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Wirtschaft: Der Bund will nicht noch mehr sparen

Regierung lehnt neue Forderungen der EU-Kommissionweiter ab

Berlin/Brüssel (brö/msb). Die Bundesregierung will im kommenden Jahr keine zusätzlichen Sparprogramme auflegen, um den europäischen Stabilitätspakt zu erfüllen. Dafür gebe es keinen Spielraum, hieß es am Donnerstag aus Berliner Regierungskreisen. Kommende Woche werden die EUFinanzminister über die übermäßigen Haushaltsdefizite Deutschlands und Frankreichs beraten. Die EU-Kommission hatte von Berlin gefordert, im kommenden Jahr rund sechs Milliarden Euro zusätzlich einzusparen, damit die Verschuldung unter der Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bleibt. Die geplanten Reformen im Rahmen der so genannten Agenda 2010 reichten nicht aus, hatte EU-Währungskommissar Pedro Solbes erklärt. Die Brüsseler EU-Kommission bekräftigte hingegen, dass weitere Sparanstrengungen angesichts der Alterung in den beiden großen Ländern ohnehin nötig seien.

Trotz des Streits halten es Regierungskreise für unwahrscheinlich, dass es kommenden Dienstag in Brüssel zum Eklat kommt und der Stabilitätspakt von Deutschland und Frankreich „zurechtgebogen wird“, wie es hieß. „An Konfrontation kann niemand Interesse haben.“ Dies wäre aber der Fall, wenn sich die Finanzminister auf die Seite Deutschlands stellten und die Kommission bei der Abstimmung mit ihren Spar-Empfehlungen scheitern würde. Dann könnten die Auflagen nicht in Kraft treten.

Weitere Einsparungen lehnt Berlin ab, weil dadurch die konjunkturelle Erholung in der gesamten EU gefährdet würde. Die Kommission wolle „den Bundeshaushalt praktisch unter Kuratell stellen“. Bei höheren Sparauflagen sei ein Vorziehen der Steuerreformstufe kaum noch möglich, hieß es in den Regierungskreisen. Doch dies sei nötig, um die Binnennachfrage zu beleben. Das sähen mittlerweile auch andere Länder so, hieß es aus den Kreisen. Zudem fühle man sich von der Kommission ungerecht behandelt. Brüssel habe zu Beginn des Jahres die deutschen Sparpläne gutgeheißen, jetzt aber „überraschend“ die Meinung gewechselt.

Kommission will Strafen

Die Kommission hält es gleichwohl für nötig, Deutschland und Frankreich zu weiteren Sparmaßnahmen zu drängen. Obwohl die öffentlichen Finanzen in beiden Ländern bereits jetzt in größten Schwierigkeiten seien, hieß es, drohten weitere Probleme. Als einzige Länder in der Eurozone lägen die Etats im roten Bereich, selbst wenn man Zins und Tilgung herausrechne. Deshalb steige die Staatsverschuldung permanent. Bis 2005 prognostizieren EU-Experten einen Schuldenstand in Frankreich und in Deutschland von jeweils 66 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Durch den zu erwartenden Zinsanstieg und die demographischen Entwicklung rechnet die Kommission damit, dass sich die Probleme bald noch verschärfen werden.

Die Kommission bezweifelt, dass die in Deutschland geplanten Reformen den privaten Konsum wesentlich fördern würden. Die Alterung der Gesellschaft werde sich sowohl durch den Anstieg der Zahl der Pensionsempfänger als auch durch die niedrigere Zahl der Erwerbstätigen sehr negativ auf die Staatshaushalte auswirken. Die Steuereinnahmen würden weiter sinken, die Rentenkassen dagegen immer mehr Mittel benötigen.

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