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Wirtschaft: Der Aufschwung kann dauern

Das Wachstum ist stärker als erwartet und die Zahl der Abeitslosen könnte vor der nächsten Bundestagswahl bei drei Millionen liegen

Berlin - Wenn die Wirtschaftsforscher Recht behalten, dann kann sich Angela Merkel (CDU) schon mal auf ihre nächste Amtszeit als Bundeskanzlerin vorbereiten. Der Aufschwung, dessen Kraft die deutsche Wirtschaft seit dem vergangenen Jahr spürt, ist nämlich kräftiger als erwartet. „Ich sehe gute Chancen, dass der Aufschwung noch ein paar Jahre länger dauert“, sagte Hans Jäckel, Chefvolkswirt der DZ Bank, dem Tagesspiegel. „Bis 2010 könnten wir durchaus in einer Wachstumsphase drin sein“, meinte Udo Ludwig, Konjunkturchef am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Und die Dresdner Bank rechnet gar über die nächsten fünf Jahre mit einem jährlichen Wachstum von 2,25 Prozent. „Unter günstigeren Bedingungen sind auch 2,5 bis drei Prozent drin“, sagte Rolf Schneider, Leiter der Volkswirtschaftsabteilung .

Der Aufschwung allein macht zwar noch keine Kanzlerin, aber er könnte Merkel einen Titel bescheren, mit dem sich eine Wahl nur schwer verlieren lässt: Die Kanzlerin der Arbeitsplätze. Als sie im Herbst 2005 ihr Amt antrat, waren mehr als 4,5 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2009 dürfte es ganz anders aussehen: „Ich halte es durchaus für möglich, dass wir 2009 an die Drei-Millionen-Grenze kommen", sagte DZ-Bank- Ökonom Jäckel. Andere Forscher sind ähnlich optimistisch. „Wenn der Wachstumsprozess nicht gestört wird, kann der Arbeitsmarkt 2009 in Richtung drei Millionen laufen“, meint etwa Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Er hält es auch für möglich, dass Deutschland 2009 erstmals seit vierzig Jahren wieder einen ausgeglichen Staatshaushalt vorweisen kann.

Grund für den Optimismus der Forscher sind vor allem die Meldungen aus der vergangenen Woche: Am Mittwoch präsentierte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Ergebnisse einer Umfrage unter 25 000 Unternehmen. Sie zeichneten ein Stimmungsbild, das so positiv war, wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Bereits am Dienstag hatte das Statistische Bundesamt festgestellt, dass die Deutsche Wirtschaft 2006 stärker gewachsen war als bisher angenommen: um 2,7 statt 2,5 Prozent. Wenn das Amt am kommenden Donnerstag die Details der Zahlen vorstellt, ist eine weitere Überraschung möglich. Angesichts des gut gelaufen Arbeitsmarktes und der Steuereinnahmen sei es „nicht auszuschließen, dass wir in Wirklichkeit doch drei Prozent Wachstum hatten“, meint Dresdner-Bank-Mann Schneider. Das Wachstum aus dem vorigen Jahr bringt einen so genannten Überhang für das laufende Jahr. Hinzu kommt, dass der befürchtete Schock durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte zum 1. Januar wohl nur ein kleiner Schwindelanfall war.

Banken und Wirtschaftsforschungsinstitute, die noch vor wenigen Monaten mit einer deutlichen Wachstumsdelle 2007 gerechnet hatten, arbeiten nun daran, ihre Prognosen nach oben zu korrigieren. „Es spricht einiges dafür, dass wir bei unserer Prognose Ende April Richtung zwei Prozent gehen“, sagte IW–Direktor Hüther. Offiziell geht sein Institut derzeit noch von 1,5 Prozent aus - eine Schätzung aus dem Herbst 2006, die manchen damals noch als optimistisch erschien. Auch das IWH und die DZ-Bank wollen ihre Voraussagen für 2007 revidieren. „Wir sind gerade dabei, unsere Prognose von 1,7 auf 2,0 Prozent zu erhöhen“, sagte der DZ-Bank-Ökonom Jäckel. Neben dem Export, der die deutsche Wirtschaft derzeit trägt, werde sich der Konsum langsam erholen. Auch Schneider glaubt, dass die negativen Effekte der Mehrwertsteuererhöhung schon im zweiten Halbjahr vergessen sein könnten. „Dann wird die Binnenwirtschaft zum wichtigsten Standbein der Konjunktur werden", sagte er.

Doch es gibt auch Skeptiker unter den Forschern. Gustav Adolf Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, sieht in der Mehrwertsteuererhöhung und anderen Abgabenerhöhungen noch immer eine Gefahr für die Nachfrage. „Wenn der Konsum nicht anspringt, haben wir ein Problem“, sagte Horn. Anders als etwa IW–Direktor Hüther oder IWH-Ökonom Ludwig, die vor zu hohen Tarifabschlüssen warnen, sieht Horn hier eine Grundlage für künftiges Wachstum. Um 3,5 Prozent sollten die Tariflöhne 2007 im Durchschnitt steigen, fordert der gewerkschaftsnahe Ökonom. „Wenn es gelänge, dass wieder mehr Geld in die Taschen der Arbeitnehmer kommt, dann sähe es auch für die Konjunktur 2008 besser aus“, sagte Horn. „Dann hätte Frau Merkel ein Pfund, mit dem sie wuchern könnte.“

Stefan Kaiser

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