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Gut informiert. Bei GWM weiß die Führung eine ganze Menge über die Produkte der Konkurrenz.

© AFP

Industriespionage: Chinesen spähen deutsche Autobauer aus

Great Wall Motors ist an Baupläne von BMW und VW gelangt. Sie kommen offenbar aus einem französischen Unternehmen - bei dem die Deutschen selbst die Konkurrenz auseinandernehmen lassen.

Frankfurt am Main - Für westliche Autobauer sind die Spione aus China ein lästiges Übel. Auf nahezu jeder Messe dringen sie mit ihren Kameras bis in die hintersten Winkel der neusten Modelle vor. So wird es auch ab kommenden Montag auf der Motorshow in Detroit sein, der größten Automesse in Nordamerika. Die Fotosafari durch die Angebotspalette der Konkurrenz kann sich zumindest ein Unternehmen aus China sparen. Der Hersteller Great Wall Motors (GWM) bekommt die Bilder von der Messe frei Haus geliefert. Und nicht nur das: Der Autohersteller hat nach „Handelsblatt“-Informationen auch Zugriff auf Baupläne und Lieferantenlisten.

Ihren Ursprung hat diese Quelle in einem Bauernhof nahe der französischen Kleinstadt Hary. Dort residiert die Firma A2Mac1. Das Unternehmen nimmt die neusten Fahrzeuge von Daimler, BMW, Volkswagen und anderen Produzenten komplett auseinander und speist die Einzelteile in eine Datenbank ein. Dabei wird genau festgehalten, welcher Zulieferer die Teile produziert hat, wie sie im Auto verbaut und wie ihre Eigenschaften sind. Was da in der Provinz geschieht, ist nicht illegal. A2Mac1 arbeitet vielmehr im Auftrag deutscher und französischer Autokonzerne. Denn die wollen nur zu gern wissen, wie die Modelle der Konkurrenz gebaut sind. Damit nicht jedes Unternehmen für sich die Fahrzeuge der Wettbewerber auseinandernehmen muss, greifen die Autobauer seit Ende der 90er-Jahre zunehmend auf die Dienste von A2Mac1 zurück. Zu den Kunden zählen laut eigenen Angaben mehr als 50 Autobauer und Zulieferer, darunter BMW, Daimler und Johnson Control.

Mit GWM hat sich auch mindestens ein Fahrzeugbauer aus China Zugriff auf die Daten verschafft. Das geht aus internen Unterlagen der Firma hervor, die dem „Handelsblatt“ vorliegen. In den Papieren finden sich Datensätze aus dem Bestand von A2Mac1 etwa zum VW CC und zum 5er BMW. Eigentlich dürften die Chinesen diese nicht haben. „Wir haben in den Verträgen mit A2Mac1 eine Weitergabe von Daten an Wettbewerber aus China ausgeschlossen“, sagen Vertreter deutscher Autokonzerne. Offiziell wollen sich die Unternehmen nicht dazu äußern.

Wie GWM Zugriff auf diese sensiblen Informationen erhalten hat, darüber schweigt A2Mac1. Es gibt zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte A2Mac1 die Daten einfach an GWM verkauft haben. Zum anderen könnten sich die Chinesen illegal Zugang zu den Informationen beschafft haben. Fakt ist, das Wissen der westlichen Konzerne ist unerlaubt in Fernost angekommen. In einem Interview mit dem Fachmagazin „Automobil- Produktion“ aus dem Jahr 2006 hatte A2Mac1-Gründer Pierre-Yves Mouliere noch eine Weitergabe von Daten an die Chinesen ausgeschlossen. Damit die Daten auch immer frisch sind, schickt A2Mac1Fotografen zu jeder größeren Automesse. Auch nach Detroit.

GWM zählt mit einem Jahresabsatz von 600 000 Fahrzeugen zu den führenden Anbietern aus China. Im Vergleich zu den Millionenabsätzen von Volkswagen oder BMW ist das Unternehmen damit jedoch ein Zwerg. Aber einer, der Großes vorhat: Gespeist mit Selbstvertrauen aus dem Erfolg auf dem Heimatmarkt strebt das Unternehmen nun ins Ausland. Bis zum Jahr 2015 will GWM den Export seiner Fahrzeuge auf 300 000 vervierfachen. Helfen soll dabei eine Produktion in Bulgarien, die das Unternehmen im Februar vergangenen Jahres eröffnet hatte. Die dort hergestellten Geländewagen sollen in Europa und Russland verkauft werden.

Martin Murphy

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