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Wirtschaft: Das ersparen wir uns jetzt mal lieber

Von Carsten Brönstrup Die Hoffnung starb um 14 Uhr 52. Als Oliver Kahn im WM-Endspiel von Yokohama der Ball aus den Händen und Ronaldo zum Torschuss vor die Füße glitschte, verloren Deutschlands Firmenbosse auch noch das letzte Fünkchen Zuversicht.

Von Carsten Brönstrup

Die Hoffnung starb um 14 Uhr 52. Als Oliver Kahn im WM-Endspiel von Yokohama der Ball aus den Händen und Ronaldo zum Torschuss vor die Füße glitschte, verloren Deutschlands Firmenbosse auch noch das letzte Fünkchen Zuversicht. Einen Weltmeister-Schub für die gebeutelte Wirtschaft hatten sie herbeigesehnt, „der Titel wäre positiv für Konsumverhalten und Stimmung“, hatte Arbeitgeber-Chef Dieter Hundt kurz zuvor gemunkelt. Umsonst – jubeln durften nur die Brasilianer. Dabei hätten die Deutschen nichts so dringend gebraucht wie einen Stimmungs-Kick. Denn eine Massen-Depression hat das Land erfasst und lähmt die Wirtschaft. Die Bürger halten das Geld zusammen wie nie zuvor: Landauf, landab brechen Geschäften und Kaufhäusern die Umsätze weg, stehen Hotels und Restaurants leer, stornieren Hausbesitzer in spe ihre Bauvorhaben. Noch nicht einmal von Sonderangeboten und hohen Preisnachlässen lassen sich die rabattversessenen Deutschen locken. Folge: Allein der Einzelhandel setzte bis Ende Mai etwa fünf Milliarden Euro weniger um als vor Jahresfrist. „Zum Glück laufen die Exporte besser“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. „Sonst würde die Rezession hier zu Lande fröhliche Urstände feiern.“

Die Krise hat die Deutschen übermannt. Sie mussten eine Menge einstecken in den vergangenen Monaten. Im Frühjahr 2001 kam die Rezession, im September folgten die Terroranschläge. Die Konjunkturprognosen wurden beinahe wöchentlich nach unten korrigiert. Gewinnwarnungen, Kursstürze, Entlassungswellen, Umsatzeinbrüche und Zehntausende Unternehmenspleiten bestimmen die Nachrichtenspalten der Zeitungen. Zum Jahreswechsel 2002 kam die Diskussion über den Euro-Teuro hinzu – Händler wie Gastronomen genehmigten sich mit der neuen europäischen Einheitswährung zum Teil dreiste Preiserhöhungen, die die Verbraucher weiter verunsicherten.

Schwacher Feelgood-Faktor

Und nun auch noch die Skandale um betrügerische Bilanzen an den Börsen, die Milliarden an Anlegerkapital vernichten. „Dieser Geleitzug schlechter Nachrichten überfordert die Menschen, besonders die empfindlichen Deutschen“, befindet der Wirtschaftspsychologe Günter Wiswede von der Universität Köln. „Sie haben das Gefühl, die Ereignisse nicht mehr kontrollieren zu können, mit jeder Katastrophe steigt die Angst und schwindet die Zukunftsperspektive“, sagt er. „Dieses Ohnmachtsgefühl lähmt zielgerichtete Kaufentscheidungen, deshalb trauen sich die Leute nicht, ihr Geld auszugeben.“

Und das, obwohl das Umfeld für die Verbraucher eigentlich so schlecht nicht ist: Der Teuro-Schock ebbt allmählich ab, die Preise sind so stabil wie seit drei Jahren nicht mehr, und nach den jüngsten Tarifrunden sind die Lohntüten der Arbeiter und Angestellten deutlich besser gefüllt. Doch gegen den Pessimismus und das Misstrauen ist kein Kraut gewachsen. Das schlägt direkt auf die Konjunktur durch, denn Wirtschaft ist „zu 50 Prozent Psychologie“, wie schon Ludwig Erhard wusste, der Vater des Wirtschaftswunders. Die Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) korrigierten deshalb vergangene Woche ihre Wachstumsprognose für dieses und das kommende Jahr vorsorglich nach unten.

Doch können es die Deutschen schaffen, den lähmenden Schwermut abzuschütteln? „Wir brauchen einen höheren Feelgood-Faktor“, diagnostiziert Ulrich Kater, Volkswirtschafts-Experte bei der DGZ Deka Bank. Bessere Meldungen aus den Unternehmen und steigende Börsenindizes allein werden aber dafür nicht reichen. „Die neue Bundesregierung muss das Steuer nach der Wahl herumreißen“, empfiehlt Kater, „das geht nur mit mutigen Reformen nach der Wahl.“ Das Problem, so Kater, ist die generelle Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft seit langem – „Impulse sind in den vergangenen zehn Jahren stets vom Ausland gekommen“, findet er. Für ein stabileres Wachstum müsse die Arbeitslosigkeit massiv sinken. Kater: „Wenn vier Millionen Menschen mehr Geld in der Tasche haben und einkaufen, wird niemand mehr über eine Konsumschwäche klagen.“

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