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Wirtschaft: Defensive Branchen sind wieder gefragt

Im Falle eines länger andauernden Krieges bevorzugen Experten Konsum- und Pharmawerte

Frankfurt (Main) / Düsseldorf (qdt/som/HB). In der vergangenen Woche war es fast egal, auf welche Aktien man setzte. Alle Branchen legten zu. Doch die Rückschläge an den Börsen seit Montag zeigen, dass eine gezielte Auswahl nötig ist, um nach den Gewinnen in der Vorwoche nicht schnell wieder auf der Verliererstraße zu landen.

Eine Antwort auf die Frage, welche Branchen vom IrakKrieg profitieren, bietet die Aktienanalyse anhand des Betafaktors. Dieser Faktor beschreibt, wie stark eine Aktie im Gleichklang mit der Börse schwankt; ein Betafaktor von zum Beispiel 1,12 gibt an, dass einTitel um 1,12 mal stärker steigt, wenn der Markt zulegt, aber in Abschwungphasen auch um diesen Faktor fällt. Wie Volker Borghoff, Stratege bei HSBC Trinkaus&Burkhardt erklärt, haben Technologie- und Finanztitel sowie Automobilwerte in Deutschland Betafaktoren von größer eins, schwanken also stärker als der Markt.

Verschiedene Szenarien

Solange die Anleger Anzeichen dafür erhalten, dass der Krieg im Irak in kurzer Zeit beendet sein könnte, dürfte die Börse steigen, und diese Titel werden überdurchschnittlich zulegen. Commerzbank-Stratege Rolf Elgeti bekräftigt, er erwarte dann vor allem bei Finanzwerten und Technologieaktien Gewinne.

Tammo Greetfeld, Aktienstratege bei der Hypo-Vereinsbank, traut mittelfristig Aktien mit hohem Betafaktor – Technologie-, Versicherungs-, Automobil- und Bankwerte – Kursgewinne zu. Das begründet er vor allem mit dem makroökonomischen Umfeld bei dem Szenario eines kurzen Krieges, das er für wahrscheinlich hält. Ein kurzer Krieg bedeute nämlich einen niedrigen Ölpreis, einen festeren Dollar, höhere langfristige Zinsen – und davon würden die genannten Aktien profitieren.

Greetfeld weist darauf hin, dass in jüngster Zeit steigende Zinsen stets mit kletternden Aktienkursen einher gingen und dass die lange Zeit geltende Regel, wonach höhere Zinsen sinkende Aktienkurse bedingen, außer Kraft gesetzt sei.

Die Strategen bei Lehman Brothers haben für das Szenario eines raschen Kriegsendes eine „Friedensauswahl“ zusammengestellt. Dazu gehören Unternehmen, die vom steigenden Dollar und fallenden Ölpreisen profitieren – so wie es die Tendenz in der vergangenen Woche war. Profiteure dieser Entwicklung sind nach Auffassung von Lehman Brothers Aktien aus den Bereichen Technologie, Banken und Versicherungen.

Sobald aber – wie am Montag geschehen – Befürchtungen bei den Investoren an der Börse aufkommen, dass sich der Krieg länger hinzieht, werden diese Branchen hohe Verluste verzeichnen. Dann sind Segmente gefragt, die Lehman Brothers zur „Kriegs-Auswahl“ zählt: Konsum, Versorger, Pharma und Biotech. Aktienkurse dieser Kategorien klettern, wenn der Dollar schwächelt und die Ölpreise steigen.

Auch HSBC-Stratege Borghoff setzt auf defensive Branchen, darunter Pharma, Versorger, Konsumgüter und Telekomwerte. Gerade bei den Unternehmen der Telekommunikationsbranche würden beim Abbau der Verschuldung erste Erfolge erzielt. Zurückhaltend ist er dagegen bei den zyklischen Werten, unter anderem, weil er demnächst schwache Quartalszahlen bei diesen Unternehmen erwartet.

Stagnation erwartet

Überhaupt rechnet er mit einer längerfristigen konjunkturellen Stagnation, die seiner Meinung nach im schlimmsten Fall bis zu fünf Jahre dauern könnte. Zyklische Werte leiden unter einem Wirtschaftsabschwung am meisten. Borghoff meint, die defensiven Branchen würden unter dieser Konjunkturschwäche nicht so stark geschwächt; gerade die Pharmabranche verzeichne nach wie vor solides Wachstum. Dort ist Schering sein Favorit, bei Versorgern ist es RWE und bei Konsumgütern sind es Adidas und Puma.

Viele Investmenthäuser setzen auf das Szenario eines ungewissen Kriegsverlaufs – gepaart mit konjunkturellen Schwierigkeiten in Europa und den Vereinigten Staaten. Credit Suisse First Boston rät Anlegern, den in der vergangenen Woche gestiegenen Kursen nicht mehr hinterherzulaufen. Die Experten bei Pictet sind ebenfalls skeptisch – weniger aus dem Blickwinkel des Kriegsverlaufs, sondern mehr aus dem der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den wichtigen Märkten Japan, Europa und den USA.

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