten vertreten ist, soll sie mit einem Marktanteil von 17 Prozent der größte Verkäufer von einfachem Kaffee in den USA sein, gefolgt von McDonalds mit 15 Prozent und Starbucks mit sechs Prozent.

Doch jetzt verändert sich die Aufteilung des Marktes. Starbucks öffnet zunehmend Läden in Arbeitergegenden, wo normalerweise Dunkin’ Donuts dominiert. Im vergangenen Monat teilte das Unternehmen aus Seattle einen zehnprozentigen Verkaufsanstieg in den Läden mit, die vor mehr als einem Jahr eröffnet wurden, und zeigte sich überzeugt, dass dies der neuen Strategie zu verdanken sei. Starbucks Kaffee, erklärt Howard Schultz, Präsident und Gründer der Kette, sei ein „erschwinglicher Luxus“. Gleichzeitig versucht Dunkin’ Donuts, die betuchten Kunden von Starbucks mit einer neuen Auswahl italienischer Kaffees zu locken – und dabei besser, schneller und vor allem billiger als der Konkurrent zu sein.

„Espresso ist in Amerika zu einem Renner geworden“, sagt Jon L. Luther von Allied Dornecq, der britischen Mutter von Dunkin’ Donuts. „Und wer macht den Trend besser als Dunkin’ Donuts?“, fragt er. Die Werbung zeugt von der gleichen Idee. Auf einer Reklametafel steht: „Latte für alle – Tom, Dick und Lucciano.“ Seit September bietet Dunkin’ Donuts seine neuen Cappuccinos und Milchkaffees in den Neuenglandstaaten an und wird sie ab kommendem Monat auch in anderen Läden in den USA einführen. Bereits jetzt hat das Unternehmen neue Anhänger gefunden. Es hatte erwartet, dass der Verkauf von Espresso fünf bis zehn Prozent der Verkäufe ausmachen würde; in den Neuenglandstaaten bewegen sie sich bereits in diesem Bereich.

Die neuen Getränke kosten bei Dunkin’ Donuts im Durchschnitt 20 Prozent weniger als bei Starbucks – ein Espresso kostet 99 US-Cents (0,78 Euro), bei Starbucks 1,45 Dollar. Die Größen werden simpel mit „klein“ „mittel“ und „groß“ bezeichnet, im Gegensatz zu den Bezeichnungen „groß“, „riesig“ und „gigantisch“ bei Starbucks. Und Dunkin’ Donuts hat seine Mitarbeiter darauf gedrillt, sie schnell zu servieren. Das Unternehmen hat mit einem Schweizer Hersteller eine Maschine entwickelt, die richtigen Espresso und frische geschäumte Milch in weniger als einer Minute herstellt. „Ich kann einen einfachen Milchkaffee mit Karamelgeschmack bestellen und muss mich nicht mit diesem modischen Schnickschnack auseinander setzen“, sagt Kathleen Brown, eine 30-jährige Anwältin aus Boston, die sich früher bei Starbucks für vier Dollar einen Latte Macchiato Karamel gönnte, jetzt aber zu Dunkin’ Donuts gewechselt ist, wo er viel billiger ist.

Für einige Stammkunden von Dunkin’ Donuts ist die neue Kultur aber ein bisschen zu viel. Pat Kelly, ein 26-jähriger Polizist aus Boston, der täglich Kaffee bei Dunkin’ Donuts trinkt, weigert sich, die neuen Produkte zu versuchen, und würde nie zu Starbucks gehen. „Ich bin kein Milchkaffee-Mann“, sagt Herr Kelly. „Das sind Yuppie-Getränke.“

„Ich bin mir sicher, dass es viele Menschen gibt, denen es peinlich wäre, einen Milchkaffee zu bestellen“, räumt Luther von Allied Dornecq ein. „Aber Espresso ist zum Modegetränk geworden, und es wäre unverantwortlich von uns, das zu ignorieren.“ Bislang macht Schultz von Starbucks das Beste aus diesem neuen Wettbewerb. Er sagt, er fühle sich nicht genötigt, die berüchtigt hohen Preise der Kette zu senken. „Wenn Dunkin’ Donuts Millionen Dollar ausgibt, um Werbung für Kaffe und Espresso zu machen, dann profitieren wir davon“, sagt er.

Auf der anderen Seite dringt Starbucks, wo der billigste Kaffee für 1,50 Dollar zu haben ist, in traditionelles Dunkin’ Donuts-Territorium vor. Schultz sagt, die Idee, dass Starbucks alle Einkommensschichten ansprechen könnte, sei ihm vor einigen Jahren auf einer Reise nach Chicago gekommen. Im dortigen Starbucks-Laden habe er Chauffeure gesehen, die für ihre Fahrgäste Kaffee holten.

1998 hat Starbucks angefangen, Läden in ärmeren Gemeinden zu eröffnen. Das Unternehmen hat sich mit dem früheren Basketballstar Magic Johnson zusammengetan, um Läden hauptsächlich in schwarzen und lateinamerikanischen Gemeinden zu eröffnen. Die Johnson Development Corporation hat bis heute 57 Starbucks-Filialen eröffnet von Harlem und Staten Island in New York bis Inglewood in Kalifornien und plant, in den kommenden Jahren weitere 68 zu eröffnen.

Die Verkaufszahlen in den Johnson-Stores sind ein Spiegelbild der Verkaufszahlen in Nordamerika, wo im Januar ein Anstieg um zwölf Prozent verbucht wurde. Der Preis scheint kein Thema zu sein. Letzte Woche blätterte José Bahena, ein 20-jähriger Vorarbeiter aus Chicago, 4,02 Dollar für einen mittleren Frappuccino hin. Bahena, der, wie er sagt, im Jahr 20000 Dollar verdient, geht viermal in der Woche zu Starbucks. „Für etwas Gutes muss man eben bezahlen“, sagt er.

Übersetzt und gekürzt von Christian Frobenius (Dollar), Matthias Petermann (Lebensmittel), Tina Specht (Schröder), Svenja Weidenfeld (Kaffee) und Karen Wientgen (Vogelgrippe).

Deborah Ball, Shirley Leung

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