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Interview mit Holger Hatje: „Das ist ein Preiskrieg“

Der Chef der Berliner Volksbank, Holger Hatje, im Tagesspiegel-Gespräch über den Kampf um die Privatkunden und die Folgen der Finanzkrise.

Herr Hatje, 2007 ist das Jahr der Finanzkrise. Hat auch die Berliner Volksbank darunter zu leiden?

Nicht zu leiden, aber was in der Bankenwelt geschieht, betrifft alle, also auch uns. Wir sind nicht im amerikanischen Hypothekenmarkt engagiert. Aber wir haben, wie alle anderen auch, natürlich Wertpapiere, die nun von Bewertungsschwankungen betroffen sind. Das ist aber alles überschaubar.

Wie viel wird Sie das kosten?

Das kann heute niemand genau sagen, aber die Gewinn- und Verlustrechnung wird höchstens mit einem mittleren einstelligen Millionenbetrag belastet. Diese Wertänderungen sind nur vorübergehend, bei Fälligkeit der Anleihen bekommen wir 100 Prozent zurück.

Wie lange wird sich die Krise hinziehen?

Das wahre Ausmaß werden wir wahrscheinlich erst dann sehen, wenn alle Jahresabschlüsse der Banken vorliegen, also im Frühjahr. Wir haben noch immer eine Vertrauenskrise zwischen den Banken. Das ist keine erfreuliche Situation. Aber die Banken, die versucht haben, ihr Risiko breit zu streuen, und nicht angefangen haben, Kapitalanlagen aus Krediten zu finanzieren, die werden die Gewinner sein.

Auch die Berliner Volksbank?

Ja, denn wir sind vorsichtige Banker. Wir haben in den vergangenen Monaten immer wieder Anrufe von Banken aus London bekommen, die mit uns Geschäfte machen wollen. Das liegt daran, dass wir in der komfortablen Situation sind, einen Liquiditätsüberhang zu haben. Wir verfügen also über mehr Geld, als wir Kredite vergeben haben. Das ist immer gut und beruhigend für unsere Kunden.

Wird die Kreditvergabe der Banken unter der Krise leiden?

Bei den Banken, die Liquiditätsbedarf haben, wird die Kreditvergabe leiden. Das merkt man schon jetzt. Wir haben in den vergangenen Monaten viele neue Anfragen von neuen Kunden. Auch die Margen haben sich erfreulicherweise wieder etwas verbessert. Wir verdienen wieder mehr an den Krediten, die Risiken werden wieder reeller bepreist.

Um die Berliner Privatkunden herrschte schon 2006 ein besonders harter Wettbewerb. Hat sich das im laufenden Jahr noch mal verschärft?

Man kann im Privatkundengeschäft eigentlich nicht mehr von einem Preiskampf reden. Das ist schon Preiskrieg. Das haben wir auch gespürt. Unsere Ertragswünsche, die wir Anfang 2007 für das Privatkundengeschäft hatten, haben sich angesichts des Margendrucks nicht alle erfüllt. Ich denke, das gilt für alle.

Hatten Sie mit Ihrem kostenlosen Girokonto Erfolg, das Sie im Frühjahr eingeführt haben?

Unsere Strategie, Neukunden zu gewinnen, ist voll aufgegangen. Wir haben bis dato mehr als 41 000 neue Kunden im laufenden Jahr. Damit sind wir sehr zufrieden. Auch wenn wir rund fünf Millionen Euro an die Kunden durch das kostenlose Girokonto zurückgegeben haben.

Sie hatten Anfang des Jahres angekündigt, 20 neue Filialen bis 2008 zu eröffnen. Wie viele sind es bis jetzt geworden?

Wir haben gerade die 19. eröffnet. Im nächsten Jahr kommen noch mal fünf in Berlin und zwei im Umland hinzu. Dann sind wir durch. Wir haben unsere Expansionsstrategie abgeschlossen. Unsere weißen Flecken sind von der Landkarte verschwunden.

Haben Sie dabei auch Marktanteile bei den Kunden gewonnen?

Ja, wir sind 2006 mit elf Prozent Marktanteil gestartet und werden im kommenden Jahr 13 Prozent erreichen. Aber das ist ein arbeitsreiches Geschäft.

Und ein teures.

Ja und nein. Die neuen Filialen laufen sehr gut und liegen im Durchschnitt über Plan. Der Wettbewerb um die Bestandskunden ist ebenfalls hart. Die sehen die Lockkonditionen im Preiskampf um Neukunden und sagen, die hätte ich auch gerne. Auch wenn dies oft mit einschränkenden Nebenbedingungen verknüpft ist.

Werden Sie die angepeilten 15 Prozent Marktanteil bis 2011 erreichen?

Da bin ich sehr zuversichtlich. Aber unser Schwerpunkt wird in den nächsten beiden Jahren das Mittelstandsgeschäft sein. Das ist auch in diesem Jahr schon so gut gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben.

Dort herrscht aber mittlerweile auch ein harter Kampf um die Kunden.

Aber anders. Im Mittelstandsgeschäft können wir eher unsere regionale Nähe und unsere Beratungsqualität ausspielen. Beim Privatkundengeschäft läuft dagegen fast alles über den Preis.

Können Sie mit den Erträgen im Mittelstandsgeschäft die Belastungen beim Privatkundengeschäft wettmachen?

Das Firmenkundengeschäft hat sich besser entwickelt als das Privatkundengeschäft, das auf der Ertragsseite nicht ganz an das Vorjahr herankommen wird. Wir spüren beim Mittelstandsgeschäft auch den konjunkturellen Rückenwind. Daneben haben wir die Kosten gut im Griff und eine niedrige Risikovorsorge.

Wird der Gewinn 2007 höher ausfallen als im vergangenen Jahr?

Ja. Das Betriebsergebnis nach Steuern wird besser sein als 2006. Wir denken darüber nach, dem Aufsichtsrat auch vorzuschlagen, die Ausschüttung an die Anteilseigner um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen.

Wie sieht Ihre Planung für 2008 aus?

Wir planen deutliche Ertragszuwächse im Firmenkundengeschäft und nur leicht ansteigende Erträge im Privatkundengeschäft. Der Preiskrieg wird hier anhalten. Wir müssen deshalb einen Schwerpunkt bei der Kostendisziplin setzen.

Heißt das auch weniger Mitarbeiter?

Im Filialgeschäft sicher nicht, im Gegenteil. Hier werden noch weitere Mitarbeiter benötigt. Aber nach wie vor läuft unser Programm, Mitarbeiter aus internen Bereichen für den Vertrieb zu schulen. Dort ist unser Bedarf an qualifizierten Beratern unverändert hoch. Generell müssen wir aber stärker auf die Kosten schauen.

Streben Sie Fusionen an?

Nein, dies ist für uns derzeit kein Thema. Sollten wir irgendwann jedoch aufgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen, sind wir natürlich auch für solche Fragen offen.

Die Berliner Wirtschaft hinkt beim Wachstum im bundesweiten Vergleich noch immer hinterher. Welche Perspektiven sehen Sie für die Stadt?

Ich glaube, dass Berlin eine Chance hat, schneller zu wachsen als der Bundesdurchschnitt und sich damit sukzessive nach vorne zu arbeiten. Aber es wird lange dauern, bis man hier den absoluten Rückstand aufgeholt hat. Das liegt vor allem daran, dass wir kein Industriestandort sind.

Sind Sie auch für den Immobilienmarkt optimistisch?

Auf dem Immobilienmarkt stellen wir zurzeit eine Beruhigung fest. Die ausländischen Investoren der ersten Stunde ziehen schon wieder weiter – auch weil sie teilweise nicht mehr so einfach Kredite bekommen wie früher. Aber wir sehen eine sehr stetige und nachhaltige Entwicklung im kleineren Bereich. Gerade die europäischen Investoren sind dabei, sehr langfristig in Berlin zu investieren.

Die Politik diskutiert derzeit eine Begrenzung von Managergehältern. Haben Sie Verständnis dafür?

Ich habe Verständnis für die Diskussion, weil die Zahlen manchmal echt zum Nachdenken anregen können. Man muss sich aber nach der Verhältnismäßigkeit fragen. Wir reden von drei oder vier Managern in Deutschland, die hier in der Öffentlichkeit in der Diskussion stehen. Dafür eine ganze Managergeneration unter Generalverdacht zu stellen, halte ich für überzogen.

Was kann man mit gesetzlichen Begrenzungen bewirken?

Da ich ein Freund von Selbstregulierung bin, halte ich nichts von einer gesetzlichen Anordnung. Außerdem habe ich auch viel mehr Vertrauen in die Aufsichtsräte, die wir in diesem Land haben. Da sind eine ganze Reihe gute dabei. Die Diskussion ist aber insofern hilfreich, als dass sie den Druck auf die Aufsichtsräte erhöht, noch besser aufzupassen.

Warum weist die Berliner Volksbank ihre Vorstandsbezüge nicht einzeln aus?

Wir weisen die Vorstandsbezüge in einer Summe im Geschäftsbericht aus. Teilen Sie das durch fünf und geben Sie dem Vorsitzenden ein bisschen mehr, dann haben Sie es.

Das Gespräch führte Stefan Kaiser.

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