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Wirtschaft: Computern ohne Barriere

Der PC ist heute kaum mehr aus dem Alltag wegzudenken. Allerdings sind nur die wenigsten Standard-Rechner behindertengerecht eingerichtet. (27.07.2005, 13:56 Uhr)

Langenau - Dabei gelten allein in Deutschland mehr als sechs Millionen Menschen als schwerbehindert. Um nicht von der digitalen Welt ausgeschlossen zu werden, benötigen sie spezielle Technik. Inzwischen gibt es viele technische Hilfsmittel. Oft sind sie aber sehr teuer.

«Computer und Internet sind für Behinderte heute oft eine große Erleichterung - sie benötigen aber die passenden PC-Hilfen», sagt Wolfgang Baum, Vorstandsmitglied des Bundesfachverbandes Elektronische Hilfsmittel für Behinderte in Langenau (Baden-Württemberg). Mit technischen Hilfsmitteln könne ein Behinderter fast ebenso gut mit dem PC arbeiten wie jeder andere.

Auch privat spielten Computer und Internet für Behinderte oft eine große Rolle: Sie erhalten schneller Kontakt zu anderen Menschen und könnten leichter Dienstleistungen nutzen. «Der PC ist für viele das Tor zur Welt», sagt Baum.

«Die eigentliche Hürde ist meist der Zugang zum PC», erläutert Arvid Spiekermann aus Kiel. Er beschäftigt sich im Fachkreis Computer des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten mit Computer-Hilfen für Behinderte. Viele Behinderte bräuchten bei der PC-Steuerung Eingabe- oder Ausgabehilfen. Während spezielle Tastaturen oft nützlich für Körperbehinderte bei der Texteingabe am PC sind, können sich Blinde und Sehbehinderte Dokumente per Sprachausgabe vorlesen oder in Brailleschrift ausgeben lassen.

Laut Arvid Spiekermann gibt es für fast jede Form von Behinderung spezielle Hilfsmittel. Die Palette reicht vom einfachen Taster bis hin zur Augenkamera, die ein Blinzeln in einen Mausklick umwandelt. Auch Windows enthalte bereits einige Software-Hilfen: eine Bildschirmlupe oder eine Bildschirmtastatur zum Beispiel.

Bei der Auswahl des Hilfsmittels sei es für die meisten Kunden wichtig, dass die Geräte robust und leicht zu bedienen sind, so Branchenvertreter Baum. Aber auch das Äußere spielt zunehmend eine Rolle: Während Hardware für Behinderte früher oft klobig und kompliziert wirkte, finden Anwender heute auch kleinere und leichtere Geräte in schickerem Design.

Weil der Markt fast schon unüberschaubar ist, sollten sich Betroffene bei der Produktwahl auch von firmenunabhängigen Fachleuten beraten lassen, rät Ergotherapeut Spiekermann. Es ist ratsam, bei der Auswahl auf längerfristigen Unterstützung durch den Hersteller zu achten. Bei den meisten Produkten gebe es keine allgemeinen Standards oder Zertifikate, die die Qualität garantieren, so Spiekermann.

Wichtig ist es laut Spiekermann auch, die Produkte auszuprobieren. PC-Hilfen für Behinderte müssten individuell abgestimmt sein - die Anforderungen hier sind so unterschiedlich wie die Behinderungen. In der Praxis sei das nicht immer einfach: Eine Ausleihe zu Testzwecken müssten Anwender oft selber zahlen, so Spiekermann. Ohnehin sind viele Hilfsmittel für Behinderte teuer. Auf der Suche nach finanzieller Unterstützung müssen Anwender sich dabei oft durch die Bürokratie kämpfen, denn je nach persönlicher und beruflicher Situation können verschiedene Stellen zuständig sein.

Demnach ist die Kostenerstattung für PC-Hilfen am Arbeitsplatz meist kein Problem. Hierfür kommen der Arbeitgeber oder das Integrationsamt auf, sagt Gerhard Polzin vom Büro des Behinderten-Beauftragten der Bundesregierung in Berlin. Dies gelte aber nur für Schwerbehinderte oder Gleichgestellte mit einem Behinderungsgrad ab 30 Prozent, erklärt Christoph Gertzen, Leiter des Berliner Integrationsamtes.

Geht es um die private Nutzung, sei es dagegen schwieriger, die Kosten erstattet zu bekommen, so Polzin. Wenn ein Blinder beispielsweise ein Sprachausgabegerät haben will, müsse er gegenüber der Krankenkasse oder einem anderen Rehabilitationsträger eventuell nachweisen, dass das Hilfsmittel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendig ist.

Polzin empfiehlt Betroffenen daher, sich wegen der Kosten von den jeweiligen Behindertenverbänden rechtlich beraten zu lassen. Seit der Einführung des Sozialgesetzbuches IX gibt es zudem zentrale Servicestellen, die die Anträge von Behinderten trägerübergreifend bearbeiten sollen. Derzeit beschwerten sich aber viele Behinderte über die Beratung. Es brauche wohl noch etwas Zeit, bis die Bearbeitung dort reibungslos laufe, so Polzin.

Behinderte benötigen aber nicht nur spezielle Technik, um an der PC-Welt teilzunehmen. Auch die Internet-Inhalte müssten für alle zugänglich gestaltet werden, sagt Iris Cornelssen von der «Aktion Mensch» in Bonn, die Projekte zum Thema «Barrierefreies Internet» unterstützt. Wie ein Expertenkongress im Mai in Bitburg festgestellt hat, sind Behinderte häufig noch von der Internetnutzung ausgeschlossen: Die Seiten sind zu unübersichtlich und schwer zu lesen.

Internet: www.barrierefrei-kommunizieren.de (Von Tobias Schormann, dpa)

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