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Wirtschaft: Der Ausbildungspakt wackelt

Wenn die Firmen ihr Versprechen halten wollen, müssen sie kräftig nachlegen

Berlin Die Wirtschaft kämpft damit, auch in diesem Jahr die Zusagen aus dem Ausbildungspakt einzuhalten – auch wenn rund 6000 neue Betriebe gewonnen werden konnten, die erstmals Lehrlinge beschäftigen. „Im Vergleich zu 2004 müssen wir noch eine Schippe drauflegen“, sagt Günter Lambertz, der beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) für den Pakt mit der Regierung zuständig ist. Der Pakt sei in diesem Jahr „kein Selbstläufer“, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht besser geworden seien. Ein Sprecher des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) sagte, es werde „mindestens genauso schwierig“ wie letztes Jahr, die Vorgaben zu erfüllen. Auch in Berlin bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze hinter den Erwartungen zurück.

Im Ausbildungspakt hatte sich die Wirtschaft im letzten Jahr verpflichtet, drei Jahre lang jeweils 30000 neue Lehrstellen zu schaffen. Dafür verzichtete die Bundesregierung, eine Lehrstellenabgabe zu erheben. Der Pakt bedeutet nicht automatisch, dass unter dem Strich mehr betriebliche Ausbildungsplätze angeboten werden. Die Zahl der neuen Lehrstellen wird nicht mit denen verrechnet, die auf der anderen Seite verloren gehen.

In den ersten vier Monaten dieses Jahres konnten die Industrie- und Handelskammern nach DIHK-Angaben bereits 10 000 neue Ausbildungsplätze in den Betrieben akquirieren. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge bewege sich mit knapp 90 000 jedoch leicht unter Vorjahresniveau, sagt Lambertz. Die „große Unbekannte“ sei, wie viele Lehrstellen in diesem Jahr verloren gingen – durch Insolvenz oder schlechte Wirtschaftslage. Es gebe aber auch Erfolge, sagt Lambertz. So seien in diesem Jahr 6000 neue Betriebe gewonnen worden, die bisher nicht ausgebildet haben.

Dennoch bleibt die Lage schwierig – auch in Berlin. Eigentlich hatte die Berliner Wirtschaft versprochen, 2005 mehr Ausbildungsplätze anzubieten als im vergangenen Jahr. Doch schon jetzt zeichnet sich nach Schätzungen des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg ab, dass das Ziel nicht erreicht werden kann. Schon im April hatte die Zahl der in Berlin und Brandenburg angebotenen Stellen mit 14752 deutlich unterhalb des Vorjahreswertes von 17068 gelegen. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt. „Mir scheint, dass der Eifer der Unternehmen im Vergleich zum sehr erfreulichen vergangenen Jahr etwas nachgelassen hat“, sagt der stellvertretende DGB-Bezirksvorsitzende Bernd Rissmann. „Bisher sieht es eher nach Stillstand aus.“

Die Industrie- und Handelskammer möchte jedoch noch nicht von einer problematischen Situation auf dem Berliner Ausbildungsmarkt sprechen. „Wir sind noch am Anfang der Ausbildungsplatzakquirierung“, sagt IHK-Sprecher Holger Lunau. „Es ist noch viel zu früh, um irgendwelche Trends zu erkennen.“ Auch die Berliner Handwerkskammer sieht den Zug noch nicht abgefahren: „Bei uns beginnt die heiße Bewerbungsphase erst im Sommer und momentan sieht es noch recht gut aus“, sagt Geschäftsführer Ulrich Wiegand.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält die Lage auf dem Lehrstellenmarkt für angespannt. Von Oktober 2004 bis April 2005 seien den Arbeitsagenturen insgesamt 352200 Ausbildungsstellen gemeldet worden, neun Prozent weniger als im Vorjahr. Der Rückgang sei vor allem auf ein Minus bei den betrieblichen Lehrstellen zurückzuführen. Die Lücke zwischen unbesetzten Lehrstellen und noch nicht vermittelten Bewerbern war laut BA Ende April mit 175100 etwas geringer als im Vorjahr. Das Ausbildungsjahr beginnt im September, bis dahin wird die Lücke kleiner.

In diesem Jahr werden aber voraussichtlich mehr Jugendliche eine Lehrstelle suchen als 2004. Die Bundesregierung rechnet im Berufsbildungsbericht mit einem Plus von 6500 Bewerbern. Während in den neuen Bundesländern laut den Prognosen die Zahl der Bewerber um 2500 zurückgeht, wird sie in den alten Bundesländern um 9000 steigen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beklagt, dass die Zahl der betrieblichen Lehrstellen „eine Tiefstmarke“ erreicht habe. Nur 23 Prozent der Betriebe bildeten überhaupt aus. Gleichzeitig gehe aber auch die außerbetriebliche Ausbildung zurück. Der DGB-Ausbildungsexperte Christian Kühbauch prognostiziert: „Viele Jugendliche werden in Warteschleifen landen.“

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