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Wirtschaft: Chemieaktien: Die Börse bevorzugt die Spezialchemie

Für die seit mehreren Wochen im Aufwärtstrend liegenden Chemieaktien gab es an den internationalen Börsen zuletzt einen Dämpfer: Die Aktienkurse führender Konzerne wie BASF, Bayer, DSM oder Clariant gerieten ins Minus. Schuld daran war nach Angaben von Händlern nicht nur das schwache Marktumfeld.

Für die seit mehreren Wochen im Aufwärtstrend liegenden Chemieaktien gab es an den internationalen Börsen zuletzt einen Dämpfer: Die Aktienkurse führender Konzerne wie BASF, Bayer, DSM oder Clariant gerieten ins Minus. Schuld daran war nach Angaben von Händlern nicht nur das schwache Marktumfeld. Vielmehr wächst die Skepsis der Anleger gegenüber den Chancen der Chemiebranche. Dies belegen die neuesten Einschätzungen von Chemieanalysten: Die Investmentbank JP Morgan hat die Aktien von vier US-amerikanischen Chemiekonzernen herunter gestuft. BNP Paribas bewertet den Sektor mit "neutral", die Credit Suisse First Boston (CSFB) rät zum "Untergewichten" der Branche. Die meisten Analysten erwarten, dass sich Chemieaktien im Jahr 2001 nicht besser als der Gesamtmarkt entwickeln werden.

In den zurückliegenden Wochen gehörten die Titel dagegen zu den Aktien mit überdurchschnittlichen Kursgewinnen. Das lag nach Ansicht von WGZ-Bank-Analyst Andreas Theisen vor allem an der Wiederentdeckung der "Old-Economy-Titel" nach der Flucht der Anleger aus den Technologie- und Medienwerten. Zudem habe der Markt den gesunkenen Ölpreis positiv aufgenommen. Mit der guten Kursentwicklung hätten die Chemieaktien ihre vorherige Unterbewertung zum Großteil wieder abgebaut.

Wegen der möglicherweise anhaltenden Flucht aus Technologie-Werten sieht Theisen kurzfristig noch Potenzial nach oben für die Chemieaktien, doch rät er auf mittelfristige Sicht ebenso wie Analyst Christian Faitz von BNP Paribas zur Vorsicht. Grund dafür ist die Verschlechterung des weltweiten Konjunkturumfeldes. Von einem wirtschaftlichen Abschwung ist die Chemieindustrie neben der Stahlbranche als erstes betroffen. Vor allem ein größerer Rückgang in der US-Wirtschaft würde die exportorientierten deutschen Chemiekonzerne schwächen. Eine weiterer Belastung für die Konzerne wäre eine weitere Erstarkung des Euros gegenüber dem Dollar.

Die Gefahr schwächerer Gewinne und schwächelnder Aktienkurse sehen die Analysten der CSFB und auch der Commerzbank vor allem bei den eher im Basisgeschäft (Commodity) tätigen Unternehmen wie BASF, der niederländischen DSM und der belgischen Solvay. Unter den Commodity-orientierten Herstellern geben die Analysten der CSFB der Aktie der Celanese AG noch gute Kurschancen, weil sie weiterhin stark unterbewertet sei. Bei der BASF-Aktie sehen die Analysten derzeit kaum noch Potenzial nach oben.

Der zweitgrößte niederländische Chemiekonzern DSM drängt mit aller Macht in das Spezialchemiegeschäft und will seine Ertragslage dadurch robuster gegenüber konjunkturellen Einflüssen machen. Bis zum Jahr 2005 soll die Petrochemie-Sparte des Unternehmens vom Konzern abgetrennt und als Joint Venture mit einem Partner betrieben werden. Im Gegenzug hat DSM bereits das lukrative Feinchemiegeschäft ausgebaut. Gute Kurschancen sieht die WGZ-Bank, denn mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 6,3 werde DSM noch als ein reines Commodity-Unternehmen bewertet. Auf kurze Sicht belaste den niederländischen Konzern hingegen das - bedingt durch den Kapazitätsausbau - weiterhin schwierige Petrochemieumfeld. Die CSFB rät aus diesem Grund derzeit nicht zum Kauf.

Die Aktie des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer gehörte in den vergangenen Monaten zu den Titeln mit den größten Kurszuwächsen im Dax. Die WGZ-Bank erwartet nicht, dass die Bayer-Aktie nach diesem Zuwachs den Gesamtmarkt auch weiterhin schlagen wird und hat sie auf "Marketperformer" zurückgestuft. Die Aktie weckt jedoch noch Kursphantasie, weil Bayer vom Finanzmarkt weiterhin zur Aufspaltung in einer reines Pharma- und ein Chemieunternehmen gedrängt wird. Analysten erwarten, dass Bayer mit einer Aufspaltung versteckte Unternehmenswerte freisetzen könnte und die Aktie dadurch einen Sprung nach oben machen würde.

Für Chemiewerte wird es entscheidend sein, auf welchem Niveau sich die Weltwirtschaft in diesem Jahr einpendeln wird. In dieser Unsicherheit geben die meisten Analysten den Spezialchemieherstellern noch die besten Chancen, die nach Einschätzung der CSFB ab der zweiten Jahreshälfte gute und konstante Erträge einfahren dürften. Sie würden auch am stärksten von einer weiteren Erholung des Ölpreises profitieren. Die CSFB empfiehlt hier die französische Rhodia, die Schweizer Clariant und die britische ICI. Bei der WGZ-Bank steht Degussa-Hüls auf der Empfehlungsliste.

Der Henkel-Konzern konzentriert sich auf das Konsumgütergeschäft mit Waschmitteln und Pflegeprodukten und will sich von seiner Spezialchemie-Tochter Cognis trennen. Diese Strategie und die Expansionspläne im Kosmetikgeschäft schätzen Analysten positiv ein. Für Christian Faitz von der BNP ist Henkel einer der Top-Favoriten unter den Chemieaktien: Der Titel sei deutlich unterbewertet im Vergleich zu Konkurrenten wie etwa der Wella AG. Auch bei der WGZ-Bank ist die Henkel-Aktie auf der Liste der Kaufempfehlungen. Hinderlich für die Aktienentwicklung ist jedoch die Verzögerung beim Verkauf von Cognis. Offenbar findet Henkel keinen geeigneten Käufer, weswegen mehrere andere Analysten die Aktie nur auf "Neutral" oder "Halten" einstufen.

bef

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