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Wirtschaft: „Das KaDeWe wird international“

Thomas Middelhoff, Vorstandschef von Karstadt-Quelle, über Auslandspläne, Sanierungsfortschritte und Paul Kirchhof

Herr Middelhoff, es ist gerade mal ein Jahr her, dass Karstadt in der schwersten Krise seiner Geschichte steckte. Und jetzt planen Sie, neue Warenhäuser im Ausland zu eröffnen. Ist das nicht ein wenig schnell?

Natürlich müssen wir zuerst die Sanierung des Konzerns erfolgreich abschließen, das wird spätestens Ende 2006 sein. Wir haben das Sanierungstempo deutlich erhöht und zum Beispiel in den vergangenen Monaten über 20000 Mitarbeiter in andere, stabile Beschäftigungsverhältnisse überführt. Dafür brauchen andere Jahre. Jetzt, nach dem Verkauf der 74 kleinen Warenhäuser, müssen wir uns aber auch Gedanken über die Zukunft des Formats Warenhaus machen.

Und dazu gehört Expansion?

2007 können wir beginnen, unsere Weltstadthäuser wie das KaDeWe, das Alsterhaus in Hamburg oder den Oberpollinger in München zu internationalisieren.

Ein bisschen konkreter bitte.

Das KaDeWe ist eines der bestgeführten Warenhäuser der Welt, auch bezogen auf Umsatz pro Quadratmeter. Besser als Harrods, besser als die Galeries Lafayette. Vor einigen Wochen war ich bei meinem Freund Bernard Arnault, Chef des weltweit größten Luxuskonzerns LVMH, in Südfrankreich eingeladen. Der sagte mir, dass sein Louis-Vuitton-Laden mit den stärksten Umsätzen der im KaDeWe sei. Für unsere Weltstadthäuser sehe ich 15, maximal 20 internationale Standorte.

Also Paris, London, Moskau …

… New York, Dubai, Schanghai. Wir haben mit diesem Typ Weltstadthaus eine Kompetenz, die andere Einzelhändler nicht haben. Ein Kaufhaus mit fast 70000 Quadratmetern gibt es sonst kaum noch, schon gar nicht in dieser Qualität. Und mit diesem Konzept der Standardisierung und unserem Know-how können wir im internationalen Geschäft erfolgreich sein.

Karstadt besteht aber nicht nur aus Weltstadthäusern. Da gibt es noch 80 Filialen, die eher trutschig als Weltklasse sind.

Das ist so nicht richtig. Wir haben heute schon eine Vielzahl von Häusern, die sind alles andere als trutschig. Mein Sohn hat mich vorige Woche aus Konstanz angerufen und gesagt, er sei dort bei Karstadt gewesen und hätte es supergut gefunden. Könnte zwar noch ein bisschen renoviert werden, aber sonst so etwas von gut.

Ist Konstanz die einzige Filiale, die eine Renovierung vertragen könnte?

Wir haben Häuser, die sind Weltklasse. Wir haben darüber hinaus Häuser, in die haben wir viel Geld gesteckt wie etwa Potsdam oder Wiesbaden. Und wir haben noch ein paar Filialen, in die zu wenig investiert worden ist. Und darunter sind einige, die sich trotz eines schwierigen Umfelds sehr gut im Markt behaupten. Es ist, wie immer, auch eine Frage der Führung in unseren Häusern.

Nachholbedarf gibt es auch beim Service.

Der Service bei Karstadt ist schon viel besser geworden, aber auch da werden wir nachlegen. Die Kundenzufriedenheit liegt bereits bei 83 Prozent, wie unsere letzten Erhebungen gezeigt haben.

Was wollen sie besser machen?

Zum Beispiel wird das Verkaufspersonal in einem Karstadthaus künftig eindeutig erkennbar sein.

Sie wollen Ihren Mitarbeitern eine Uniform verpassen?

Keine Uniform, sondern modische Kleidung, die erkennbar das Verkaufspersonal betont. Wir wollen das bis Jahresende für jedes Haus umsetzen.

Das wird den Service verbessern?

Ein Mitarbeiter, der sich erst optisch verändert und der dann auch noch Verkaufsschulungen erhält – die werden wir nämlich wieder einführen –, der wird auch seine Verhaltensweisen verändern.

Vom deutschen Ladenschlussgesetz dürften Sie nicht allzu viel halten?

Händler brauchen ein Maximum an Flexibilität. Daher sollte Late-Night-Shopping an Werktagen immer möglich sein, und auch der Sonntag darf kein Tabu sein. In anderen entwickelten Volkswirtschaften, denen man auch unterstellen kann, dass Religion und Kirche eine Rolle spielen, ist das ein normaler Bestandteil des Dienstleistungsverständnisses.

Weg von Glaubensfragen, hin zu nüchternen Zahlen. Wie hat sich der Konzernumsatz im dritten Quartal entwickelt?

Quartalszahlen veröffentlichen wir jetzt nicht. Generell kann man aber sagen, dass wir im Warenhausbereich über Plan liegen und sich in den letzten Wochen die Umsätze deutlich positiv entwickelt haben. Auch unsere Bereiche Touristik, Dienstleistungen und Immobilien entwickeln sich positiv.

Wenn es Thomas Cook so gut geht, warum verkaufen Sie ihre Beteiligung dann nicht?

Auf keinen Fall, das Reisegeschäft gehört zu unserem Kerngeschäft. Den ThomasCook-Anteil werden wir nicht verkaufen. Im Gegenteil, wenn Kaufen angesagt ist, werden wir diejenigen sein, die zukaufen.

Braucht der Konzern zwei Universalversender wie Quelle und Neckermann?

Das ist nicht das Ergebnis eines professionell gemanagten Strategieprozesses für den Versandhandel, sondern das Ergebnis einer Fusion zwischen einem Versandhändler, also der Quelle AG, und einem stationären Handelsunternehmen, der Karstadt AG. Weil Neckermann damals schon zu Karstadt gehörte, gibt es nun zwei Universalversender im Konzern.

Und das muss so bleiben – auch wenn sich beide Marken Konkurrenz machen ?

Wir müssen das jetzt mit Sinn versehen, daran arbeitet seit einigen Monaten eine Task-Force. Beide Unternehmen werden künftig interne Verbundeffekte nutzen, etwa bei Verwaltung und Logistik. Was wir bereits gemacht haben, ist Ordnung in das bisherige Organisationsprinzip der Versandhandelssparte zu bringen.

Sie halten also an beiden Marken fest?

Ich sehe für beide Marken Potenzial. Unsere Aufgabe ist es jetzt, für jede Marke ein unverwechselbares Profil zu erarbeiten. Quelle hat eine sehr starke Stellung bei weißer Ware, ist mit seiner Marke Privileg dort Marktführer. Neckermann spricht vor allem ein jüngeres Publikum an und hat sich im Internetgeschäft eine ansehnliche Stellung erarbeitet.

Sie wollen im Versandhandel auch an die Kosten ran. Dazu sollen unter anderem weitere Stellen abgebaut werden. Wie viele?

Wir reden derzeit mit den Arbeitnehmervertretern und Verdi darüber, wie künftig Kosten eingespart werden können. Ich glaube, es spricht für die Qualität des partnerschaftlichen Verständnisses, dass die Öffentlichkeit davon nichts mitbekommt.

Das klingt harmonisch, dabei ist das Verhältnis zwischen Verdi und der KarstadtFührung nicht immer das beste gewesen.

Eine Krawallveranstaltung wie bei den Sanierungsgesprächen im Herbst letzten Jahres will keiner der Beteiligten dem Konzern und seinen Mitarbeitern zumuten.

Wären solche Verhandlungen leichter, wenn es keinen Flächentarifvertrag gäbe, sondern betriebliche Bündnisse, wie sie von Union und FDP propagiert werden?

Jedes Unternehmen muss seine ureigene Unternehmenskultur haben, die durchaus von einem partnerschaftlichen Gedanken zwischen Kapital und Arbeit geprägt sein sollte. Dafür bedarf es eigentlich keines Flächentarifvertrages. Betriebliche Bündnisse können eine interessante Alternative sein.

Die Union will die Mehrwertsteuer erhöhen, das dürfte Ihnen als Einzelhändler nicht so gut gefallen.

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Eine isolierte Ankündigung der Mehrwertsteuererhöhung ist nicht sehr hilfreich, weder aus volkswirtschaftlicher Sicht noch aus Sicht eines Unternehmens wie Karstadt-Quelle. Das würde natürlich erst einmal zur Kaufzurückhaltung bei den Kunden führen. Wenn eine solche Erhöhung mit einer Reform der Sozialsysteme verbunden wird, dann trifft das möglicherweise nach wie vor Karstadt-Quelle. Aber dann schlägt mein Herz eindeutig für die Reform.

Was halten Sie von Paul Kirchhofs Steuermodell?

Im Gegensatz zu vielen anderen halte ich es persönlich für praktikabel. Wenn es woanders möglich ist, warum dann nicht bei uns. Als deutscher Steuerbürger möchte ich verstehen, wie meine Steuererklärung funktioniert und wofür ich meine Steuern zahle. Und wenn die Nettosteuerbelastung durch die Verringerung von Schlupflöchern dazu führt, dass Spitzenverdiener in jedem Fall 25 Prozent Steuern zahlen, halte ich das für durchaus gerecht. Es ist für mich jedoch interessant zu beobachten, wie schnell und ohne ausreichende Sachkenntnisse in Deutschland attraktive Sachvorschläge zerredet werden.

Das Gespräch führten Dagmar Rosenfeld und Moritz Döbler.

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