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Wirtschaft: Das Sondergutachten landete in der Schublade

Bankgesellschaftstochter IBG entzog dem Prüfer den Auftrag

Berlin. Die langjährigen Wirtschaftsprüfer der Bankgesellschaft von der BDO Deutsche Warentreuhand reagierten ablehnend auf das kritische Sondergutachten des Hannoveraner Wirtschaftsprüfers Achim Walther. Über die negative Tendenz seiner Untersuchung berichtete er erstmals am 2. Juni den BDO-Wirtschaftsprüfern Jürgen Quehl (Berliner Niederlassungsleiter) und Stephan Busch. Knapp zehn Wochen später kam es am 2. Oktober in Nürnberg zur entscheidenden Abschlussbesprechung. Anwesend waren laut einem IBG-Schreiben: Vertreter der BDO (Jürgen Quehl), Christian Lauritzen für die IBG sowie weitere leitende IBG-Mitarbeiter. An den Gesprächsverlauf erinnert sich Walther genau: „Es hatte fast den Charakter einer Scheinbesprechung, deren Ergebnis schon feststand. Die personelle Besetzung war zweitklassig. Der Geschäftsführer Manfred Schoeps war nicht anwesend. Unter dem Vorsitz vom Dr. Lauritzen wurde mein Bericht abgelehnt. Ich sollte den Inhalt überarbeiten. Das habe ich verweigert." Umgehend zog die IBG-Geschäftsführung die Notbremse. Fünf Tage nach dem Nürnberger Treffen warf sie Walther vor, das Thema verfehlt zu haben. Sie entzog ihm den Auftrag ("Wir erlauben uns daher, Sie mit sofortiger Wirkung vom Prüfungsauftrag zu entbinden") und forderte ihn dringend auf, „keine weiteren Entwürfe des Prüfungsberichtsentwurfs zu verbreiten". Der Wirtschaftsprüfer erkennt den „außerordentlichen Schachzug“, der hinter dieser Entscheidung steckte: „Es lag kein offiziell abgenommener Bericht vor. Die Verantwortlichen konnten so tun, als habe es die ursprünglich vom damaligen Vorstandsmitglied der Bankgesellschaft Ulf-Wilhelm Decken veranlasste Sonderprüfung nie gegeben." Damit verschwand das unbequeme Prüfungsergebnis offenbar in der Schublade.

Die BDO Deutsche Warentreuhand berichtigte die Testate für 1995 und 1996 nicht, testierte den IBG-Jahresabschluss trotz aller eindeutigen Warnungen uneingeschränkt und ging auch in späteren Bestätigungsvermerken zu den Jahresabschlüssen nie auf die von Walther bloßgelegten Systemfehler ein. Die Folgen sind bekannt: Walthers Analysen bestätigen sich voll. Vor allem wegen der Mietgarantien und der Andienungsrechte für Anleger muss Berlin heute mit über 21 Milliarden Euro für die Bankgesellschaft bürgen.

Der Fall „Bankgesellschaft Berlin“ dürfte zu einem Lehrstück für die möglichen Folgen enger Beziehungen zwischen Prüfern und Geprüften werden. In der entscheidenden Entstehungsphase der Bankenkrise nahm ein Mann eine Schlüsselstellung bei der Prüfung des gesamten Bankgesellschafts-Konzerns ein: Der Chef des Berliner BDO-Büros, Jürgen Quehl. Er prüfte von 1990 bis 1996 die LBB, von 1994 bis 1996 außerdem die IBG sowie deren wichtigste Tochtergesellschaften. Und auch unter den Jahresabschlüssen des Gesamtkonzerns steht in den Jahren 1994 bis 1996 immer wieder: Quehl-Wirtschaftsprüfer.

Der BDO-Mann konnte sich auch kaum wirklich unabhängig fühlen. Als Niederlassungsleiter in Berlin hing sein Erfolg entscheidend davon ab, dass er die Bankgesellschaft und einzelne Konzerntöchter als Kunden halten konnte. Der Walther-Bericht von 1997 drohte einen Großteil seiner Arbeit zu entwerten. Wohl auch deshalb nahm Quehl an der Abschlussbesprechung zu der Sonderprüfung im Oktober teil, obwohl er bereits in den Ruhestand gegangen war. Eine warnende Testat-Einschränkung der BDO bei der IBG blieb erneut aus. 1997 ebenso wie in den Folgejahren. Noch 2001 verteidigten die BDO-Vorstände Holger Otte und Christian Dyckerhoff ihre Prüfer. Nun aber hat die Rechtsanwaltskanzlei Clifford, Chance, Pünder (sie soll für den neuen BGB-Vorstand mögliches Fehlverhalten früherer Manager aufklären) den Walther-Bericht wiederentdeckt. Für BDO Deutsche Warentreuhand, mit 1700 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 175 Millionen Euro, eine existenzielle Bedrohung. Denn nach Einschätzung von Rechtsexperten kann die Bankgesellschaft das Unternehmen auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen.

Olaf Jahn/Mathew Rose (HB)

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