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Auf den deutschen Geflügelhöfen beginnt das Weihnachtsgeschäft bereits im Herbst.

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Das Geschäft mit der Weihnachtsgans: Gans schön beliebt

Trotz aller Diskussionen ums Fleisch: Für viele muss es Weihnachten einfach Gans geben. Das Angebot ist groß. Ob Discounter oder Biohof: Alle wollen an der Gans verdienen.

Vor ein paar Wochen hat er seine Liste ausgelegt: Flugenten, zwölf Euro das Kilo. Gänse, 13 Euro. Puten, zehn. Die Bestellungen mussten schon abgegeben werden, verkauft wird das Schlachtgeflügel in zwei Wochen. Dann ist Samstag. Abholtag. Uwe Saballus verkauft dann keine lebenden Tiere. Keine Hühner, Broiler, keine gelben, flauschigen Küken, die sich die Kinder so gern anschauen. An dem Tag geht es auf seinem Hof im Bunzelweg nur um eins: totes, tiefgefrorenes Fleisch.

Das Jahr von Uwe Saballus ist zweigeteilt: Von März bis Oktober verkauft der 54-Jährige Legehennen und Perlhühner, mistet die Ställe aus, füttert, sortiert die gelegten Eier. Im Herbst beginnt das Weihnachtsgeschäft. 150 Tiere haben seine Kunden bereits bestellt. Vor allem Gänse. Ein Fünf–Kilo-Tier kostet auf dem Geflügelhof in Schöneiche 65 Euro. „Damit liegen wir im Mittelfeld“, sagt Saballus.

Die Preise für die Weihnachtsgans gehen auseinander

Ob beim Bauern, Metzger oder im Supermarkt, die Preise für die Weihnachtsgans gehen ziemlich weit auseinander: Bei einem Discounter wie Netto kostet die Hafermastgans, bratfertig, mit Innereien, 15,99 Euro. Bio Company nimmt für eine große Gans, im Stück, 4,5 bis 5,5 Kilo schwer, 19,90 Euro – allerdings pro Kilo. In der Gourmetabteilung des KaDeWe gibt es die Schönmoorer Weidegans, garantiert Freilandhaltung, für 139 Euro.

Gerade einmal sechs Prozent der Deutschen würden an Weihnachten aufs Fleisch verzichten wollen.
Gerade einmal sechs Prozent der Deutschen würden an Weihnachten aufs Fleisch verzichten wollen.

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Mehr als hundert Euro für ein Abendessen, sei es auch ein Festessen – ist es das denn wert? „Klar. Ich möchte an Weihnachten eine Gans, die auf der Weide gelebt und mit gutem Futter ernährt wurde – kein gemästetes Tier von weiß Gott woher“, sagt ein Kunde. „Das ist dann auch ein Geschenk an meine Familie.“

Ethische Gründe sind das eine, sagt Saballus. Das andere sei der Geschmack. Seine Tiere laufen draußen herum, atmen frische Luft, bewegen sich. „Das gibt ein ganz anderes Muskelfleisch.“ Aromatisch, saftig, zart. Mit nicht zu viel, nicht zu wenig Fett. Außerdem achtet der Hofbesitzer darauf, dass sein Geflügel entspannt lebt. Und entspannt stirbt. „Ist ein Tier vor der Schlachtung gestresst, merkt man das später beim Fleisch.“

Wie die Tiere geschlachtet werden

Auf dem Geflügelhof Saballus wird nicht selbst geschlachtet. Das möchten die Besitzer nicht. Das Prozedere sähe sonst so aus: Die Gans wird mit einem festen Schlag auf den Kopf betäubt. Dann schneidet der Schlachter unterhalb der Schädeldecke am Hinterkopf den Hals ein, damit die Gans ausblutet, das passiert meist nach ein, zwei Minuten. Es folgt der langwierigste Part: das Rupfen der Federn. Damit sie sich besser von der Haut lösen, werden die Federn mit heißem Dampf besprüht. Pro Gans fallen so etwa 200 Gramm verwertbare Federn und Daunen ab. Am Ende werden die letzten Reste mit einem Gasbrenner entfernt. Der Schlachter schneidet Kopf und Füße ab, nimmt die Organe raus, reinigt das leere Innere. Und fertig. Die Gans kann verkauft werden.

Bei der Geflügelschlachtung hat der Umsatz in den letzten Jahren stetig zugenommen. Von 4,2 Milliarden Euro im Jahr 2010 kletterte er 2015 bislang auf fünf Milliarden Euro, heißt es auf der Statistikseite Statista. Für 2020 wird er auf 5,3 Milliarden Euro geschätzt. Zum Fleischverzehr sagt der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF): Jeder Deutsche hat im vergangenen Jahr 60,3 Kilogramm Fleisch gegessen. Mit einem Pro-Kopf-Verzehr von 11,5 Kilo nahm Geflügelfleisch den zweiten Platz ein. Nach Schweinefleisch. Vor Rindfleisch.

Warum es nun auch im Discounter Delikatessen gibt

Auch wenn der teure Weihnachtsbraten wohl eher auf dem Bio-Hof oder im Luxus-Kaufhaus geholt wird, setzen Discounter im letzten Monat des Jahres ebenfalls auf Delikatessen. Geschmorte Lammkeule von Lidl, Champagner und Hirschsteaks von Aldi, das teure Sortiment wird ausgebaut. „Rund 50 Prozent des Umsatzes mit Premium-Handelsmarken wird in den Wochen vor Ostern und Weihnachten gemacht“, sagt Fred Hogen vom Marktforschungsunternehmen Nielsen.

Neben den Erträgen geht es den Discountern auch um die Imagepflege. Die Idee „gut und billig“ spricht längst nicht mehr jeden an. Produkte aus der Region, Fairtrade-Angebote, Bio-Siegel werden beliebter. Ein Grund sind die Fleischskandale der letzten Jahre. Rinderwahnsinn, Pferdelasagne, zuletzt die Warnungen vor krebserregendem roten Fleisch – Kunden achten mehr und mehr darauf, was sie essen. Und wegen der guten Konjunkturlage zeitgleich weniger aufs Geld.

Die wenigsten Deutschen verzichten an Weihnachten auf Fleisch

Im letzten Jahr sagten nur sechs Prozent der Deutschen, dass sie an Heiligabend auf Fleisch verzichten würden. Jeder zehnte würde traditionell Fisch, Fondue oder Rind essen. Ein paar weniger Wild, ein paar mehr Schwein und Raclette. Für Geflügel, ob nun Gans oder Ente, entschieden sich 27 Prozent der Deutschen. Nur Würstchen und Kartoffelsalat wählte mehr als jeder Dritte. An sich ein unfestliches Essen. Doch es gibt an dem Tag noch so viel zu tun. Den Baum schmücken, das letzte Geschenk einpacken, die Verwandten vom Bahnhof holen, Streit vermeiden. Und dann folgt ja noch die Völlerei an den beiden Weihnachtstagen.

Zurück zum Geflügelhof Saballus. Ihn gibt es jetzt seit den 70er Jahren. Schon zu DDR-Zeiten existierte er. Der Schwiegervater von Uwe Saballus war damals Lehrausbilder für Geflügel in der Schöneicher LPG. Deswegen durften sie ein paar Tiere halten. Nach der Wende meldeten sie den Geflügelhandel dann als Gewerbe an. Das Geschäft läuft ganz gut. Die Besitzer sind zufrieden. Seine Lieblinge, sagt Uwe Saballus, sind die beiden Pfauen. Schön sehen sie aus. Erhaben. Heute, vor 500 Jahren, wären sie noch das Festessen gewesen.

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